Die Schulpsychologische Beratungsstelle im Rhein-Sieg-Kreis unterstützt bei der Bewältigung schulischer Probleme. Der Service ist kostenlos, freiwillig und vertraulich.
Beratung im Rhein-Sieg-KreisHier finden Schüler Hilfe bei Problemen rund um Mobbing und Co.

Manche Kinder schaffen es nicht, regelmäßig zur Schule zu gehen. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Copyright: imago/photothek
Den Eltern Tschüss sagen, bis zu 90 Minuten still sitzen, lernen statt zu spielen: Vielen Kindern fällt der Übergang von der Kindertagesstätte zur Grundschule zuerst einmal schwer. Gerade zum Schuljahresbeginn gehen bei der Schulpsychologischen Beratungsstelle des Rhein-Sieg-Kreises entsprechende Hilferufe von Familien ein.
Beim Ankommen helfen und den Schulstart begleiten – das ist so kurz nach Schuljahreswechsel immer noch eine der Hauptaufgaben von Sara Glashagen als Leiterin dieser Einrichtung sowie ihrer Kolleginnen und Kollegen. Sie arbeiten aber das Jahr über mit Schülern jeder Altersstufe Gründe für schulische Schwierigkeiten auf.

Sara Glashagen ist die Leiterin der Schulpsychologischen Beratungsstelle des Rhein-Sieg-Kreises.
Copyright: Rhein-Sieg-Kreis
Im Fall der Erstklässler sieht die Beratung meist so aus: Zuerst schildert das betroffene Kind oder dessen Familie das Problem. Gemeinsam wird auch ein Blick auf die Vergangenheit geworfen. Vielleicht wurde bereits etwas unternommen und es gibt schon Unterstützer. Sollten Eltern und Kinder einverstanden sein, könnte in einem nächsten Schritt dann die Schule einbezogen werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstelle hospitieren auch in der Schulklasse, in der sich das betroffene Kind befindet, um das Problem besser einschätzen zu können. Im gemeinsamen Austausch werden dann Lösungen erarbeitet. Dabei, so Glashagen, sei natürlich jeder Fall ganz individuell und so auch das jeweilige Vorgehen sowie der Lösungsansatz.
Während Jugendliche sich auch selbstständig bei der Beratungsstelle melden, brauchen Kinder im Grundschulalter dabei die Hilfe ihrer Familie, erklärt Sara Glashagen. Das Angebot der Beratungsstelle bezieht sich grundsätzlich auf alle Schulformen, also auf Grundschulen und weiterführende Schulen ebenso wie auf Förderschulen oder Berufskollegs. Schülerinnen und Schüler, die Beratung suchen, sind manchmal also erst fünf Jahre alt oder bereits erwachsen. Die Probleme, die rund um Schule entstehen können, sind vielfältig: Mobbing, Prüfungsangst, soziale Konflikte oder auch die Angst, zur Schule zu gehen.
Kostenlos, freiwillig und vertraulich
„Die Beratung ist kostenlos und freiwillig. Außerdem gilt die Schweigepflicht“, betont Glashagen. Demnach könnten Schulen die Beratung nicht vorschreiben, aber empfehlen. Und die Schule wird nur dann kontaktiert, wenn Schüler beziehungsweise deren Eltern ihr ausdrückliches Einverständnis dazu geben. Wenn Jugendliche nicht wollen, dass ihre Eltern informiert werden, dann passiere das auch nicht, sagt Glashagen und betont: „Natürlich müssen wir da abwägen, wo die Grenze liegt.“ Eine solche Grenze könnte erreicht sein, wenn es um eine Erkrankung oder suizidale Gedanken gehe.
Da es sich bei der Beratungsstelle nicht um eine klinische Einrichtung handele, würden auch keine Diagnosen gestellt. Auch wenn die 16 Mitarbeiterinnen und der eine Mitarbeiter ausgebildete Psychologen seien. Zu den Aufgaben der Stelle gehört die Beratung von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern und Familien sowie die von Lehrkräften und pädagogischem Fachpersonal. Außerdem bietet die Stelle regelmäßig Infoveranstaltungen an Schulen an, und veranstaltet auch Online-Elternabende. So soll Problemen vorgebeugt werden, bevor diese überhaupt entstehen könnten. Kinder und Jugendliche würden im Schulalltag enormen Leistungsdruck erleben, so Glashagen: „Wir wollen die Eltern früh ins Boot holen, damit sie dies nicht noch zusätzlich verstärken.“
„Wir stehen im engen Kontakt mit den Beratungslehrkräften und bilden diese auch aus“, erklärt Glashagen. Auch bei der Krisenprävention und -intervention unterstützt die Beratungsstelle Schulen, Schüler und Lehrkräfte.
