Endlich wieder KunstAnaloger Semesterstart an der Alanus Hochschule
Alfter – Der Innenhof ist menschenleer. Eigentlich tummeln sich hier zahlreiche Studierende, die von einem Kurs zum nächsten wollen, sich in den Pausen austauschen, kurz innehalten. Der Campus I (Johannishof) der Alanus Hochschule, ein ehemaliger Gutshof am Rande des Naturschutzgebietes Kottenforst, wirkt nun aber wenig geschäftig, sondern fast wie verlassen. Irgendwo in der Ferne ertönt leise ein Klavier, aus einem offenen Fenster ist kurz ein Poltern zu vernehmen, nur vereinzelt huschen Studierende, mit Mund-Nase-Bedeckung im Gesicht, zügig durch den Hof und verschwinden schnell hinter irgendeiner Tür. Die Hochschule ist im Krisenmodus. Seit dem Semesterstart am 16. März findet die Lehre wegen des Coronavirus digital statt. Langsam soll es jetzt aber wieder in Richtung Normalität gehen: Ab sofort finden erste Präsenzveranstaltungen statt – unter besonderen Corona-Auflagen.
Elterninfos und Brieffreundschaften
Gemeinsam mit Verbänden der Kindergesundheit gibt Paula Bleckmann, Professorin für Medienpädagogik an der Alanus Hochschule, konkrete und alltagstaugliche Tipps und Informationen zur Frage, wie Familien mit Kindern trotz aller Herausforderungen während der Corona-Krise möglichst positiv gestimmt bleiben. Die Mit-Initiatorin des Angebots verantwortet mit ihrem Team einen Newsletter, der Themen wie dosierter Mediengebrauch, Umgang mit Ängsten und Alltags-Strukturierung behandelt. „Zweimal wöchentlich erscheint der Newsletter, das neueste Thema ist Schule zu Hause“, so Bleckmann. „Wir schreiben auch über den Umgang mit Betreuungs-Not oder Enttäuschung, geben Durchhalte-Tipps und Hinweise, die Corona-Pandemie kindgerecht zu erklären.“ Das Unterstützungsangebot soll ständig ausgeweitet werden und die Eltern solange begleiten, bis Schulen und Kitas bundesweit wieder vollständig öffnen.
www.kinderaerzte-im-netz.de
Studierende der Alanus Hochschule haben unter dem Motto „Briefe.Bauen.Brücken“ ein Projekt zum Austausch zwischen Generationen über Brieffreundschaften ins Leben gerufen. Jede Person, die sich bei den Studierenden meldet, soll die Kontaktdaten eines Briefpartners erhalten. Dieser gehört einer anderen Generation an und wird zufällig gewählt. Ziel des Projektes ist es, dem Mangel an Begegnung und oft auch Verständnis zwischen unterschiedlichen Generationen entgegenzuwirken. „In einer Zeit wie dieser, in der durch Schutzmaßnahmen gesamtgesellschaftlich tatsächliche und gefühlte Isolation entsteht, ist Begegnung für uns alle wichtiger denn je“, schreiben die Studierenden auf der Homepage des Projektes. Kooperationspartner sind derzeit das Seniorenhaus St. Angela in Hersel und die Parkresidenz Bad Honnef. Weitere Einrichtungen sollen folgen. Wer eine Brieffreundschaft ins Leben rufen möchte, kann sich auf der Homepage anmelden. (mdh)
www.briefebauenbrücken.de
Es ist kurz vor 16 Uhr, das Bild im Innenhof verändert sich langsam. Nach und nach findet sich der Kurs von Professorin Dr. Ulrika Eller-Rüter ein. „Sound and Imagination II“ heißt die erste Präsenzveranstaltung des Sommersemesters. Es geht um Musik als Inspirationsquelle für den Werkprozess. Weil insgesamt 15 Studierende des Studiengangs Bildende Kunst/Malerei kommen, muss der Kurs in zwei Gruppen aufgeteilt werden. Es sollen zwei Übungen parallel stattfinden, dann wird getauscht. Für den analogen Semesterstart an der Hochschule müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden. So dürfen nur künstlerisch-performative Veranstaltungen stattfinden, in Räumen müssen zwei Meter Abstand gewahrt und Masken getragen werden. Vor Beginn des Kurses werden die Teilnehmer in einer Liste registriert.
