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Tongrube AlfterBergbaufirma will Bauton nahe an Häusern abbaggern

Lesezeit 5 Minuten
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Bagger holen bei Witterschlick Ton aus dem Boden.

Alfter – 31. Dezember 2060 – dieses in ferner Zukunft liegende Datum steht laut Sibelco Deutschland GmbH als Ende der Gültigkeit auf der Genehmigung für den Abbau von Blauton in Witterschlick. Doch schon am Donnerstag nächster Woche hat der Ausschusses für Umwelt, Klima, Mobilität, Wirtschaft und Digitalisierung von Alfter Gelegenheit, sich mit den Stellungnahmen von Bürgern, Verbänden und Institutionen zu den Erweiterungsplänen des Unternehmens zu befassen und seine Meinung zu dem Tagebau zu bekunden.

Gemeinde Alfter gegen Norderweiterung

Über die im August 2021 beantragte Norderweiterung des Tontagebaus „Schenkenbusch“ kann der Ausschuss zwar nicht entscheiden, aber durchaus seine Auffassung formulieren und der Bezirksregierung in Arnsberg zustellen. Denn die ist für Bergbauangelegenheiten und das aktuelle Planfeststellungsverfahren zuständig und wird auch darüber alleine entscheiden.

Die Gemeinde Alfter hat schon deutlich gemacht, dass sie gegen die Erweiterungspläne ist. Sie empfiehlt den Lokalpolitikern, den Antrag von Sibelco abzulehnen und Bedenken zu äußern.

Das plant Sibelco

Das international agierende Unternehmen, das etwa 40 Tonabbaustandorte in Europa betreibt, möchte sein Areal am Rande Witterschlicks nach Norden hin, Richtung Volmershoven-Heidgen, großflächig erweitern. Sibelco verfolgt Erweiterungspläne bereits seit mehr als zehn Jahren und stößt dabei stets auf heftige Widerstände von Seiten der Politik, der Verwaltung, der Bürger und von Umweltschützern.

Im August 2021 hatte Sibelco den aktuellen Antrag bei der Bergbaubehörde gestellt. Auf einer Fläche von rund 17,4 Hektar will das Unternehmen dann – zusätzlich zu den bisherigen 43 Hektar – in den kommenden 40 Jahren dort 3.250.000 Tonnen Ton abbauen.

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Ein Bagger frisst sich bei Witterschlick durch den Blauton

Die Erweiterungsfläche wird im Westen durch eine Hochspannungsleitung sowie landwirtschaftlich genutzte Flächen und im Osten durch die Ortschaft Witterschlick begrenzt. Im Norden wird die Betriebserweiterung durch einen Wirtschaftsweg (Buschkauler Weg) begrenzt. Die südliche Begrenzung des Vorhabens bildet der Lüsbacher Weg, der die ausgesiedelten Höfe mit Witterschlick verbindet und die Grenze zum bestehenden Tagebau „Schenkenbusch“ im Süden darstellt.

Der geplante Erweiterungsbereich wird derzeit vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Vor Beginn der ersten Abbauphase soll eine Unterquerung des Lüsbacher Weges errichtet werden, um die für Witterschlick bedeutende Verbindung zu erhalten.

Abbaumengen und Rekultivierung geplant

Die vorhandenen Betriebswege und Tagesanlagen sollen der Verarbeitung des geförderten Rohstoffs dienen. Vier Abbauphasen sind vorgesehen. Bis 2030 sollen in der ersten Phase nördlich des Lüsbacher Wegs bis zur Hochspannungstrasse ausgekoffert werden. Der Abraum und nicht verwertbare Mengen werden unter anderem zum Verfüllen im bisherigen Abbaugebiet und für die Rekultivierung verwendet. Voraussichtlich werden in dieser Phase 720.000 Tonnen Ton gefördert.

Von 2030 bis 2040 erfolgt der Abbau im nördlichen Bereich des Plangebietes bis an den Ort heran. Die Rekultivierung im nordöstlichen Abschnitt des Tagebaus „Schenkenbusch“ soll dann abgeschlossen sein. In diesem Zeitraum werden voraussichtlich 900.000 Tonnen Ton gefördert. In der Abbauphase 3 (2040 bis 2050) wird der Weg, der momentan den Lüsbacher Weg und den Buschkauler Weg verbindet und das Plangebiet von Südwesten nach Nordosten quert, verlegt.

