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„Freistaat Vürjebirch“ mit Ministerin vom DamenstammtischVolxtheater spielt in Bornheim

Lesezeit 4 Minuten
Die Frauen überlegen, wie sie die Macht im ‚Freistaat Vürjebrich‘ übernehmen könnten.

Die Frauen überlegen, wie sie die Macht im 'Freistaat Vürjebrich' übernehmen könnten.

Am Stammtisch buhlen Frauen und Männer um die Macht, und im „Freistaat Vürjebirch“ diskutieren die Minister an der Theke. Die Kommödie vom Volxtheater Rösberg ist aus gutem Grund ausverkauft.

Es ist die Rolle seines Lebens, endlich ist er jemand: „Kaiserhallen“-Wirt Roland Tsatziki (Martin Schumacher) aus Bornheim reist als Staatspräsident um die Welt und wird sogar von Queen Elizabeth im Buckingham Palace als „Chief of the Before Mountains“ begrüßt. Stolz erzählt er seiner Enkelin Greta (Kira Muß) von seinen Staatsbesuchen, die ihn auch nach China oder Hawaii führten. Zu diesen hohen Ehren kommt Tsatziki als Präsident des „Freistaats Vürjebirch“, so der Titel der jüngsten Komödie des Volxtheaters Rösberg, die am Wochenende im „Brauhaus Kaiserhalle“ Premiere hatte und vom Publikum begeistert gefeiert wurde.

Ein Blick zurück: 1953 entdeckten Karnevalisten der Bornheimer Karnevalsgesellschaft „Bonnemer Blötschköppe“ bei einer Nubbelbeerdigung eine Urkunde, die besagt, dass das Vorgebirge seit 100 Jahren ein Freistaat sei. Wie konnte diese Sensation nur in Vergessenheit geraten? Schnell finden sich die Karnevalisten bei Roland Tsatziki in der Kaiserhalle wieder, und schon bald stehen nicht nur der Kneipenwirt als Freistaatspräsident fest, sondern auch eine illustre Ministerriege (gespielt von Erich Fütterer, Karl-Heinz Cader, Tobias Krüger).

Dem Damenstammtisch (Uschi Pingel, Leonie Vrochte, Kira Muß, Alli Olligschläger-Loedel und Sigi Krewer) gefällt aber so gar nicht, dass ihr Freistaat von einem reinen Männerclub regiert wird. Kurzerhand bestimmen sie Karla Leisefluss (Leonie Vrochte) frei benannt nach Karl Lauterbach zur Gesundheitsministerin des Freistaates.

Turbulent geht es auf der Bühne zu.

Turbulent geht es auf der Bühne zu.

1953 passieren aber noch weitere denkwürdige Dinge: Pazifist und Vorgebirgsrebell Wilhelm Maucher (Christof Ernst) versucht zunächst nur mäßig erfolgreich aus seinem Brombeersaft den Brombeerwein „Rebellenblut“ zu keltern. Erst als „Schabau“-Expertin Billa Brettschneider (Uschi Pingel) ihm unter die Arme greift, gelingt ihm dies. Und dann ist da noch das große Fußballtalent aus Merten, Helmut „Dschingis“ Kahn (Gregor Olligschläger). Kahn ist zwar äußerst treffsicher auf dem Platz, doch zum Leidwesen seiner Mutter Katharina (Agi Olligschläger-Loedel) nicht gerade der Intelligenteste.

Da weiß die junge Gesundheitsministerin, die auch ein Auge auf den athletischen Sportler geworfen hat, Rat: Sie braut ihm einen Schlaumachertrank. Vor allem die Herrenriege richtet sich schnell ein im Freistaat. Doch dann kommt ein unerwarteter Anruf: Fußballnationaltrainer Sepp Herberger möchte „Dschingis“ Kahn ins Team der deutschen Nationalelf für die Fußball-WM 1954 in Bern berufen. Damit gibt es ein Problem: Es dürfen nur Kicker mit der deutschen Staatsbürgerschaft mitspielen. Was bedeutet das nun für den „Freistaat Vürjebirch“?

Zweieinhalb Stunden urkomische, kurzweilige Unterhaltung bietet das Ensemble des „Volxtheater Rösberg“, gewohnt mit jeder Menge Lokalkolorit, aber auch satirischen Seitenhieben auf aktuelle Geschehnisse, etwa, wenn Greta Tsatziki sich aus Protest am Tresen ihres Opas Roland wie die „Klimakleber“ festklebt. Hinzu kommen ausgefallene Gags, jede Menge lustige Überraschungen, eine ordentliche Portion Situationskomik und ausgefeilte, flotte Dialoge.

Ausgedacht haben sich alles Christof Ernst, Maria Hirsch und Martin Schumacher. Professionell in Szene gesetzt wurde das Stück, wie vorherigen Inszenierungen, von Regisseur Marcel Höfs, der an der Alanus Hochschule Alfter Schauspiel und Theaterpädagogik studiert hat und derzeit als Regisseur am Jungen Theater Bonn-Beuel arbeitet. „Ich habe ein Team voller Herzblut und Leidenschaft erlebt“, schwärmte Höfs schon im Vorfeld der Aufführung.

Freistaatpräsident Roland Tsatziki (Martin Schumacher), erklärt seiner Enkelin Greta (Kira Muß), was er bei seinem Staatsbesuch in England mit der Queen erlebt hat.

Freistaatpräsident Roland Tsatziki (Martin Schumacher), erklärt seiner Enkelin Greta (Kira Muß), was er bei seinem Staatsbesuch in England mit der Queen erlebt hat.

Auch beim Bühnenbild und bei den Requisiten gab es Unterstützung von der Beueler Jugendbühne. Der Musiker Rainer Jüssen begleitet das Ensemble vom Seitenrand der Bühne aus. Im September hatten die elf Schauspieler – teils Laien, teils Profis – wie die Jungdarstellerinnen Kira Muß (Junges Theater Beuel) und Leonie Vrochte (Metropoltheater Kön) geprobt.

Da es in Rösberg, der Heimat des Volxtheaters, schon seit Jahren keinen Saal mehr gibt, spielt das Ensemble im „Brauhaus Kaiserhalle“ in der Königstraße in Bornheim. Zunächst wurde aber mehrere Wochen im „Blauen Haus“ in Sechtem, das ihnen die Dorfgemeinschaft zu günstigen Konditionen überlassen hatte, geprobt.

Wer jetzt Lust bekommen hat, sich das Stück auch noch ansehen zu wollen, der braucht wohl ein wenig Glück, dass die eine oder andere Karte noch zurückgegeben wird. Denn nicht nur die Premiere, sondern auch alle kommenden Aufführungen waren innerhalb kürzester Zeit restlos ausverkauft, so Christof Ernst. Die Nachfrage war derart groß, dass sogar noch eine Zusatzveranstaltung angesetzt worden war.