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Vor drei Jahren verschwand Louise Kerton

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STRASSFELD. Drei Jahre nach dem rätselhaften Verschwinden der jungen englischen Krankenschwester Louise Kerton will die Aachener Staatsanwaltschaft die Ermittlungsakten schließen. Staatsanwalt Alexander Geimer, Sachbearbeiter des Falles, der in der Bundesrepublik und noch viel mehr in England große Beachtung fand, steht dabei ebenso wie die Beamten der Polizei in Aachen vor einem Rätsel: „Ich weiß nicht einmal, ob Louise Kerton noch lebt, oder nicht.“ Er hat sieben Aktenordner mit insgesamt 1500 Seiten Ermittlungsakten studiert, hat dazu ein Dutzend Beiordner mit vielen weiteren hundert Seiten - und immer noch keine Spur von der Vermissten.

Die junge Frau war am 30. Juli vor drei Jahren von der Mutter ihres damaligen Lebenspartners von Straßfeld aus nach Aachen zum Bahnhof gebracht worden, um von dort aus per Zug via Ostende nach England zurück zu reisen. Doch Louise Kerton kam nie in England an. Und auch für die angebliche Rückreise gibt es außer der Aussage der Mutter ihres Verlobten keine Indizien.

Während die deutschen Behörden den Fall zunächst als einfachen Vermisstenfall behandelten und auch nicht ausschlossen, dass Louise Kerton freiwillig ihre Reiseroute und ihr Reiseziel geändert haben könnte, gingen die britischen Medien von einem Verbrechen aus. Eine Annahme, der sich nach geraumer Zeit auch die deutschen Behörden anschlossen - allerdings ohne nennenswerten Ermittlungserfolg. Auch der Verdacht gegen den als gewalttätig geltenden Bruder von Louise Kertons Verlobtem konnte nicht untermauert werden. Einsatzhundertschaften und Tauchertrupps aus Aachen suchten eineinviertel Jahre nach dem Verschwinden von Louise Kerton vergeblich nach der Leiche der damals 24-Jährigen in Baggerseen und Kiesgruben rund um Straßfeld, doch ohne eine konkrete Spur. Die großangelegte Suchaktion sei, so munkelten Insider der Polizei, nicht zuletzt durch eine Demonstration englischer Eltern vermisster Kinder vor der deutschen Botschaft in London beschleunigt worden.

Denn genau ein Jahr nach dem Verschwinden von Louise Kerton aus Straßfeld hatte eine englische Vermissten-Organisation vor der Botschaft zu einem vielbeachteten Volksauflauf gesorgt, der in den englischen Medien Sendezeiten und Zeitungsseiten füllte und die Kritik an der Arbeit der deutschen Behörden verstärkte.

Zwischenzeitlich hatte der Vater der Verschwundenen, Phil Kerton, mit den englischen Privatdetektiven David Seaborn Davies und Bob Moffat zwei der besten britischen Experten für Mordaufklärungen mit dem Fall beauftragt. Auch die beiden „Agents“ aus London kamen nicht weiter.

Heute, drei Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden der jungen Frau, sind die Angehörigen keinen Schritt weiter und immer noch von quälender Ungewissheit über das Schicksal ihrer Tochter. „On July 30 it will be 3 years since Louise disappeared and we are still no wiser about how and why“(„Am 30. Juli sind es drei Jahre seit Louise verschwunden ist und wir wissen immer noch nicht wie und warum.“), schrieb Vater Phil Kerton, der immer noch alle Hebel in Bewegung setzt, um vielleicht doch noch etwas über seine Tochter heraus zu bekommen.

So hat Kerton, als er von der Verhaftung und den Geständnissen des mutmaßlichen Massenmörders Michel Fourniret hörte, sich an die Polizei in Kent gewandt und gebeten, von dort aus Kontakt zu den französischen und belgischen Behörden aufzunehmen und zu ermitteln, ob der in Belgien lebende Fourniret etwas mit dem Verschwinden seiner Tochter zu tun haben könnte.

Und auch die Polizei in Kent ist tätig geworden. Detective-Inspektor David Lawson, einer der Senior-Officers im Fall Kerton, hat nach eigenem Bekunden die Aachener Staatsanwaltschaft noch einmal gebeten, mögliche Zusammenhänge zwischen den mutmaßlichen Massenmorden des Michel Fourniret an sechs Mädchen und zwei jungen Frauen sowie dem Verschwinden der Louise Kerton zu ermitteln. Denn wenn die Angaben der Mutter von Louise Kertons Verlobten stimmen, dann hat die junge Krankenschwester am 30. Juli 2001 um 12 Uhr in Aachen einen Zug in Richtung Belgien bestiegen, das Land, in dem Fourniret einen Großteil seiner schrecklichen Taten verübt haben soll. Doch ob dort der Schlüssel zum Verschwinden der Krankenschwester zu finden ist, ist völlig ungewiss.