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Alanus Hochschule22-jährige Studentin berichtet vom Alltag in Istanbul

Lesezeit 4 Minuten

Rike Weiß wollte eigentlich nur ein paar Tage nach Istanbul, um ihre Schwester zu besuchen. Nun sitzt sie schon seit einem Monat in der Millionenmetropole fest.

Alfter/Istanbul – Karfreitag, kurz nach 22 Uhr: Die türkische Regierung kündigt wegen des Coronavirus eine 48-stündige Ausgangssperre für 31 Städte an, darunter die Millionenmetropole Istanbul. Beginn der Regelung ist keine zwei Stunden später am Samstag um 0 Uhr. In der Folge bricht vielerorts Panik aus: Staus, meterlange Schlangen vor Supermärkten. Die Menschen versuchen mitunter verzweifelt, Lebensmittel zu besorgen. Mitten in den Wirren dieses Abends befindet sich auch Rike Weiß. Die Studentin der Alanus Hochschule in Alfter ist am 12. März zu einem Besuch bei ihrer Schwester nach Istanbul aufgebrochen. Dann stellt die Türkei den Flugverkehr mit Deutschland ein. Aus ein paar Tagen, die geplant waren, sind ein paar Wochen geworden. Mit der Rundschau hat die 22-Jährige über die Lage in der türkischen Metropole und über ihren Umgang mit der Situation gesprochen.

„Im Supermarkt war die Hölle los“

„Im Supermarkt war die Hölle los“, erinnert sich Weiß an jenen Karfreitag. Auch sie und ihre Schwester hätten an diesem Abend noch einkaufen müssen. „Wir waren nicht darauf vorbereitet. Da sind wir auch ein bisschen in Panik geraten.“ Kaffee, Milch, einige Kleinigkeiten hätten sie trotz des großen Andrangs aber noch besorgen können. Die Märkte seien gut ausgestattet, ihr wären keine Engpässe aufgefallen, sagt Weiß. Auch Klopapier sei noch da. „In gewissen Dingen müssen wir uns jetzt zwar schon einschränken, aber grundsätzlich ist das eigentlich nicht so das Problem.“

Rike und Jana Weiß (r.) versuchen, das Beste aus der Lage zu machen.

Wegen der Corona-Pandemie gelten in der Türkei zurzeit Ausgangsbeschränkungen für Senioren über 65 und Menschen unter 20 Jahren. Schulen, Cafés, Restaurants und Parks sind geschlossen, es herrscht Mundschutzpflicht in öffentlichen Bereichen. An den Wochenenden ist alles dicht, auch die Supermärkte. Es gilt eine Ausgangssperre. „Die Leute hier nehmen die Situation sehr ernst, wir bleiben auch die meiste Zeit in der Wohnung“, sagt Weiß.

Lage in der Türkei

Das Coronavirus hat auch den Alltag in der Türkei derzeit fest im Griff. So wurden für den Fastenmonat Ramadan weitere Einschränkungen getroffen. Erneut hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Montag eine dreitägige Ausgangssperre für Istanbul und 30 weitere Städte und Provinzen des Landes angekündigt. Das Verbot soll am Donnerstag um Mitternacht beginnen. Bereits seit drei Wochen verhängt die Türkei 48-stündige Ausgangssperren übers Wochenende, zuletzt wurde das Ausgangsverbot aufgrund eines Feiertages auf vier Tage erweitert. Noch mindestens bis zum Ende des Fastenmonats Ramadan sollen laut Erdoğan die Ausgangssperren übers Wochenende fortgesetzt werden.

Nach Angaben der Johns Hopkins Universität (JHU) gibt es in der Türkei mit etwa 82 Millionen Einwohnern bislang 112 261 bestätigte Coronavirus-Infektionsfälle (Stand: 28. April). Etwa 2900 Menschen sind infolge der Erkrankung gestorben; 33 791 Personen gelten als genesen. Genaue Zahlen für die Millionenmetropole Istanbul sind offiziell nicht ausgewiesen. In verschiedenen Medienberichten ist zu lesen, dass die Stadt als Corona-Hotspot gilt. (mdh)

Im zentral gelegenen Istanbuler Stadtteil Şişli teilt sich Rike Weiß, die in Alfter Kunst-Pädagogik-Therapie im dritten Semester studiert, nun ein Zimmer mit ihrer Schwester Jana. Die 26-Jährige studiert eigentlich in Dortmund Stadt- und Raumplanung im Master und absolviert derzeit ein Auslandssemester in der türkischen Millionenmetropole. Dort lebt sie mit fünf Mitbewohnern, unter anderem aus den Niederlanden und aus Portugal – und nun auch mit ihrer Schwester. „Für uns ist das eigentlich kein Problem“, sagt Rike Weiß. „Wir hatten schon immer engen Kontakt.“ Sie könne sich mit ihrer Schwester zum Glück auch Kleidungsstücke teilen und ihren Laptop für die Hochschule nutzen.

In Alfter ist die 22-Jährige, die in Bonn-Kessenich wohnt und ursprünglich aus Krefeld kommt, eher zufällig gelandet. „Von Alfter hatte ich noch nicht so viel gehört, aber ich fühle mich sehr wohl dort.“ Mit dem aktuellen Semester könne es jetzt erstmal normal weiterlaufen. „Das macht eigentlich keinen großen Unterschied“, sagt Weiß. Vorlesungen und Meetings in Videokonferenzen, in WhatsApp-Gruppen werden Aufgaben gestellt – genug zu tun hat Rike Weiß in Istanbul in jedem Fall. Auch ein Malerei-Projekt könne sie nun als eine Art Tagebuch umsetzen und so die aktuellen Erlebnisse in der türkischen Metropole einfließen lassen. „Es ist schon ein Unterschied zur Arbeit im Seminarraum. Es ist deutlich anstrengender, sich richtig zu konzentrieren.“ Sie wolle sich aber nicht beklagen. „Ich fühle mich hier sehr wohl und gut aufgehoben.“ Auch in der WG sei die Stimmung gelassen. Kniffeln, puzzeln, kochen. Es werde nicht so schnell langweilig, sagt Weiß.

Und wie geht es jetzt weiter? Das weiß die 22-Jährige auch noch nicht genau. Sie hat sich auf eine Liste für Deutsche im Ausland eingetragen und steht in Kontakt mit der deutschen Botschaft, bekommt regelmäßig Informationen zur Rückreise. „Hin und wieder gibt es Flüge, die sind aber schnell weg und vor allem teuer, weil es keine Direktflüge sind. Da wäre man dann mehrere Tage unterwegs.“ Weiß hofft, bis Ende Mai zurückreisen zu können. „Dann könnte sich die Lage vielleicht wieder entspannt haben.“