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Teurer ReinfallVor zehn Jahren kam das Desaster um das WCCB in Bonn ans Licht

Lesezeit 6 Minuten

Schauplatz zahlreicher Konferenzen ist das World Conference Center. Der Bau hat bis heute ein juristisches Nachspiel.

Bonn – Er ließ sich als „Glücksfall für Bonn“ feiern, wurde für die Stadt aber zu einem Reinfall, für den die Steuerzahler noch heute zahlen müssen: Der Südkoreaner Dr. Man-Ki Kim hatte Bonn vorgegaukelt, er könne für 140 Millionen Euro ein Kongresszentrum bauen, habe selbst 40 Millionen Euro Eigenkapital, und das Tolle sei: Das Tagungshaus, das World Conference Centrum Bonn (WCCB), koste die Stadt für den auf 30 Jahre angelegten Betrieb keinen Cent. Ein Traum für jeden Kämmerer!

Doch vor zehn Jahren, am 15. September 2009, kam das böse Erwachen: Die Staatsanwaltschaft Bonn und 70 Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) Düsseldorf vollstreckten 14 Durchsuchungsbeschlüsse unter anderem auf der WCCB-Baustelle und im alten Plenarsaal des Bundestages und nahmen einen Rechtsberater und einen Geschäftsführer Kims fest, gegen ihn selbst wurde Haftbefehl erlassen.

Der dramatische Dienstag

Fred Apostel erinnert sich noch gut an jenen dramatischen Dienstag. Der heute 70-jährige pensionierte Oberstaatsanwalt leitete damals die für Korruptionsbekämpfung zuständige Abteilung der Bonner Staatsanwaltschaft und war durch Presseartikel über die Vorgänge rund ums WCCB aufmerksam geworden. Zuerst hatte der „General-Anzeiger“ darüber berichtet. Gerüchte tauchten auf, mit dem Prestigeobjekt stimme etwas nicht, vor Gericht war bereits um Eigentumsrechte an dem Bau gestritten worden.

Apostel legte einen sogenannten Beobachtungsvorgang an, der dann konkret wurde, als er anonym Unterlagen mit Kopien von E-Mails, Dokumenten, Gesprächsnotizen erhielt, die etwas Licht ins WCCB-Labyrinth brachten. Apostel: „Wir haben uns an den PC gesetzt und im Internet nachgesehen, wer da eigentlich baut.“ Seine Erkenntnis: „Da war viel heiße Luft“. Dieses Nachforschen, sagt er, „hätte auch die Stadt machen können“.

Bonn verpflichtete sich

Tat sie aber nicht. Bonn hatte sich 2002 verpflichtet, für die am Rhein ansässigen UNO-Organisationen ein Konferenzcenter zu errichten, der Bund stellte dafür das Grundstück des ehemaligen Bundestags zur Verfügung, der Plenarsaal sollte Teil des Tagungskomplexes werden. Die Stadt fand aber keinen Investor und schaltete einen Düsseldorfer Rechtsanwalt als externen Berater ein, der 2005 Kim empfahl – und dann sein Mitarbeiter wurde. Der Koreaner mit Wohnsitz in den USA hatte kurz zuvor die SMI Hyundai Corp. gegründet und legte mit seinem Rechtsberater Dr. C. im Rathaus ein Angebot vor.

Der smarte Firmenchef und sein Begleiter wiesen in großer Runde auf den angeblichen Unternehmenshintergrund von SMI zum Konzern Hyundai hin. Das zog, denn der südkoreanische Autobauer war Sponsor der Fußball-WM 2006 in Deutschland, das als „Sommermärchen“ in die Geschichte einging. In diesen wunderbaren Wochen schien alles möglich, Klinsmanns Jungs spielten sich in die Herzen der Zuschauer, und in der Bundesstadt saß Kim Hof, beim Public Viewing in der Ehrenloge und sagte „I like Bonn“.

140 Millionen Euro

Am 14. Dezember 2005 schließlich folgte der Stadtrat der Empfehlung der Verwaltung, Kim solle ein Konferenzzentrum samt Hotel mit über 300 Zimmern für 140 Millionen Euro hochziehen. Bauherrin war die von SMI gegründete UNCC Bonn GmbH. Weitere Kleinstfirmen wurden von der Kim-Truppe aufgelegt, eine, die SMI Hyundai Europe, sollte als Generalübernehmer das Projekt bauen. Im November 2006 fand auf historischem Grund, auf dem zur Römerzeit ein Dorf stand, der erste Spatenstich statt.

