Das Gymnasium in Alfter soll nicht nach Paragraf 34 auf eigenes Risiko gebaut werden. Den Freien Wählern passt das nicht. Sie werfen dem Bürgermeister vor, er verschweige Mehrkosten und eine Übergangszeit in Containern.
Zwei Jahre längere Bauzeit?Emotionen bei Debatte um Gymnasium Alfter kochen hoch

Für 120 Schülerinnen und Schüler der 4. Grundschulklassen und deren Eltern bedeutete der 05.06.2023 ein erstes großes Kennenlernen im neu gegründeten Gymnasium Alfter. Die Spannung war groß, als Sebastian Muders und Henning Tetz (kommissarische Schulleitung) die künftigen Sextanerinnen und Sextaner begrüßten. Schließlich lernten die künftigen Mitschülerinnen und Mitschüler sich und ihre Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer zum ersten Mal kennen.
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Die Emotionen kochten hoch in der Alfterer Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend. Und das lag an einem Offenen Brief, in dem die Freien Wählern Alfter (FWA) kurz zuvor öffentlich den Eindruck erweckt hatten, als würde Bürgermeister Rolf Schumacher (CDU) etwas zur Planung des Gymnasiums verheimlichen, das der Gemeinde teuer zu stehen kommen würde. Die „Planung der Verwaltung für den Erweiterungsbau“ basiere „auf irrtümlichen Annahmen“, schrieben die FWA und dies habe „erhebliche Konsequenzen“.
Letztlich blieb übrig, dass die Freien Wähler im Lenkungsausschuss, dem für den Schulbau zuständigen Gremium, schlicht einen anderen Weg gehen wollten, und damit zur Minderheit gehörten. So schnell war die Luft aber nicht aus der Sache: Es kam zu einem kurzen, aber heftigen Schlagabtausch zwischen FWA und Bürgermeister.
Der Offene Brief ist weiterhin auf der Webseite der FWA zu sehen und vom Fraktionsvorsitzenden Bolko Graf Schweinitz und dessen Stellvertreterin Sandra Semrau unterzeichnet. Die beiden monierten zudem – zumal am Dienstag im Bildungsausschuss das Thema Gymnasium auf der Tagesordnung stand – „unterließ es die Verwaltung, die Öffentlichkeit in diesem Gremium über die jüngsten gravierenden Entwicklungen zu informieren“. Andeutungen, die alles und nichts verhießen.
Die in dem Offenen Brief zum Ausdruck kommende destruktive Energie der Freien Wähler ist verstörend. Dank der Initiative der SPD im gestrigen Rat haben alle Fraktionen diesem Vertrauensbruch ein starkes Stopp-Signal gesetzt.
Bürgermeister Schumacher nahm gestern noch per E-Mail Stellung: „Die in dem Offenen Brief zum Ausdruck kommende destruktive Energie der Freien Wähler ist verstörend. Dank der Initiative der SPD im gestrigen Rat haben alle Fraktionen diesem Vertrauensbruch ein starkes Stopp-Signal gesetzt.“
Und das war so gegangen: Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hans G. Angrick beantragte eine Änderung der Tagesordnung und berief sich auf einen Formfehler der FWA. Die hatte mehrere Anfragen gestellt, diese aber als Anträge deklariert, was so nicht der Geschäftsordnung des Rates entspricht. Also gab es einen Mehrheitsbeschluss, und diese Tagesordnungspunkte waren abgesetzt.
Antworten auf die Fragen der FWA hatte die Verwaltung ohnehin schon vor der Sitzung verschickt. Den Freien Wählern war es unter anderem um eine prekäre personelle Situation in der Verwaltung sowie deren Auswirkung auf andere Vorhaben der Gemeinde gegangen, zumal Bianca Lorenz im Rathaus von allen anderen Aufgaben als der Gymnasiumserweiterung befreit worden war.
