Osama Alnahas, Friseur in Merten, schaut gerade mit Spannung auf die Entwicklung in seiner syrischen Heimat.
Syrer in Bornheim:„Wir haben uns hier ein Leben aufgebaut“
Zwei Tage und Nächte hat er nicht geschlafen, hat nach den Nachrichten vom Putsch in seiner syrischen Heimatstadt Damaskus alle neuen Entwicklungen förmlich aufgesogen, sagt Osama Alnahas. Er hat seine Familie in der syrischen Hauptstadt angerufen und war froh, dass bei seinen Verwandten alles in Ordnung sei. Der Sturz des Machthabers Assad hat den Friseur aus Merten froh gestimmt, zuversichtlich. Schließlich hatten er und seine Familie sehr unter dem Regime zu leiden, wie er erzählt.
Das war auch der Grund, warum sich Alnahas zur Flucht entschieden hatte. Mittlerweile ist er angekommen, wie er es schildert. Ob er in seine Heimat zurückkehren möchte? Wenn überhaupt, dann vielleicht später. Der freundliche Syrer musste wohl einiges ertragen. Er, der das Metier des Friseurs von seinem Vater gelernt hat, führte mehrere Läden in Damaskus, „bei mir war alles in Ordnung“, sagt er. Bis er 2011 verhaftet wurde, zweimal hintereinander. „Beim ersten Mal ging es einfach um Meinung“, sagt der Syrer.
Das Assad-Regime habe kurzen Prozess gemacht mit Andersdenkenden, viele wurden einfach erschossen, beschreibt es Alnahas. 60 Tage habe er eingesessen, „aber das war kein normales Gefängnis, das war katastrophal“. Er sei „einfach so“ inhaftiert worden, ohne Gerichtsbeschluss. Er sei nur entkommen, weil er dafür zirka 2000 Euro bezahlt habe. Nach der Bombardierung von Homs im Westen Syriens habe er eine Hilfsinitiative gegründet, um die Menschen dort zu unterstützen. Das sei der Grund für seine zweite Verhaftung gewesen. „Noch mal 60 Tage“, sagt Alnahas, den alle nur Sam nennen.
Der dritten Verhaftung habe er sich entzogen: „Gott sei Dank konnte ich weg, zu Fuß in den Libanon und dann nach Jordanien“, erzählt er . Die Familie sei nachgekommen. „Ich habe dort gut gearbeitet und auch einen Laden aufgemacht“, erinnert sich Alnahas. Dort hatte er auch als Maskenbildner gearbeitet, sei sehr gefragt gewesen für Film- und Theaterproduktionen. Aber es hatte keine Zukunft: „Nach drei Jahren hatte ich noch keine Papiere, keinen Führerschein“, keine Erlaubnis, überhaupt dort zu sein. Er habe dann mit seiner Frau entschieden, „wir müssen etwas unternehmen“.
Mit einem seiner vier Söhne flog er in die Türkei und von dort aus mit einem Schlauchboot nach Griechenland. Der erste Versuch misslang, das Schlauchboot sank, alle mussten zur Küste zurückschwimmen. Dann Versuch Nummer zwei: „Es war ein großes Risiko. Dreieinhalb Stunden auf dem Meer im Dunklen. Da ging es um Tod oder Leben.“ Sie haben es geschafft, dann ging es „Schritt für Schritt bis nach Deutschland“, so Alnahas. An Silvester 2017 ist er in Passau angekommen. Vom ersten Tag an sei ihm klar gewesen, dass er die Sprache lernen muss. Drei Monate hat er in einer Unterkunft in der Nähe von Siegen verbracht, bevor er nach Bornheim kam.
„Ich habe einen Sprachkurs gemacht“, sagt Alnahas, und er hat den Familiennachzug beantragt. Frau und Kinder waren die ganze Zeit über in Jordanien geblieben. Er hat umgeschult, seine Meisterprüfung abgelegt. Es sei wirklich schwer gewesen, all die deutschen Fachbegriffe zu lernen. So umfangreich wie hier sei die Friseurausbildung in seiner Heimat nicht. Früher sei er Barbier und Friseur für Herren gewesen, jetzt hat er sein Repertoire um Damenfrisuren erweitert. Zwei seiner vier Jungs stecken gerade im Abitur, seine Frau steht kurz vor der Prüfung als Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte. Sie habe auch schon einen Job gefunden und könne nach der Ausbildung gleich arbeiten.
„In Syrien ist Chaos“
Das Leben hier sei mit dem in Syrien nicht zu vergleichen. Hier müsse man für die Rente vorsorgen, Steuern bezahlen, das sei in seiner Heimat anders gewesen, „da ist Chaos“. „Man muss sich anpassen“, meint Alnahas, und direkt etwas tun. Einen Tag nach dem Ende seines Sprachkurses habe er seine weitere Ausbildung begonnen. Seit 30 Jahren ist er Friseur, musste aber in seiner neuen Heimat „praktisch bei Null anfangen“. Die Praxis sei einfach gewesen, die Theorie sehr schwierig wegen der neuen Sprache. Seine alte Heimat braucht Zeit, sagt Alnahas. „Sie müssen wieder alles aufbauen, das ganze Land ist kaputt.“ Ob er zurückkehrt? „Das ist nicht nur meine Entscheidung, sondern auch die meiner Familie. Wir haben uns auch hier ein Leben aufgebaut. Meine Kinder sprechen nicht Arabisch, das würde schwierig. Und sie treffen ihre eigenen Entscheidungen.“
In Damaskus habe er nichts mehr, seine Wohnung ist zerstört, seinen Laden musste er für einen Schleuderpreis verkaufen, um die Ausreisen zu finanzieren. Man müsste also alles neu aufbauen. Hat er Heimweh? „Natürlich! Natürlich!“, sagt Sam Alnahas eindringlich. Schließlich sei auch noch seine Mutter in Damaskus, seine Geschwister habe er seit zwölf Jahren nicht gesehen. Vielleicht werde er eines Tages als Besucher nach Damaskus zurückkehren.