Es geht aber nicht nur um Kinder und Jugendliche, auch Lehrkräfte können sich an die Beratungsstelle wenden, wenn sie einen Rat brauchen, der entweder ihre Klasse oder einzelne Schülerinnen und Schüler betrifft, oder ihre eigenen Themen. Lehrergesundheit oder Belastung beziehungsweise Überlastung im Job, der viel Flexibilität voraussetzt, könnten solche Themen sein.
Alle Themen rund um Schule sind bei der Beratungsstelle richtig. In Beratungsgesprächen kommt es dann auch vor, dass sich hinter den schulischen Problemen weitere versteckten, die eher aus dem Privatleben kommen. „Davor machen wir in der Beratung dann nicht halt“, sagt Glashagen. Der beste Zeitpunkt, um sich an die Stelle zu wenden, sei, wenn das Problem noch klein und nicht etabliert ist. Zu spät gibt es aber nicht: „Beratung suchen, hilft immer“, findet Glashagen. Sollte die Beratungsstelle das Problem jedoch nicht lösen können, wissen die Mitarbeiter, welche Stelle helfen kann.
Größerer Leistungsdruck in den weiterführenden Schulen
Mit Problemen und Ängsten sehen sich Kinder oft schon früh in ihrem Schulalltag konfrontiert. Leistungsdruck wird schon in der Grundschule zum Thema. Außerdem müsse das soziale Miteinander erst noch erlernt werden, und auch Konzentration und Motivation sei Übungssache. In der Grundschule stehen Kinder erstmals im direkten Vergleich mit ihren Mitschülern und erleben, wer den Anforderungen gerecht werde, wer wie schnell lerne und wer vielleicht länger brauche. „In den weiterführenden Schulen wird der Druck nur größer. Besonders, wenn es in der 10. Klasse um den Schulabschluss geht oder Richtung gymnasiale Oberstufe“, erklärt Glashagen. Zwischen Grundschule und weiterführender Schule unterscheiden sich die Themen der Kinder und Jugendlichen gar nicht so sehr, so Glashagen weiter: „Die Ausprägung ist aber eine andere.“ So sei eine Schulunlust bei Jugendlichen häufig darauf zurückzuführen, dass für sie andere Themen wichtiger werden. „Sie beschäftigen sich mit Gender, mit der eigenen Sexualität und der Frage ‚Wer bin ich?‘, also nach der eigenen Identität. Begleitet wird das Ganze durch hormonelle Veränderungen, die die Pubertät mit sich bringt“, sagt Glashagen.
Hinzu komme noch das Thema Mediennutzung, das es für Jugendliche nicht unbedingt einfacher mache, durch den Schulalltag zu kommen. Gewalt und Mobbing betreffen keinesfalls nur ältere Kinder und Jugendliche. Diese Themen spielen bereits in der Grundschule eine Rolle. „Kinder müssen erst einmal lernen, wie man Konflikte löst. Das ist entwicklungspsychologisch ganz normal. Die eigene Wut im Griff haben, muss man erst üben. Vor allem, wenn man verbal vielleicht nicht so fit ist“, erklärt die Diplom-Psychologin: „Da können schonmal die Fäuste fliegen.“ Die Experten können dabei helfen, diese Wut zu kontrollieren.
Ein weiteres Problem, das häufig an die Beratungsstelle herausgetragen wird, sei Schulabsentismus, so Glashagen. Dieses Wort benutzt die 38-Jährige lieber als „Schulschwänzen“, denn das habe „diesen negativen Beigeschmack von ‚keine Lust auf Schule haben‘“. Das gebe es zwar auch, aber viel häufiger stecke hinter Schulabsentismus eine Angst oder ein Unwohlsein, das tatsächlich und ganz real Bauchschmerzen bereite, erklärt Glashagen: „Chronische Überforderung macht körperlich krank.“
Überforderung macht auch körperlich krank
Auch das betrifft schon Grundschulkinder, die dann keinen anderen Ausweg sähen, als den Schulbesuch zu verweigern. „Nicht zur Schule gehen, obwohl man weiß, dass man hingehen muss, ist eine Hürde, die es erst einmal zu überwinden gilt“, betont Glashagen. Und: „Mit jedem Tag, den Kinder und Jugendliche der Schule fern bleiben, wird es schwieriger, sie zurückzuholen. Denn die Vermeidung macht das Problem beziehungsweise die Angst nur größer.“ In Beratungsgesprächen wird dann ergründet, wo die Ursachen liegen. Wieso fühlen sich die betreffenden Schülerinnen und Schüler im Schulsystem nicht wohl? Wie können Erwachsene – Eltern oder Lehrkräfte – Hilfestellung geben?
