Es wird ein Tunnel! Die Vorzugsvariante für die „Rheinspange 553“ heißt V6aT und verläuft von der A555 bei Wesseling zu einem neuen Autobahnknoten an der A59 in Höhe der Spicher Seen. Was sagen Verbände, Parteien und Verwaltungen zu der Entscheidung?
Bornheim und RegionReaktionen auf Rheinspange schwanken zwischen Applaus und Ablehnung

Ein drei Kilometer langer Tunnel soll unter dem Rhein bei Wesseling gebaut werden.
Copyright: Meike Böschemeyer
Länge der Trasse: rund acht Kilometer. Länge des Tunnels: rund drei Kilometer. Kosten: rund 1,1 Milliarden Euro. Bauzeit: rund acht Jahre. Das sind die Fakten zur Rheinspangen-Vorzugsvariante, die jetzt vorgestellt wurde. Demnach knüpft die Spange im Bereich der heutigen Anschlussstelle Wesseling an die A555 an. Von hier aus führt die Trasse in Richtung Rhein. Zwischen Wesseling-Urfeld und dem Shell-Gelände geht sie in den Tunnel über. Das Tunnelportal auf der anderen Rheinseite liegt im Bereich des Kreisverkehrs der L269 nordöstlich von Niederkassel. Der weitere Trassenverlauf führt zwischen Libur und Uckendorf nach Westen, mit einer Anschlussstelle am Liburer Weg. Auf Höhe der Spicher Seen bindet die Rheinspange an die A59 an. Wie reagieren Verbände, Verwaltungen und Parteien?
Landschafts-Schutzverein Vorgebirge (LSV): „Eine krasse Fehlentscheidung in Zeiten der Verkehrswende!“ So reagiert Dr. Michael Pacyna, Vorsitzender des Landschafts-Schutzvereins Vorgebirge. „Der Bundesverkehrsminister beharrt also auf den Bau der Rheinspange. Auch ein Tunnel geht zu Lasten der Landwirtschaft sowie des Klima- und Umweltschutzes. Volker Wissing sollte lieber gemäß des Koalitionsvertrags die Milliarde Euro an Steuergeldern in den Ausbau des Schienen- und Radwegenetzes stecken und die maroden Rheinbrücken zügig reparieren, statt mit der A553 eine neue Autobahn zu bauen. Die zur Sanierung anstehenden Autobahnbrücken kann die Rheinspange, die allerfrühestens 2036 in Betrieb geht, eh nicht von den unvermeidlichen Staus entlasten.“ Der LSV werde im Genehmigungsverfahren weiterhin einen generellen Planungsstopp für die A553 fordern. Bornheim würde unter der geplanten Anschlussstelle bei Widdig und dem Durchgangsverkehr u.a. Richtung Heimerzheim zur A 61 besonders leiden. Die Stadt wehrt sich zu Recht gegen diese Planung. Wir werden sie dabei nach Kräften unterstützen.“
Bürgerinitiative „Nein zur Rheinspange – Ja zur Nulllösung“ Widdig: „Wir sind grundsätzlich enttäuscht, dass sich die Ampelregierung trotz Koalitionsvereinbarung nicht gegen den Autobahn-Neubau ausgesprochen hat“, sagt der Sprecher der Widdiger Initiative, Norbert Kemmer . „Es gibt sicher schlechtere Varianten, diese ist noch eine der freundlichsten, aber eben keine freundliche.“ Sie ist weiter weg von Bornheim, aber „das ändert nichts daran, dass die Autobahnzufahrt verlegt werden muss und wir neue Zufahrtsstraßen brauchen.“ Die Anschlussstelle A555 Wesseling-Süd entfalle und werde nach Widdig verschoben; das bedeute „eine zirka zwei Kilometer lange und zur Hälfte 4-spurige Zubringerstraße durch unsere Acker-/Grünlandschaft und das Wasserschutzgebiet 3A“, so Kemmer. Die tangiere die Uferfiltrat-Verrieselungsbrunnen und führe nah an der Schutzzone II entlang. Kemmer sieht „eine erhebliche Mehrbelastung der Dorf- und Landstraßen“. Insgesamt befürchtet die Initiative, „dass Bau und Betrieb der Rheinspange unsere Lebensqualität und die der nachfolgenden Generationen dauerhaft beeinträchtigen“.
