Die Frage nach dem Alter unseres „Fastelovends“ bedarf einer differenzierten Antwort. Ein 400 Jahre alter Beleg für „Hochfastelabent“ stammt aus der Karnevalshochburg Alfter.
Karnevalshochburg AlfterWie alt öss dä Fastelovend?
Einige Wurzeln des rheinischen Karnevals reichen hinab bis in die Römerzeit, aus der vor allem die „Saturnalien“ und dionysische Lustbarkeiten überliefert sind. Mosaikdarstellungen aus Köln, Mainz und Trier liefern hierfür Belege. Der Karneval im eigentlichen Sinn ist unabdingbar an den kirchlichen Jahreskalender gekoppelt, denn unmittelbar vor der österlichen Fastenzeit, die mit dem Aschermittwoch beginnt, liegen die Tage des närrischen Treibens. Dabei wird in historischen Dokumenten häufig ausgerechnet der Ausklang des Karnevals erwähnt, der „Fastenabend“, also der Tag vor Beginn des 40-tägigen Fastens. Dieser Termin taucht schriftsprachlich erstmals im so bezeichneten „Eidbuch“ der Karnevalsmetropole Köln im Jahr 1341 in der Form „vastavende“ auf.
Während der kölnische „Fasteleer“ in seiner organisierten Form vor 200 Jahren sein Debüt hatte, zog Bonn 1825 mit zwei Jahren Abstand nach. Aber gerade aus dieser Stadt sind Maskenbälle und karnevaleske Umzüge bereits aus viel früherer Zeit überliefert. Dabei wurde wohl mitunter gehörig über die Stränge geschlagen, so dass es obrigkeitsstaatliche Verbote nur so hagelte. Der Kölner Kurfürst Ernst von Bayern (1583 bis 1612 regierend) erließ bezeichnenderweise eine Polizeiordnung, der zufolge ausschließlich am Rosenmontag Karneval gefeiert werden durfte. Um 6 Uhr abends sollte dann freilich „Schluss mit lustig“ sein. Angeprangert wurden vor allem das „Nachtsaufen“ sowie die in allen Bevölkerungsschichten beliebten „Mummereyen“, also Verkleidungen und Maskeraden. 1622 wurde die erneut beargwöhnte „Mommerey“ bei drei Goldgulden „Brüchtenstrafe“ gänzlich verboten.
Beleg für den Begriff „Hochfastenabend“
Doch die gewiefte Bewohnerschaft Bonns und die feierfreudigen Menschen in den Dörfern der Umgebung fanden immer wieder Schlupflöcher, um dieses auch von der Kirche gut geheißene Verbot zu umgehen. Das reichhaltige Archiv der einst in Alfter ansässigen Fürstenfamilie Salm-Reifferscheid-Dyck auf Schloss Dyck bei Grevenbroich enthält in zwei verschiedenen Aktenbänden eine Fassung des Alfterer Weistums aus dem Jahr 1623. Dieser nunmehr 400 Jahre alten Gemeindeverfassung des früheren Winzerdorfs ist zu entnehmen, dass die Einwohnerschaft der einstigen „Herrlichkeit Alfter“, zu der auch Roisdorf zählte, berechtigt war, den selbst erzeugten Wein vom Herbst an bis einschließlich „Hochfastelabent“ abgabenfrei im eigenen Gehöft zu verzapfen. Vermutlich liegt hier das Fundament für den in Alfter besonders ausgelassen gefeierten Tag des Karnevals, den Veilchendienstag.
So liegt aus dem Vorgebirge also ein weiterer Beleg für den Begriff „Hochfastenabend“ vor. 1847 hatte der aus Köln stammende Lehrer Wacker in Hemmerich ein Liedchen aufgezeichnet, das in Form des Ausrufs „Huh Fastelovend“ den Begleittext eines damals am Karnevalsdienstag üblichen Heischeganges der Jugend einleitet: „Schneck (schneide) mit e Stöck vom beiste (besten) Speck. Schneck mir e Stöck vom Brode (Braten), dat ich ens kohre (einmal koste), wie dat schmeck.“ Ganz gemäß dem in und für Alfter bezeugten Spruch „Wer vell ärbet, dä moss och joot suffe un freiße“ handelte im Jahr 1538 der Alfterer Graf Johann IX. (gestorben 1559), der die tollen Tage in Köln zubrachte, wo er in der Herberge „Im Weißen Pferd“ am Weidmarkt sein Quartier bezog.
