AboAbonnieren

KriminalstatistikGewaltbereitschaft nimmt auch im Bonner Umland zu

Lesezeit 6 Minuten
Bornheim Feuerwehr löschte 2023 ein gestohlenes Bonner Handwerkerfahrzeug

Bornheim Feuerwehr löschte 2023 ein gestohlenes Bonner Handwerkerfahrzeug

10.777 Kriminalfälle gab es im Rhein-Sieg-Kreis voriges Jahr, wo die Bonner Polizei zuständig ist. Polizeipräsident Frank Hoever meldete eine sehr deutliche Steigerung der Gewalt.

Im Auto sitzend wird ein Autofahrer am 10. Mai 2023 in Bornheim durch ein offenes Fenster niedergestochen. Es ist nicht der einzige Kriminalfall im Bonner Umland, bei dem ein Messer im Spiel ist. Im Fall von Bornheim wird der Täter später gefasst, aber das gelingt der Polizei nicht immer.

Das Thema Messer hat mit Sozialisation zu tun. Man kann hier in die Kneipe und ins Kino gehen, ohne ein Messer dabeizuhaben. Beim ein oder anderen ist das aber ein guter Brauch. Und wenn dann Alkohol getrunken wurde ...
Frank Hoever, Polizeipräsident in Bonn

„Wir haben es mit einer sehr deutlichen Steigerung der Gewaltkriminalität zu tun - im Land auch. Die Gewaltbereitschaft insgesamt nimmt zu - auch gegen Feuerwehr und Rettungsdienst“, sagte Polizeipräsident Frank Hoever am Mittwoch bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik im Polizeipräsidium Bonn, das auch für Teile des Rhein-Sieg-Kreises zuständig ist: im Linksrheinischen sowie für Königswinter und Bad Honnef. Vier von fünf Fällen seien aufgeklärt. 10.777 Kriminalfälle gab es im Bonner Umland. Das sind 63 Fälle mehr als im vorigen Jahr. Die Aufklärungsquote verbesserte sich etwas, auf 53 Prozent.

Ein typisches Raubdelikt ist laut Klaus Zimmermann, dem Leitenden Kriminaldirektor, das „sogenannte ‚Abziehen‘. Ich mag den Ausdruck nicht, weil er die Tat verniedlicht“. Öfter als bisher sei dabei ein Messer gezückt worden. „Das Thema Messer hat mit Sozialisation zu tun. Man kann hier in die Kneipe und ins Kino gehen, ohne ein Messer dabeizuhaben. Beim ein oder anderen ist das aber ein guter Brauch. Und wenn dann Alkohol getrunken wurde ...“, den Rest ließ Hoever offen.

Gewalt

394 Gewalttaten sind der Bonner Polizei im Jahr 2023 aus dem Bonner Umland bekannt geworden. Das sind 36 mehr als im Jahr zuvor. Unter „Rohheitsdelikte“ verbuchte die Polizei im Bonner Umland 2268 Fälle - 247 mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der Körperverletzungen stieg von 1224 auf 1383. Davon waren 294 (20 mehr als im Jahr zuvor) als gefährlich oder schwer einzustufen.

Drei „Straftaten gegen das Leben“ entspricht dem üblichen Schnitt. Die Straßenkriminalität hat indes merklich abgenommen: um 65 Fälle. Die 2432 Straftaten im öffentlichen Raum sind auch deutlich weniger als im Zehnjahresschnitt (2906 Fälle). Einfacher Diebstahl stieg um 92 Fälle auf 1816 Fälle, schwerer Diebstahl ging um 63 Fälle auf 1571 zurück.

„Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ haben erneut zugenommen, um elf Fälle auf nun 221 Fälle. Allein in Alfter stieg die Zahl um 20 auf 37. Der Zehnjahresschnitt liegt für das Umland bei 122. Dies hängt laut Zimmermann mit einer zunehmenden Bereitschaft zusammen, solche Fälle anzuzeigen. Eine Kettenreaktion lösten Ermittlungen zu einem 35-Jährigen aus Hennef aus, der im Chat mit einer Zwölfjährigen kinderpornografische Inhalte austauschte. Die Ermittlungen hätten den Internetkontakt zu mindestens 36 Kindern ergeben. Inzwischen sei der Mann zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt.

Allerhand Betrug

Im Umland wird weniger betrogen. Die Zahl der Betrugsfälle sank um 234 Fälle auf 1544 und somit unter den zehnjährigen Durchschnitt von 1580 Fällen. Auch Vermögens- und Fälschungsdelikte gingen um 177 auf 2062 zurück, liegen aber noch deutlich über dem zehn Jahresschnitt. Darunter fallen auch Warenlieferung, die nicht bezahlt wurden oder bezahlte Bestellungen, auf die keine Lieferung folgte.

