Bornheims Ortsvorsteher Dominik Pinsdorf empfing Wolfgang Bosbach in der Oase der Europaschule zu seinem neunten Ortsgespräch.
Politische und persönliche EinblickeWolfgang Bosbach zu Gast beim Bornheimer Ortsgespräch
Wolfgang Bosbach ist dafür bekannt, dass er auch nach seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag vor sieben Jahren gerne seine politische Meinung kundtut und daher ein häufig eingeladener Gast bei bekannten Fernsehtalkshows ist. Der Name Bosbach zieht auch im Vorgebirge: Am Montagabend erlebten viele Bürger in der Oase der Bornheimer Europaschule den Mann live. Den 71-jährigen CDU-Politiker aus Bergisch Gladbach hatte Bornheims Ortsvorsteher Dominik Pinsdorf für sein mittlerweile neuntes Bornheimer Ortsgespräch eingeladen. Mit rund 100 Gästen war das Format sehr gut besucht.
Wolfgang Bosbach über verpasste Chancen und zu wenig Zeit
Bosbach, von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, stellte sich bereitwillig den Fragen Pinsdorfs und einiger Zuhörer. Er äußerte mal klar und ernst, mal mit viel Humor und stets kurzweilig seine Meinung zu aktuellen Themen, gab aber auch private Einblicke.
So schilderte Bosbach offen, dass er sich aufgrund seiner Krebstherapie wieder an der Uniklinik Köln in einer Strahlenbehandlung befinde und gab den Zuhörern gleich einen guten Rat mit: „Solange ich hier sein kann, geht es mir gut. Du darfst nie an den Dingen verzweifeln, die man nicht ändern kann, denn das Leben ist schön.“ Bezogen auf die oft verpassten Chancen, etwa, wenn er zu wenig Zeit hatte, bei seinen drei Töchtern zu sein, sagte Wolfgang Bosbach: „Du sagst dir, später holst du alles nach. Nein, du holst gar nichts nach.“
In der einleitenden Entweder-Oder-Fragerunde erfuhren die Besucher, dass Bosbach natürlich Karneval dem Oktoberfest, Kölsch einem Glas Pils und Bonn Berlin vorzieht. Von Pinsdorf auf die heimischen Spezialitäten angesprochen, hat es Bosbach eher mit dem Bornheimer Spargel als mit den Bornheimer Erdbeeren. Dafür gab es spontanen Applaus aus dem Plenum.
Politiker sprach in Bornheim auch über die Ampel-Koalition
Ernster wurden Bosbachs Äußerungen zu aktuellen politischen Themen. So rechnet er nicht damit, dass es zu Neuwahlen kommen werde, auch wenn ihm dies recht wäre. Keine der drei Ampelparteien würde die Koalition aufgeben, da niemand davon profitiere. Schon gar nicht die FDP. Für die Liberalen wäre ein solcher Schritt seines Erachtens existenzbedrohend. Sorge bereite Bosbach der zunehmende Zuspruch für die AfD. Bei einem Begriff wie „Remigration“ laufe es ihm „eiskalt den Rücken herunter.“ Mit diesen Leuten gebe es überhaupt keine Gemeinsamkeiten, denn es gehe ihnen dabei um nichts anderes als die Zwangsausweisung von Deutschen mit ausländischen Wurzeln.
Von Ausländern und Schutzsuchenden erwarte Bosbach allerdings, dass sie sich integrieren und die westlichen demokratischen Werte akzeptieren: „Wer bei uns ein Aufenthaltsrecht bekommt und sich integriert, ist bei uns herzlich willkommen.“ Hart ins Gericht ging der ehemalige Parlamentarier mit den Ampelkoalitionären SPD, Grüne und FDP und bewertete sie auf die Frage von Pinsdorf mit der Schulnote „mangelhaft“ unter anderem wegen handwerklicher Mängel: „Dieses Hin und Her sorgt für eine mangelnde Verlässlichkeit und Unmut. In der Politik darf es keine Sieger und Verlierer geben.“
Die Große Koalition aus CDU und SPD sei da besser als ihr Ruf gewesen. Man habe sich auch gestritten, aber am Ende gemeinsame Lösungen gefunden. An den aktuellen Protesten, etwa der Bauern, zeige sich die Wut der Bevölkerung. Bosbach sorge sich um die politische und demokratische Stabilität in Deutschenland: „Wir als Volksparteien stellen nicht mehr den Querschnitt der Bevölkerung dar. Verlieren wir die politische Stabilität, schlägt die Stunde der Populisten und die Stabilität bekommen Sie nicht mehr leicht zurück.“ Auch die Nazis seien nicht an die Macht gekommen, weil es damals so viele Nationalsozialisten gab, sondern zu wenig Demokraten.
Mahnung, Ursache und Wirkung zu verwechseln
Eine Lanze brach Bosbach für die Zurückhaltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Sachen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine: „Es gibt vieles, was ich an der Regierung kritisiere, aber hier kann ich den Bundeskanzler verstehen. Wir müssen zwar alles tun, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt. Wir dürfen aber keine Waffen liefern, mit denen russisches Gebiet angegriffen werden kann, denn Russland ist schließlich eine Atommacht.“ Ernsthafte Friedensverhandlungsgespräche sehe Bosbach erst dann, wenn eine Seite glaubt, diesen Krieg nicht mehr gewinnen zu können: „Doch an dem Punkt sind wir noch nicht.“
Auch über den Krieg im Nahen Osten sprach Pinsdorf mit Bosbach. Es handele sich um ein kleines Land, praktisch jede Familie sei von dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober betroffen und traumatisiert, erklärte Bosbach. Mehrfach sei er während seiner aktiven politischen Zeit in Israel gewesen. Selbst in Friedenszeiten hätten die Raketenangriffe der Terrororganisation Hamas den dortigen Alltag geprägt. Gibt es Raketenalarm, bleiben einem nur wenige Sekunden, um sich Schutz zu suchen: „Dann geht das Leben weiter.“ Bosbach mahnte, Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln. „Die Ursache für den Krieg ist der 7. Oktober. Legt die Hams die Waffen nieder, gibt es Frieden. Legt Israel die Waffen nieder, gibt es dieses Land nicht mehr.“
Die Reihe der „ORT's-Gespräche – Miteinander im Dialog“ von Dominik Pinsdorf wird fortgesetzt. Am Donnerstag, 18. April, 18.30 Uhr, kommt die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur nach Bornheim. Am Montag, 24. Juni, 19 Uhr, ist Politiker Gregor Gysi (Die Linke) zu Gast. Beide Veranstaltungen finden in der Oase der Europaschule, Goethestraße 1, statt.