Fachgebietsleiterin geht
In der Antwort heißt es, dass Lorenz – Fachgebietsleiterin Bauleitplanung und Bauen – sich beruflich verändere und die Gemeindeverwaltung zum 30. September verlasse. Die Stelle sei ausgeschrieben und soll spätestens bis 1. Oktober neu besetzt werden. Gelinge dies nicht, „müssen die Aufgaben hausintern neu verteilt und im Notfall extern beauftragt werden“, heißt es in der Antwort. Im Planungsbereich sei zudem eine weitere Stelle aufgrund von Elternzeit vakant: „In den zuständigen Fachbereichen erfolgen daher zwei interne Stellenausschreibungen, um wichtige Führungsaufgaben im Planungs- und Regionplanungsbereich weiterhin besetzen zu können.“
Die Verwaltung erinnert zudem daran, dass zur intensiveren Abstimmung des Erweiterungsbaus des Gymnasiums eine Lenkungsgruppe mit Vertretern der Ratsfraktionen und der Verwaltung eingerichtet worden sei. Diese arbeitet laut Schumacher „vertrauensvoll zusammen, um ein modernes, dem vom Rat beschlossenen pädagogischen Raumkonzept entsprechendes, möglichst klimaschonendes und möglichst kostengünstiges Gebäude zu errichten.“
In der jüngsten Sitzung der Lenkungsgruppe ging es laut Schumacher darum, ob nach dem „risikoreichen und ungewissen Weg“ nach Baugesetzbuch Paragraf 34 (Einpassung in Umgebungsbebauung) fortgefahren werde oder ob es sinnvoller sei, den „umsichtigeren Weg über ein Bebauungsplanverfahren“ zu gehen. In diesem Fall werden alle wesentlichen Fragen zum Verkehr, Schall, Boden und Artenschutz sicher abgeklärt, bevor der Bauantrag gestellt wird.
Unwägbarkeiten bei den Kosten
Auch dieser Weg könnte Unwägbarkeiten bedeuten, etwa wegen möglicher archäologischer Funde. Dennoch habe sich die Lenkungsgruppe mehrheitlich für diesen Schritt entschieden. Dies führe allerdings dazu, dass sich die Bauzeit bis zu zwei Jahre länger hinziehen könnte als ursprünglich geplant (insgesamt etwa 60 Monate). Für diesen Zeitraum müssten Schülerklassen provisorisch untergebracht werden, etwa in Containermodulen.
Die Freien Wähler mutmaßten, diese Containerlösung koste Millionen und Achtklässler würden zwei Jahre im Container unterrichtet. Schumacher: „Aus welchen Gründen die Freien Wähler zu der Überzeugung gekommen sind, der Weg nach Paragraf 34 sei kostengünstiger und schneller, bleibt ihr Geheimnis. Er hat jedenfalls keine Mehrheit in der Lenkungsgruppe gefunden.“ Zudem wollten die FWA wissen, ob es einen Architekturwettbewerb für das Gymnasium geben werde. Darauf gab es keine Antwort.
Alfter bekommt ein Gymnasium
Nach den Sommerferien geht das Alfterer Gymnasium mit 120 Mädchen und Jungen an den Start; ein Kennenlernfest für die ersten Schüler hat bereits stattgefunden. Ursprünglich war die Schule dreizügig geplant, da jedoch im Februar mehr Eltern als erwartet ihre Kinder für die neue Schule angemeldet hatten, startet diese nun ab Juli vierzügig. Erst einmal wird der Platz in dem ehemaligen, rundum sanierten Hauptschulgebäude in Oedekoven reichen, doch schon seit 2022 ist klar, dass es spätestens zum Schuljahr 2027/28, wenn der fünfte Jahrgang eingeschult wird, eng wird und ein Erweiterungsbau her muss.
Die Hiobsbotschaft für die Baukosten überbrachte Kämmerer Nico Heinrich nach Berechnungen eines Architekturbüros den Lokalpolitikern im vergangenen Dezember: Statt der ursprünglich prognostizieren Baukosten von rund 26 Millionen Euro lägen diese derzeit bei gut 79 Millionen Euro. Eine Lenkungsgruppe beschäftigt sich nun damit, ein möglichst effizientes, aber modernes und kostengünstiges Gebäude zu planen.