Auch hier rechnet das Unternehmen mit der Förderung von gut 900.000 Tonnen Ton. 2050 bis 2060 wird dann schrittweise parallel zur Hochspannungstrasse Richtung Süden Ton abgebaut. Die Rekultivierung am östlichen Rand des Betriebs soll dann fertig sein und in Richtung Lüsbacher Weg weitergehen. Insgesamt werden in dieser Abbauphase voraussichtlich 730.000 Tonnen Ton gefördert. Die übrigen 3,9 Hektar Land sollen mit Massen von außerorts rekultiviert werden.

Bei einer Betriebsführung 2019 bezeichnete Sibelco-Geschäftsführer Michael Klaas Witterschlick als einen der „Top-5-Standorte“ der Firmengruppe aufgrund des hohen Blautonvorkommens.

Die Kritik der Gemeinde

Seit 1976 wird in diesem Gebiet Blauton abgebaut. Dies ist laut Verwaltung mit „erheblichen und nachhaltigen Beeinträchtigungen für Menschen und Umwelt“ verbunden. Im Verhältnis zur Fläche der Gemeinde sei die Abgrabung „unverhältnismäßig“. Es komme zum Nutzungskonflikt, etwa bei der Ausweisung von Wohngebieten wie dem „Buschkauler Feld“. Auch die lange Laufzeit des Abbaus sieht die Gemeinde kritisch.

Einer der größten Kritikpunkte aus Sicht der Gemeinde ist allerdings die Nähe zu Wohnungen. Alfter – Politik und Verwaltung – hat darum schon früher einen Abstand von mindestens 300 Metern von Abbau und Häusern gefordert.

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Eine Tafel informiert am Tagebau bei Witterschlick über den Tonabbau.

Withold Groborz, Leiter Produktion und Technik von Sibelco, kündigte 2019 jedoch ein Heranrücken der Bagger auf bis zu 100 Meter an die Siedlung an: „Die Lagerstätte des Tons ist nun einmal da, wo sie ist, deswegen können wir den geforderten Mindestabstand von 300 Metern nicht einhalten.“

So steht das auch im aktuellen Rahmenbetriebsplan. Viele Folgerisiken für die Anwohner sowie im Hinblick auf den Klimawandel seien nicht ausreichend von dem Unternehmer dargelegt und analysiert worden, kritisiert die Gemeinde und fordert, das „raumbezogene Gesamtrisiko“ durch den geplanten Eingriff zu ermitteln, zu analysieren und zu bewerten, unter anderem bezogen auf mögliche Starkregen-und Überflutungsereignisse.

Der Ausschuss für Umwelt, Klima, Mobilität, Wirtschaft und Digitalisierung tagt am Donnerstag, 10. Februar, ab 17 Uhr im Ratssaal des Rathauses in Oedekoven. Es gelten die aktuellen Corona-Schutzregeln.

Landschaftsschützer warnt vor Folgen wie in Erftstadt-Blessem

Als Träger öffentlicher Belange äußerte sich auch der Landschafts-Schutzverein Vorgebirge (LSV) zur geplanten Norderweiterung des Tontagebaus. Die Landschaftsschützer kritisieren, dass der Tagebau bis auf 100 Meter an die Siedlung heranreichen wird und das Neubaugebiet „Buschkauler Feld“ nicht in die Abstandsberechnung mit einbezogen worden ist.

Ferner fordert der Verein, regelmäßig die hydrologischen Verhältnisse zu überprüfen, um ein Absinken des Grundwasserstandes zum Nachteil landwirtschaftlicher Betriebe auszuschließen. Sibelco müsse die Umgebung vor den Folgen extremer Niederschläge wie im Juli 2021 im Kiesabbaugebiet in Erftstadt-Blessemschützen.

Weiterhin verlangt der Verein Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Tierarten in dem Areal. So soll beispielsweise in der Nachbarschaft des Tagebaus eine Streuobstwiese als Brutplatz für ein Steinkauzpaar angelegt werden.