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Aktion der „Jungen Helden“Wie ein Tattoo den Wille zur Organspende anzeigt

Lesezeit 5 Minuten
Eine Tätowiererin sticht das Tattoo.

Mit diesem Symbol – auch in abgewandelten Formen – zeigt man seine Bereitschaft zur Organspende

Mit „Opt.Ink“-Tattoos zeigen nun Menschen ihre Bereitschaft zur Organspende. Nirgends ist die persönliche Willenserklärung deutlicher platziert. Die kreativen Motive fördern zudem den Austausch.

In einer knappen Viertelstunde ist es vollbracht. Kurz und schmerzlos. Die nervöse Anspannung ist aus Imke Reichards Gesicht gewichen. Und jetzt strahlt sie richtig. Gerade hat die Sozialpädagogin aus Alfter sich ihr erstes Tattoo stechen lassen. Eines mit Symbolkraft über das eigene Leben hinaus, denn die beiden Halbkreise, die sich mit einem geschlossenen Kreis verknüpfen, stehen für die Bereitschaft zur Organspende.

Sich für etwas entscheiden

Der Verein „Junge Helden“, der sich seit mehr als 20 Jahren für Aufklärung über Organspende einsetzt, hat das Design für das Tattoo mit dem Namen „Opt.Ink“ entwerfen lassen. „Opt.Ink“ ist ein Wortspiel aus dem englischen „opt-in“, das mit „sich für etwas entscheiden“ übersetzt werden kann und dem Wort „ink“ für Tinte.

Imke Reichard (l.) mit Praxis-Mtarbeiterin Silvana Zander und Ärztin Diana Roesner (r.)

Imke Reichard (l.) mit Praxis-Mtarbeiterin Silvana Zander und Ärztin Diana Roesner (r.), die das Organspende Tattoo gestochen hat.

Die Idee dahinter: Potenzielle Organspender oder -spenderinnen können so ihre persönliche Willensbekundung hautnah – und im besten Falle sichtbar — platzieren. Sie machen damit klar: Ja, ich bin im Todesfall bereit, meine Organe zu spenden. Die Tätowierung ist kein Ersatz für einen Organspendeausweis. Sie soll, so die Idee der „Jungen Helden“, dazu dienen, ins Gespräch zu kommen, weil das Signet auffällt und Fragen aufwirft. Vor allem junge Leute kämen darüber in den so wichtigen Austausch.

Ärztin als Tätowiererin

Eher ungewöhnlich ist der Termin, den Imke Reichard gemacht hat, um ihr Organspende-Tattoo zu realisieren. Sie hat es von einer Ärztin gestochen bekommen. Diana Roesner ist Allgemeinmedizinerin in Bonn, bietet Naturheilverfahren an – und seit einigen Monaten auch Organspende-Tattoos. „Ich habe selbst schon als junge Frau einen Organspendeausweis gehabt. Und ich trage Tattoos, die ich selbst entworfen habe“, berichtet sie.

Als ihre Praxis-Mitarbeiterin Silvana Zander ihr von den „Jungen Helden“ und dem „Opt.Ink“-Motiv erzählte, war sie sofort angepiekst. „Wir sprechen ja eher die Menschen an, die nicht zur klassischen Tattoo-Studio-Kundschaft gehören“, sagt Roesner. Gemeinsam mit Silvana Zander, die selbst mit dem Thema Organspende konfrontiert war , will sie helfen, die Hemmschwellen und Ängste abzubauen und aufzuklären, was genau passiert, sollte ein Organ benötigt werden.

Imke Reichard lässt sich das Tattoo stechen.

Filigrane Arbeit. Imke Reichard schaut lieber erst einmal nicht hin.

Die Frage „Wenn Sie ein Herz bräuchten, würden Sie es nehmen?“ sei bei den meisten schnell mit Ja beantwortet, so die Ärztin. „Aber was ist, wenn es heißt „Würden Sie auch Ihr Herz geben?“ Diana Roesner hat phasenweise auch auf einer Intensivstation gearbeitet und schildert das Szenario, dass sowohl für Ärzte als auch für Angehörige oft kaum zu ertragen ist. „Wenn nicht klar ist, ob ein verstorbener Mensch Organe spenden will, und wir die Angehörigen in ihrer Trauer mit der Frage überfallen und eine schnelle Entscheidung herbeiführen müssen, ist es für alle Beteiligten sehr schwer.“ Niemand will einen Fehler machen. Wie einfach wäre es, hätte der Verstorbene eine klare Willensbekundung hinterlassen.