Der Kölner Ratsherr und Chronist seiner Vaterstadt Hermann von Weinsberg (1518 bis 1598) hielt in seinem „Gedenkboch der Jahren“ über den damaligen Alfterer Grundherrn fest: „War auch ein toller Heiliger. Er ließ im Hause Weinsberg ganze Kessel und Sturzbütten voll Weins holen, und wenn die Gesellen, Schmiede, Gewandschneider, Weißgerber und andere mit Trommeln kamen, schenkte er denen Wein ein und soff aus Kesseln und Büttchen. Das mussten auch die anderen tun, sonst schlug er sie.“ Seine hohe Stellung und Narrenfreiheit nutzte der Graf aus dem Vorgebirge schamlos aus und trieb allerlei „wonderliche Dinge in den herbergen und vor der tür uff dem Weitmart“. In der ersten Auflage seines 1892 in Bonn veröffentlichten „Rheinischen Wanderbuchs“ bestaunt Karl Kollbach im Kapitel „Ein Ausflug ins Vorgebirge“ die in der Gemarkung von Alfter sich erstreckenden „großen Flächen, welche mit den wohlriechenden Veilchen bepflanzt sind. Am erstaunlichsten aber erscheint uns die Summe, welche aus dem Verkauf von Veilchen dem Orte zufließt und reichlich ihre 12 000 Mark beträgt. An den beiden Carnevalstagen wurden von Alfter aus schon für 900 Mark Veilchensträußchen nach Köln und Bonn verkauft.“
„Veilchendienstag“ aus Alfter?
Der Begriff „Veilchendienstag“ hat nach Ausweis der Belege möglicherweise seinen Ursprung in Alfter: Dies ist der Tag des „Hochfastenabends“, der ja just für diesen Vorgebirgsort vor genau 400 Jahren dingfest zu machen ist. Das ist schon etwas Besonderes! Kein deutsches etymologisches Wörterbuch verzeichnet bis heute diesen Begriff, der ja auch eine liturgische Bedeutung aufweist. Denn in der den Karnevalstagen folgenden Fastenzeit (im Vorgebirgsplatt kurz „de Faaß“ genannt) tragen die katholischen Geistlichen als Zeichen der Umkehr und Buße violette Gewänder, und auch die Kruzifixe in den Kirchen werden mit einem veilchenfarbenen Tuch verhüllt. Die christliche Bildkunst kennt Beispiele für diese Symbolhaftigkeit, etwa das berühmte Gemälde „Madonna mit dem Veilchen“ von Stephan Lochner (um 1400 bis 1451), dem Hauptmeister der damaligen Kölner Malerschule.
Neben lokalem „Helau“ (etwa in Swisttal-Dünstekoven) lautet der rheinische Karnevalsruf „Alaaf“. In diesem Zusammenhang gibt es auch einen Beleg aus dem Vorgebirge, und zwar das „Walberberger Freudenlied“ vom 4. April 1761. In der siebten Strophe wartet es mit einer Lobpreisung der nahen Domstadt mit dem Ausruf „Alaff Cöln!“ auf und bietet damit einen historischen Beleg für diese karnevalistische Vokabel. Letztlich sei vermerkt, dass einer der ältesten Karnevalszüge in der hiesigen Gegend in Rösberg nachweisbar ist. Es ist überliefert, dass 1919 dort während des „Zochs“ das Modell des anschließend am Dorfrand erbauten Wasserturms auf einem von Pferden gezogenen Wagen unter dem Jubel der Rösberger Bevölkerung mitgeführt wurde.