Landrat Sebastian Schuster (CDU): „Eine weitere Rheinquerung ist äußerst wichtig für die Region Köln/Bonn und auch für den Rhein-Sieg-Kreis. Wir sind eine Wachstumsregion, in der in den nächsten 15 Jahren etwa 270 000 zusätzliche Menschen leben werden, die Arbeitsplätze und Wohnraum benötigen und mobil bleiben beziehungsweise Waren und Dienstleistungen beziehen wollen. Wenn wir eine weitere verträgliche Entwicklung der gesamten Region wollen, dann brauchen wir diese Verbindung zwischen der A 555 und der A 59. Die nun gefundene Tunnellösung könnte einen guten Kompromiss für die Bürgerinnen und Bürger, die Umwelt sowie die Bedürfnisse von Wirtschaft und Handwerk darstellen“, schreibt der Landrat in seinem Statement. „Entscheidend ist, dass die Menschen bei den weiteren Planungen unbedingt mitgenommen werden. Denn Projekte dieser Größenordnung können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn sich alle Beteiligten einbringen können. Der von der Autobahn GmbH vorgeschlagene Planungs- und Realisierungszeitraum von zirka 13 Jahren muss effektiv genutzt werden. Der Rhein-Sieg-Kreis wird sich in diesen Prozess aktiv und konstruktiv einbringen.“
Bornheims Bürgermeister Christoph Becker (parteilos): „Die für Bornheim schlechteste Variante wird nicht mehr weiterverfolgt“, kommentiert der Bornheimer Bürgermeister Christoph Becker. „Die Vorzugsvariante 6aT verläuft ab dem bestehenden Autobahnanschluss Wesseling zwischen der Shell und dem Ortsteil Urfeld als Tunnellösung. Die im Zuge der Realisierung geplante Verlegung der Anschlussstelle Wesseling mit Zubringern von der L192 und der L300 betrifft das Gebiet der Stadt Bornheim.“ „Sollte es zur Realisierung der Variante 6aT kommen, wird sich der Fokus der Verwaltung auf die Vermeidung beziehungsweise Verringerung der zusätzlichen Belastungen richten, die insbesondere mit einem neuen Autobahnzubringer im Widdiger Feld verbunden wären. Hierzu gehört die Fragestellung, ob nicht die vorhandene Auffahrt an der L192 durch eine entsprechende Umgestaltung weiterhin genutzt werden könnte und darüber hinaus auch eine Trasse in direkter Lage am Wasserschutzgebiet nicht so vermieden werden kann. Ein neuer südlicher Autobahnanschluss am Widdiger Feld würde zudem die Verkehrsverhältnisse im Bereich Bornheim und Wesseling verschlechtern und zu zusätzlichen Belastungen von Wohnbereichen führen.“ Es werde erwartet, „dass im weiteren Planverfahren die Grundsatzfrage verlässlich und positiv Beantwortung findet, wie der wohl über eine Milliarde Euro teure und Tausende Tonnen CO2-Emissionen verursachende Bau einer weiteren Rheinquerung mit der angestrebten Mobilitätswende vereinbar ist“.
CDU-Fraktion Bornheim: Die CDU begrüßt die geplante Tunnellösung: „Aus Sicht der CDU-Fraktion ist die nun festgelegte Tunnellösung jene mit dem geringstmöglichen Einfluss auf Umwelt und vor allem auf Menschen. Zugleich wird der Verkehr nennenswert entlastet. Auch wenn ein Tunnel absehbar höhere Kosten verursacht als eine Brücke, ist diese Investition eine Zukunftsinvestition. Die CDU-Fraktion hat sich interkommunal und auf allen Ebenen frühzeitig für einen Tunnel und gegen eine Brücke ausgesprochen“, so der verkehrspolitische Sprecher Lutz Wehrend. „Die ,Rheinspange 553‘ ist und bleibt eines der wichtigsten Verkehrsprojekte in unserer Boom-Region.“ Mit der Verlegung der Anschlussstelle auf Bornheimer Gebiet würden neue Zufahrtsstraßen von der L 192 und der L 300 notwendig. Diese müssten so dimensioniert sein, dass es nicht zu Rückstaus kommt.
