Niedrige GewinneWarum Bornheimer Landwirte sich in die Ecke gedrängt fühlen
Bornheim-Dersdorf – "Ich kann verstehen, dass ihr Wut im Bauch habt, wenn 20 Prozent der Betriebe, die oft eine schlechtere Ökobilanz haben als ihr, 80 Prozent der Subventionen einstreichen. Das Geld sollte viel mehr in kleinere und mittlere Betriebe investiert werden." So wandte sich der SPD-Bundesabgeordnete und NRW-Landeschef der Sozialdemokraten, Sebastian Hartmann, gestern auf dem Erdbeer- und Gemüsehof Schwarz in Dersdorf an die Landwirte.
Der 43-jährige Politiker aus Sechtem hatte sich selbst eingeladen, wie er betonte. Der Hintergrund: Vor einer Woche hatte eine Hand voll Landwirte aus Bornheim den Besuch von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Bornheim zum Protest genutzt, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen.
Svenja Schulze war auf Einladung Hartmanns nach Bornheim gekommen, um über das Thema interkommunale Klimazusammenarbeit zu sprechen. Weder Hartmann noch Schulze hatten aber an dem Tag genügend Zeit, um sich auf Gespräche mit den Bauern einzulassen, da die Demonstration kurzfristig angesetzt gewesen war. Hartmann signalisierte daraufhin, das Gespräch zu suchen: "Ich bin immer am Dialog interessiert, ich bin Ihr Verbündeter", sagte er gestern. Viele Probleme brennen Gastgeber Markus Schwarz, den Landwirten Norbert Pesch aus Brenig und Wilfried Schmitz aus Weilerswist sowie Biobauer Albert Schmitz aus Wachtberg auf den Nägeln.
Wir fühlen uns oft in die Enge getrieben in Sachen Natur- und Umweltschutz. Der Boden ist unser Fundament, und auch wir sind auf Insekten angewiesen, daher haben viele von uns auch Blühstreifen angelegt und setzen auf Naturschutz", schilderte Albert Schmitz.
Es mangele nicht an Ideen, oft seien die gesetzlichen Vorgaben zu eng gestrickt, kritisierte der Wachtberger Bauer und forderte hier flexiblere Regelungen. In vielen Bereichen sei man der Politik um Jahre voraus. So habe er bereits seit längerem angeregt, Dächer von Buswartehäuschen zu begrünen. Jetzt erst werde dies langsam von der Politik aufgegriffen.
Seit Jahren unveränderte Preise
In Sachen CO2-Reduzierung habe die Landwirtschaft wie keine andere Branche in den vergangen Jahrzehnten sehr viel geleistet, erklärte Hartmann. Auch das Problem mit den Düngemitteln in den Böden sei längst erkannt und angegangen worden. Als Beispiel berichtete der Abgeordnete von einem Landwirt, der seinen Spinat nicht an einen Großabnehmer verkaufen könne, sobald die Nitratbelastung im Boden zu hoch sei: "Deswegen achten er und andere sehr genau auf die Werte."
Vor allem belaste die hiesigen Bauern, dass sie seit vielen Jahren zu unveränderten Preisen produzieren sollen, obwohl von den Lohnkosten bis hin zu den Pflanzenschutzmitteln und Umweltstandards und aufgrund des dritten Dürresommers in Folge auch die Wasserkosten gestiegen seien, kritisierte Markus Schwarz. Sein konkretes Beispiel: Zwei Roma-Salatköpfe inklusive Verpackung werden derzeit für 46 Cent im Handel verkauft: "In meiner Tasche bleiben zwei Cent." Um nur eine Kultur wie etwa Feldsalat anzubauen, müsse ein mittlerer Betrieb zwischen 400 000 und 500 000 Euro investieren, rechnete Norbert Pesch vor.
Kritik an der EU
Kritik gab es auch an der EU-Politik. Alle Landwirte forderten gleiche Standards und Preise in den Mitgliedsstaaten sowie Transparenz für die Verbraucher, dass diese anhand der Kennzeichnungen der Produkte direkt erkennen können, woher Gemüse und Obst stammen: "Niemand wehrt sich gegen Naturschutz. Wir sind alle auf demselben Gleis, fahren aber in unterschiedlichen Waggons", meinte Norbert Pesch. "Die Wertigkeit der Lebensmittel ist sehr stark gefallen. Lieber kaufen sich Leute einen teuren Laptop als vernünftiges Essen", kritisierte Albert Schmitz. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass sehr viele Festangestellte, die Sozialabgaben zahlen, in den Betrieben beschäftigt seien, ergänzte Norbert Pesch. Es müssten sich aber auch möglichst viele Leute regionale Lebensmittel leisten können, unterstrich Hartmann.
"In der derzeitigen Phase darf kein Betrieb pleite gehen. Hier muss die Landwirtschaftsrunde der EU dringend etwas tun und für gleiche Rahmenbedingen eintreten", so der Abgeordnete. Und an die Verbraucher gerichtet: "Die gesellschaftliche Akzeptanz muss erstritten werden für regionale Produkte, die ist zurzeit nicht da." Dies forderte auch Markus Schwarz: "Wir können die deutsche Bevölkerung 365 Tage im Jahr ernähren, dafür brauchen wir keine billigen Tomaten aus Spanien oder Afrika."