Besonders, wenn Kinder coronabedingt wenig Zeit in der Kita verbringen konnten, sind diese häufig weniger geübt, was das soziale Miteinander angeht und haben häufig Schwierigkeiten, im Schulalltag anzukommen
Nach der Corona-Pandemie beobachtete Glashagen eine Verschärfung der Probleme, die Kinder und Jugendliche im Schulalltag erleben. Das betreffe sowohl die sozialen Kontakte als auch die schulische Leistung. „Besonders, wenn Kinder coronabedingt wenig Zeit in der Kita verbringen konnten, sind diese häufig weniger geübt, was das soziale Miteinander angeht und haben häufig Schwierigkeiten, im Schulalltag anzukommen“, so Glashagen. Manche Kinder und Jugendliche seien aber auch gut durch die Corona-Zeit gekommen und gestärkter daraus hervorgegangen. „Das sind aber oft diejenigen gewesen, die ohnehin schon gut aufgestellt waren, was den familiären Hintergrund und die eigenen Fertigkeiten angeht“, führt Glashagen aus. Für andere wiederum hätten sich die Schwierigkeiten durch Lockdown und Home-Schooling nur noch verstärkt. „Corona hat einiges angestoßen, was nicht alle abfangen konnten“, so Glashagen. Dass Kinder und Jugendliche im Schulalltag Probleme hätten, sei nicht neu, nach der Pandemie vielleicht aber deutlicher sichtbar.
„Vor der Pandemie hatten wir eine lange gesellschaftlich stabile Zeit. Das gab Sicherheit, an die wir gewöhnt waren. Die aktuellen Krisen haben Schülerinnen und Schülern gezeigt, dass es doch nicht so sicher ist, wie vielleicht angenommen“, erklärt Glashagen. Es sei die Aufgabe der Helfersysteme, Kindern und Jugendlichen diese Sicherheit zurückzugeben.
Hoher Andrang rund um die Elternsprechtage
Die Stelle ist das ganze Schuljahr geöffnet und bietet auch in den Ferien Beratung an. Während der Sommerferien sei es meist ruhiger, viele Anfragen gingen rund um die Elternsprechtage ein. Sara Glashagen findet, es sei ein gutes Zeichen, dass Lehrkräfte die Beratungsstelle kennen und im Austausch mit den Eltern empfehlen. „Unsere Wartezeiten sind nicht so lang wie die von psychotherapeutischen Praxen. Wir sprechen vielleicht von Wochen, aber nicht von mehreren Monaten. Je nachdem, wie viel aktuell bei uns los ist“, so Glashagen: „Manchmal können wir erste Hilfen anbieten, aber wir als Beratungsstelle erfüllen nicht die Aufgabe einer psychotherapeutisch Praxis.“ Bei der Einrichtung des Rhein-Sieg-Kreises werden also keine Diagnosen gestellt und keine Therapie durchgeführt.
Wie viele Termine dann tatsächlich nötig sind, um ein Problem zu lösen, variiert stark. „Manchmal können schon ein oder zwei Termine das Leben von Kindern und Jugendlichen verändern. Es können aber auch sieben oder mehr Termine werden“, so Glashagen. Um allen den Zugang möglichst leicht zu gestalten, bietet die Stelle ihre Beratung nicht nur in der Hauptstelle in Siegburg an, sondern auch in der Nebenstelle in Bornheim sowie nach Vereinbarung in Rheinbach und Eitorf an. Gespräche können außerdem telefonisch oder via Video stattfinden.
So möchte die Schulpsychologischen Beratungsstelle ihr Ziel erreichen, Schülerinnen und Schüler niederschwellig zu unterstützen und eine Situation verbessern, die diese sich nicht ausgesucht haben. Schließlich hätten Kinder und Jugendliche gar keine andere Wahl: Schule ist nun mal Pflicht.
An ihrem Beruf schätzt Sara Glashagen, dass sie Kindern und Jugendlichen alltagsnah helfen kann, gut durch die Schulzeit zu kommen. Seit zwölf Jahren gehört sie zum Team der Schulpsychologische Beratungsstelle des Rhein-Sieg-Kreises, die es seit mittlerweile 51 Jahren gibt. Deren Flyer liegen in Schulen im Kreis aus, die Broschüre ist auf der Internetseite zu finden und regelmäßig wird ein Newsletter mit aktuellen Terminen an Schulen sowie Abonnenten verschickt.
Fallzahlen
Im Jahr 2023 hat die Schulpsychologische Beratungsstelle in 1430 Fällen beraten, darunter 980 Fälle von Schülerinnen und Schüler sowie deren Familien und 450 Fälle von Lehrkräften, schulischem Personal und pädagogischen Fachkräften.