UWG-Fraktion Bornheim: „Unser Favorit war von Anfang an die Godorfer Lösung“, sagt der UWG-Vorsitzende Heinz Müller, Mitglied des politischen Begleitkreises zur Rheinspange. „Dass diese nicht umgesetzt werden kann, muss man den Experten wohl glauben. Nach unserer Auffassung wurden hier allerdings nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, wie zum Beispiel der Vorschlag aus Bornheim.“ Es könne nicht sein, dass die Kreis- und Landstraßen der Ortschaften Bornheim und Niederkassel zukünftig noch mehr Verkehre aufnehmen müssten, das betreffe insbesondere den Schwerlastverkehr. Müller: „Eine Null-Lösung ist für uns kein Thema, da wir in Zukunft keine Reduzierung des Autoverkehrs sehen.“
SPD-Fraktion Bornheim: „Es handelt sich nach erster Einschätzung um eine Variante, mit der man in Bornheim besser umgehen kann, als mit den Varianten V 9 und V 10, die eine wesentliche Beeinträchtigung des Grundwassers und der Wasserversorgung durch den Wasserbeschaffungsverband Wesseling-Hersel heraufbeschworen hätten.“ So kommentiert der SPD-Fraktionsvorsitzende Wilfried Hanft die Vorzugsvariante. Auch wären dabei die erheblichen Belastungen durch die Verlärmung weiter Teile von Widdig zu nennen.“ Erhebliche Sorgen bereite ihm als Ortsvorsteher von Brenig, dass es durchaus attraktiv für Autofahrer sei, dann die A61 in Swisttal über die L 192 und die L 182 in Brenig zu erreichen.
Stadt Wesseling: Die Stadt behält sich rechtliche Schritte vor und formuliert unter anderem „zur Anbindung des Stadtgebiets an die A555 und zur Sicherung des zukunftsweisenden Energy Campus Projekts der Shell klare Forderungen an die Autobahn GmbH für das weitere Verfahren“, teilt die Verwaltung mit. „Auch mit der Tunnellösung ist eine Zerschneidung des Ortsteils Urfeld nicht vom Tisch“, kommentiert Bürgermeister Ralph Manzke. „Zudem möchte die Autobahn GmbH die Anschlussstelle Wesseling an die A555 in Richtung Bornheim verschieben. Auf Wesselinger Stadtgebiet befindet sich dann keine Anschlussstelle der A555 mehr! Sonst führen Verkehre aus Wesseling hinaus oder nach Wesseling herein von den Anschlussstellen in Köln-Godorf und Bornheim ausschließlich durch unser Stadtgebiet,“ kritisiert Manzke.
IHK Bonn/Rhein-Sieg: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg zeigt sich erleichtert, dass nun endlich die Vorzugsvariante des Streckenverlaufs für die neue Rheinquerung bei Wesseling feststeht, die die rechtsrheinische A 59 mit der linksrheinischen A 553 verknüpfen soll. „Die Region Bonn/Rhein-Sieg benötigt die neue ,Rheinspange‘ dringend“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Hille. Es sei wichtig, dass die zusätzliche Rheinquerung komme und zur notwendigen Entlastung der vorhandenen Brücken in Köln und Bonn beitragen werde. „Der Nutzen ist belegt, jetzt ist es wichtig, dass alle an einem Strang ziehen, damit der Tunnel schnell geplant, genehmigt und gebaut werden kann“, fordert Hille mit Blick auf die Einschätzung von Fachleuten, dass es 13 Jahre dauern könnte, bis der Tunnel in Betrieb geht.
SPD Swisttal: Die Swisttaler Sozialdemokraten befürchten „massive negative Einflüsse für Swisttal – insbesondere Heimerzheim – durch eine erhebliche Zunahme der Verkehrsbelastung auf der L 182“, erklärt Tobias Leuning, Vorsitzender der SPD in Swisttal. Deswegen fordert seine Partei „die sofortige Beteiligung der Gemeinde Swisttal am Verfahren. Bisher war dies weder im Dialogforum noch im politischen Begleitkreis der Fall.“
Der Fokus der Verwaltung wird sich auf die Vermeidung der zusätzlichen Belastungen richten