SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert war zu Gast beim Bornheimer Ortsgespräch mit Dominik Pinsdorf.
Kevin Kühnert zu Gast in Bornheim„Die Verfassung verteidigen“
Gästen der Bornheimer Ortsgespräche entlockt Gastgeber Dominik Pinsdorf gerne Privates. So auch beim Besuch des ehemaligen Juso-Vorsitzenden und jetzigen Generalsekretärs der SPD, Kevin Kühnert, der während seiner Wahlkampftour durch die Region auch knapp zwei Stunden Zeit fand, sich den Fragen des Ortsvorstehers und der rund 50 Gäste in der Oase der Europaschule zu stellen. So erfuhren die Zuhörer beim mittlerweile elften Ortsgespräch, dass Kühnert lieber Döner als Currywurst mag, Frühaufsteher ist, die frühere Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg, Regine Hildebrandt (SPD, 1941–2001), bewundert, und einem möglichen CDU-Bundeskanzlers Friedrich Merz dann noch die Fortsetzung der derzeitigen Ampel-Regierung vorzieht als eine „GroKo“, eine Große Koalition.
Der heute 34-jährige Berliner trat mit 15 in die SPD ein, engagierte sich kommunalpolitisch im Bezirk Tempelhof-Schöneberg („Das klingt überschaubar, ist aber von der Einwohnerzahl vergleichbar mit der Größe von Bochum“) und erhielt zur Bundestagswahl 2021 ein Direktmandat in seinem Wahlbezirk, der zuvor traditionell als CDU-Hochburg galt: „Das ist grandios, weil mir meine Nachbarn und Freude ihr Vertrauen geschenkt hatten, das schafft mir Rückhalt.“
„Beziehungsstatus: kompliziert“
Kühnert, der seit Dezember 2021 Generalsekretär der Sozialdemokraten ist, versteht seine Arbeit im „Herzen der Demokratie“ jeden Tag aufs Neue als Privileg. Natürlich fragte ihn Pinsdorf nach seiner Einschätzung zur Arbeit der Ampel-Koalition. Den „Beziehungsstatus“ bezeichnete Kühnert als „kompliziert“ und ergänzte: „Die Ampel ist eine Gesetzesmaschine. Zwei Drittel unserer Vorhaben haben wir bereits umgesetzt. Doch die Art, wie wir die Kompromisse finden, ist nicht die, die ich als romantisch bezeichnen würde.“
Der Berufspolitiker kritisierte, dass in der Öffentlichkeit und auch in den Medien jede Diskussion unter den drei Koalitionspartnern gleich als „schlimmer Streit“ dargestellt würde. Dabei gehe es vielmehr darum, durch Diskussionsprozesse Sachkompromisse zu finden. Pinsdorf wollte auch die Meinung seines Gasts über Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erfahren, der an seinem 80. Geburtstag in einer ARD-Dokumentation Kühnert als „kleinen Wicht“ bezeichnet hatte. „An mir perlt nicht alles ab, aber in dem Fall schon, denn ich weiß ja, wer der Absender ist.“
Schröders Verdienste als Bundeskanzler seien nicht änderbar, erläuterte Kühnert und nannte als Beispiel das „Nein“ von Schröder und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zum Irak-Krieg Anfang der 2000er. Doch später sei Schröder „falsch abgebogen“ und habe sich entschieden, nur noch Geschäftsmann zu sein.
Appell, zur Wahl zu gehen
Fragen zum Ukraine-Krieg lagen da natürlich auf der Hand, und so konfrontierte Pinsdorf Kühnert mit dem Wunsch des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine „einzufrieren“. Kühnert verteidigte den Parteigenossen, er habe eine Aussage getroffen, an der man sich reiben müsse; vielleicht habe er sich missverständlich ausgedrückt: „Einfach nur ein Waffenstillstand reicht nicht. Wenn wir Frieden meinen, dann meinen wir einen Frieden in Freiheit.“
Zur Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz, keine Taurus-Waffen an die Ukraine zu schicken, meinte der Generalsekretär: „Ich bin froh, dass ich das nicht entscheiden muss. Ich nehme sehr ernst, was der Bundeskanzler dazu gesagt hat. Er verfolgt keinen Radikalpazifismus, aber er hat den Eid geschworen, Schaden vom Volk abzuwenden. Er überlegt verantwortungsvoll und nicht kriegsbesoffen.“
Mit Blick auf 75 Jahre Grundgesetz hielt Kühnert ein flammendes Plädoyer für demokratische Werte: „Wir müssen die Verfassung gegen unsere Feinde verteidigen! Ob sie weitere 75 Jahre bestehen bleibt, liegt in unserer Hand. Die Grundrechte fallen nicht vom Himmel.“ Daher appellierte er an alle Bürger, unbedingt im Juni zur Europawahl zu gehen und demokratische Parteien zu wählen.
„Wir haben es selbst in der Hand“
Kühnert sieht einen wachsenden Einfluss rechtsradikaler Kräfte in der EU: „Man kann mit vergleichsweise wenig Stimmen hohe Ergebnisse erziehen. Wählen zu gehen, ist der beste Autoimmunschutz für unsere Demokratie. Wir dürfen ihre Vorzüge nicht aufs Spiel setzen und haben es selbst in der Hand.“ Um die Menschen wieder mitzunehmen und für die europäische Politik zu begeistern, müsse die Politik auch die soziale Frage im Blick haben, denn Europa sei „mehr als ein Binnenmarkt mit einheitlichen Ladekabeln“.
Nächste Ortsgespräche: Mittwoch, 15. Mai, Bundespräsident a. D. Christian Wulff (CDU), Montag, 17. Juni, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, je 18.30 Uhr in der Europaschule in Bornheim. Gregor Gysi (Die Linke) am Montag, 14. Juni, 19 Uhr, im Rathaus. Teilnehmer melden sich unter dominik.pinsdorf@gmx.de an.