Eller-Rüter ist trotz dieser Auflagen froh, dass es nun wieder losgehen kann. „Es gefällt mir gut, dass ich Euch endlich wieder im echten Leben sehe“, begrüßt die Professorin sieben Studierende, den ersten Teil der Gruppe, im Raum Bella Vista im Dachgeschoss des Johannishofs. In den vergangenen Wochen hat das Seminar ausschließlich digital stattgefunden – für einen praktisch ausgelegten Kurs ein widriger Umstand, wie die Professorin sagt. „Das hat uns schon sehr beeinträchtigt. Es war als Praxisseminar gedacht und jetzt haben wir hauptsächlich Theorie gemacht, aber über Musik und performative Kunst kann man sich nicht nur über Mausklicks austauschen.“
Die Freude bei Eller-Rüter darüber, dass es jetzt wieder losgehen kann, ist deutlich zu spüren. Mit einem Lächeln, das man unter der Maske zwar nicht sehen, aber an ihren Augen erkennen kann, erklärt sie den sieben Studierenden im Raum Bella Vista ihre Aufgabe: Zum Boléro des französischen Komponisten Maurice Ravel sollen die Teilnehmer den Rhythmus des Werkes mit einem blauen Filzstift grafisch auf einer 16-Meter-Rolle Papier darstellen. Auge und Ohr sollen im Einklang sein, wie Eller-Rüter erklärt. Eigentlich hätten sich die Teilnehmer bei der praktischen Übung frei im Raum bewegen sollen, jetzt müssen sie mit Tischen und Abstand zu den Kommilitonen vorliebnehmen.
Während sechs Teilnehmer den Boléro sitzend verfolgen und dabei arbeiten, steht Christina Querfurt beim ersten Ton auf und lässt ihren blauen Filzstift unvermittelt und intensiv über das Papier gleiten. Es wirkt wie eine kreative Entladung. Am Ende des berühmten Orchesterstücks, nach etwa einer Viertelstunde, hat Querfurt nicht eine, sondern gleich zwei 16-Meter-Rollen verarbeitet. Das Halstuch, das die Masterstudentin aus Köln über Mund und Nase gezogen hat, scheint bei ihrer räumlich zwar begrenzten, aber trotzdem überaus aktiven Arbeit nicht zu stören. „Man ist irgendwann so sehr im Prozess, dass man das vergisst“, sagt Querfurt. Da sie in der Performance-Kunst unterwegs sei, habe sie zwar auch während der digitalen Lehre aktiv sein können; über den analogen Semesterstart freue sie sich trotzdem sehr. „Die Kommilitonen und der Austausch haben schon gefehlt.“
Trommeln mit Abstand
Nach der Übung zu Ravels Boléro wechseln die Gruppen, Querfurt und ihre Kommilitonen gehen zurück in den Innenhof und in das große Hofatelier. Dort wartet schon der Musiker Friedemann Geisler aus Alfter, der immer mal wieder Kurse und Projekte von Eller-Rüter an der Hochschule mit musikalischem Know-how begleitet. „Die Akustik ist schlecht“, sagt Geisler über das Hofatelier, einen kargen, hellen Raum, in dem mehrere Trommeln im Kreis aufgestellt sind – mit Abstand, natürlich. Vor dem Eintreten müssen sich die Studierenden die Hände desinfizieren, dann kann es auch schon losgehen. Geisler trommelt einen Rhythmus vor, mal mit lateinamerikanischem, mal mit afrikanischem Anstrich , die Teilnehmer trommeln mit. „Es geht darum, ein Gefühl für Rhythmus und Musik zu entwickeln“, sagt der Musiker. Schon während einer ersten Übung zum Eintrommeln muss er kurz unterbrechen und die Maske zurechtrücken. Als Brillenträger hat Geisler durchaus mit der Maskenpflicht zu kämpfen.
Trotz Einschränkungen durch Abstandsregel, Maskenpflicht und Hygienevorschriften ist der Auftakt der Präsenzveranstaltung an der Alanus Hochschule nach Ansicht von Ulrika Eller-Rüter gelungen. Es sei aufregend und auch ein wenig stressig gewesen, sich nach den Corona-Auflagen zu richten, insgesamt sei sie aber begeistert von der ersten Präsenzveranstaltung des Semesters: „Das ist herrlich, richtig wie eine Befreiung. Man hat endlich wieder ein Gegenüber, auch wenn man unter der Maske zwar nicht jede Reaktion erkennen kann, spürt man zumindest wieder eine unmittelbare Atmosphäre.“