Schon 7500 Organspende-Tattoos

Hier setzt – unabhängig vom formalen Organspendeausweis – „Opt.Ink“ an. Die „Jungen Helden“, die sich mit prominenter Unterstützung unter anderem von Schauspieler Jürgen Vogel, den Moderatoren Klaas Heufer-Umlauf und Yoko Winterscheidt vor allem an die junge Generation wenden, haben inzwischen 700 Tattoo-Studios bundesweit zum Mitmachen bewegen können. „Sie alle bieten das Tattoo überwiegend kostenfrei an. Mehr als 7500 Menschen haben sich das Symbol bereits stechen lassen“, heißt es auf der Website des Vereins.

Lena Westermann ist eine der ehrenamtlichen Helferinnen der „Jungen Helden“ und ebenfalls Ärztin. „Es ist ein so emotionales Thema, vor allem, wenn man miterleben darf, wie Menschen durch eine Organspende gerettet wurden“, erzählt sie aus ihrem Berufsleben. Sie hatte in dieser Woche an den Christophorus Kliniken in Coesfeld zu einem Aktionstag eingeladen. Eine Premiere mit Kölner Beteiligung: Stefanie Schützdeller und Gerrit Stappen aus dem Tattoo-Studio „Dès Vu“ reisten eigens ins Münsterland, um Organspende-Tattoos zu stechen. Die Bilanz: 36 Signets, hauptsächlich bei Frauen, viele davon Mitarbeiterinnen der Klinik. Gestochen wurde hauptsächlich an Armen, Nacken und Fußknöcheln. Der Ärztin Westermann ging es beim Aktionstag auch um den Austausch und die Auseinandersetzung mit einem Tabuthema. Sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen und sich klar zu machen, was auf einen selbst aber auch auf die Angehörigen zukommen kann: Leider sei das in Deutschland nicht sehr ausgeprägt. „Bei uns kommen auf eine Million Einwohner gerade mal zehn, elf Spender. In Spanien, wo es die Widerspruchslösung gibt, sind es 46“, weiß Westermann. Dabei gehe es nicht darum, Menschen zu etwas zu zwingen: „Entscheidend ist die Entscheidung“, sagt sie.

Perlenkette und Tattoo

In Deutschland ist jeder Vierte tätowiert, haben die „Jungen Helden“ ermittelt. Die oft sehr persönlichen Zeichen und teilweise Kunstwerke sind vor allem in den sozialen Netzwerken ein Thema.

Das ist auch die Erfahrung der Kölner Architektin und FDP-Ratsfrau Stefanie Ruffen. Sie postete vor einigen Monaten ihr (erstes) Organspende-Tattoo und erhielt zahlreiche Reaktionen. „Ich bin eigentlich eher Fraktion Perlenkette als Fraktion Tattoo“, lacht sie. Doch wegen eines Leukämie-Erkrankten in ihrem Freundeskreis war sie schon als junge Frau mit dem Thema lebensnotwendiges Spenden konfrontiert, ließ sich damals typisieren und hat seit Jahrzehnten einen Organspendeausweis. „Eigentlich war ich immer der Ansicht, man darf nicht gezwungen werden“, erklärt sie ihre frühere Ablehnung zur in Deutschland nach wie vor nicht realisierten Widerspruchslösung. „Doch leider verbessert sich ja nichts!“ Deshalb war sie sofort begeistert, als sie von den Organspende-Tattoos hörte – und so wurde nach einem kurzen Familienrat ein kleiner Familienausflug (mit Mann und einem der Söhne) in ein Tattoo-Studio in Köln daraus. Ruffen hofft, dass ihr Beispiel Schule macht. „Ich glaube, die Bereitschaft wäre da. Es ist aus meiner Sicht bei vielen in erster Linie Gedankenlosigkeit und Bequemlichkeit.“ Sie will auch weiterhin Überzeugungsarbeit leisten. In ihrer Fraktion ist die 52-Jährige derzeit die einzige Tattoo-Trägerin.

Sonne, Insel und ein Segelboot

Die Angst vor dem Tattoo-Stechen können Stefanie Ruffen als auch Imke Reichard entkräften. „Es hat nur ein bisschen gekribbelt“, sagten beide Frauen übereinstimmend. Für Reichard blieb es in der Praxis in Bonn zunächst beim Original-Opt.Ink-Symbol. „Als ich das Zeichen sah, dachte ich: Es hat etwas von einer Sonne, einer Insel und einem Segelboot. Das regt meine Fantasie an. Wie schön!“ Sprachs und blickte zufrieden auf das kleine Kunstwerk, das Diana Roesner an ihrem Arm verewigt hat. Eine potenzielle Organspenderin mehr!