Allerdings stiegt die Zahl von Leistungserschleichungen, und das ist, wie Zimmermann erklärte, auch dann der Fall, wenn man sich ein Taxi ruft und dann nicht zahlt. Weil vor allem ältere Menschen häufig auf Telefonbetrüger hereinfallen, rät Zimmermann eindringlich, bei verdächtigen Gesprächen sofort aufzulegen. Der Polizei würden noch längst nicht alle Fälle bekannt, in denen solch ein Betrug Erfolg habe. Die Schadenssumme für Bonn und das Umland bezifferte er mit 1,8 Millionen Euro. Auch bei Mails oder SMS sollten die Menschen vorsichtig sein.

PK Kriminalstatistik 2023 im PP Bonn

PK Kriminalstatistik 2023 im PP Bonn

Wohnungseinbrüche, Autoknacker und Taschendiebe

Die Zahl der Einbrüche in Wohnungen ist um 20 gesunken. Das ist für Polizeipräsident Frank Hoever kein Anlass, in der Anstrengung für Prävention und Aufmerksamkeit nachzulassen. Er freut sich aber über die deutliche Verbesserung in der Statistik, die im Zehnjahresschnitt 669 Fälle für das Umland ausweist und 2022 noch 306 Fälle betrug.

Zimmermann: „Wir brauchen aufmerksame Bürger. Wir erfahren bei unseren Ermittlungen immer wieder, dass jemand etwas gesehen, aber nicht die Polizei gerufen hat.“

Der Diebstahl aus Fahrzeugen hat jedoch zugenommen (plus 33 auf 687 Fälle), und darin sind die Aufbrüche von Handwerkerwagen, wegen der darin gelagerten Werkzeuge mitgerechnet. Da seien Banden am Werk. Zimmermann kann nur mahnen: „Ein Auto ist kein Tresor!“

Taschendiebe hatten im Umland 2023 offenbar weniger Erfolg. Statistisch gab es 16 Fälle weniger als im Vorjahr: 161. Aber in der Stadt (knapp 1000 Fälle) sieht es ganz anders aus, und Zimmermann warnte vor Banden, die beim Geldabheben Geheimnummern ausspähen und einem dann bei nächster Gelegenheit am Bus, an der Bahn oder auf der Rolltreppe das Portemonnaie aus der Tasche ziehen.

Rauschgift

1885 Rauschgiftdelikte registrierte die Polizei im Umland, 14 weniger als im vorigen Jahr. Die sinkende Aufklärungsquote (85,6 Prozent statt 90,8 Prozent) erklärte Zimmermann mit der zunehmenden Drogenzustellung per Paket. Ein klares, mit deutlicher Gewalt verbundenes Zentrum für Drogendelikte ist nach wie vor Bonn-Tannenbusch, also in unmittelbarer Nachbarschaft zu Bornheim und Alfter.

Wie die Cannabisfreigabe die Polizeiarbeit verändern wird? Laut Frank Hoever sind die Zuständigkeiten noch offen. Die Polizei werde nach Ermessen entscheiden, wenn der 100-Meter-Abstand zu einer Schule nicht eingehalten ist. Ob die Dienstwagen auch mit einer Dienstwaage ausgestattet werden müssen, um die nun erlaubte Menge prüfen zu können? „Es wird jedenfalls keine Ausnahmegenehmigung für Polizisten geben, zu kiffen.“ Die Gefahr eines Flashbacks beim Umgang mit einer Waffe oder der Fahrt mit Sonderrechten sei zu gefährlich.


Kriminalitätsstatistik für 2023

Kriminalfälle (mit Vorjahresvergleich): 949 (minus 40) in Alfter, 2410 (plus 115) in Bornheim, 1335 (plus 123) in Meckenheim, 1761 (plus 131) in Rheinbach, 621 (minus 124) in Swisttal, 681 (minus 63) in Wachtberg, 1237 (minus 40) in Bad Honnef und 1783 (minus 39) in Königswinter.

Raub (mit Vorjahresvergleich): 6 (unverändert) in Alfter, 23 (plus 5) in Bornheim, 6 (minus 3) in Meckenheim, 12 (plus 8) in Rheinbach, 3 (minus 2) in Swisttal, 4 (unverändert) in Wachtberg, 8 (plus 1) in Bad Honnef und 9 (unverändert) in Königswinter.

Körperverletzung (mit Vorjahresvergleich): 118 (minus 6) in Alfter, 316 (plus 43) in Bornheim, 165 (plus 37) in Meckenheim, 236 (plus 48) in Rheinbach, 90 (plus 5) in Swisttal, 104 (plus 5) in Wachtberg, 121 (minus 24) in Bad Honnef und 233 (plus 51) in Königswinter.

Wohnungseinbrüche (mit Vorjahresvergleich): 28 (plus 3) in Alfter, 65 (minus 5) in Bornheim, 22 (plus 4) in Meckenheim, 26 (plus 2) in Rheinbach, 19 (minus 2) in Swisttal, 22 (unverändert) in Wachtberg, 36 (plus 3) in Bad Honnef und 68 (minus 25) in Königswinter.