Das WCCB

„Tagen in neuen Dimensionen“ steht auf der Internetseite des World Conference Center Bonn (WCCB), das am 7. Juni 2015 eröffnet wurde. Die erste Tagung war eine Vorbereitungskonferenz des Weltklimagipfels von Paris. Nach Angaben des Betreibers, der BonnCC GmbH, können Veranstaltungen für bis zu 7000 Personen stattfinden. Dabei wird auch der frühere Plenarsaal des Bundestages mit einbezogen, der durch einen Tunnel mit dem Neubau verbunden ist. Große politische Veranstaltungen waren das G20-Außenministertreffen im Februar 2017, die UN-Klimakonferenz im November gleichen Jahres, ein SPD-Bundesparteitag im Januar 2018, ein Europaparteitag der Linken im Februar 2019 sowie zahlreiche Kongresse von Unternehmen und Verbänden, wie der „Deutsche Betriebsrätetag“ vom 5. bis 7. November, die neben den großen Sälen wie „New York“ auch kleinere Räume etwa für Besprechungen nutzen können. Zurzeit ist das WCCB Veranstaltungsort des Beethovenfests. Zum Kongresszentrum gehören ein Hotel, das von der Marriott-Kette betrieben wird, das Varietétheater GOP sowie ein Spa- und Wellnessbereich.

Für die Finanzierung sollte die Sparkasse Köln Bonn der Bauherrin einen Kredit von 74 Millionen Euro gewähren. Als das Geldhaus aber nach Kims Bonitätsprüfung den Kopf schüttelte, trat die Stadt mit einer als „Nebenabrede“ getarnten Bürgschaft für ihn ein. Später schoss die Sparkasse 30 Millionen Euro nach, wieder bürgte die Stadt. 40 Millionen Euro Eigenkapital sollte der SMI-Chef beisteuern, konnte er aber nicht. Mit Ach und Krach gelang es ihm 2008, als er den fälligen Nachweis erbringen sollte, 10 Millionen Euro vorzuweisen, die er sich von einem dubiosen Investor besorgt und für die er im Gegenzug 94 Prozent der Anteile an der UNCC GmbH überschrieben hatte. Der neue Investor war damit Eigentümer des Kongresszentrums und musste später von der Stadt aus dem Grundbuch gekauft werden.

„Wir sind betrogen worden“

„Die Alarmglocken bei der Stadt hätten früh angehen müssen“, meint Oberstaatsanwalt a. D. Apostel in der Rückschau. „Wir sind betrogen worden“, lautete indes das Mantra der Verantwortlichen im Rathaus. Apostel, zwei Kollegen aus seinem Dezernat und ein Wirtschaftsprüfer, dazu die Sonderkommission „Gold“ des LKA durchforsteten monatelang die komplizierte Gemengelage um das WCCB.

Anfangs habe es keinen Verdacht gegen städtische Mitarbeiter gegeben, sagt Apostel, „aber das änderte sich dann“. Drei Monate nach der Razzia leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen die damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und weitere Bedienstete der Stadt wegen des Verdachts der Untreue ein. Insgesamt wurden zehn Personen angeklagt. Das Verfahren gegen die Ex-OB wurde im März 2012 eingestellt.

Kosten von rund 300 Millionen Euro

Kim, der in den USA aufgespürt und an Deutschland ausgeliefert worden war, wurde im Mai 2013 von einer Strafkammer des Landgerichts Bonn zu sechseinhalb Jahren Haft wegen Betrugs verurteilt, zwei seiner Berater erhielten ebenfalls Freiheitsstrafen. Verfahren gegen städtische Mitarbeiter wurden gegen Geldauflagen eingestellt.

Damit aber noch nicht genug der Rechtsstreite: Bonn verlor 2018 einen Zivilprozess gegen Kim, von dem Schadensersatz eingeklagt wurde. Die Stadtspitze habe gewusst, dass er kein Geld hatte, stellten die Richter nach der Befragung von 34 Zeugen fest. Zurzeit ist vor dem Verwaltungsgericht Köln eine Klage der Stadt gegen die Ex-OB und den früheren Stadtdirektor und späteren WCCB-Projektbeauftragten anhängig. Die Forderung an beide: je 1 Million Euro. Das WCCB wurde am 7. Juni 2015 im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon eingeweiht. Es hat den Steuerzahler rund 300 Millionen Euro gekostet.

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