Von der Praktikantin zur Harald-Schmidt-Stimme
BONN. Eine Karriere, vor der alle den Hut ziehen, lässt sich gemeinhin mit dem geflügelten Wort Vom Tellerwäscher zum Millionär umschreiben. Im Medienzeitalter wäre es allerdings treffender, von der Verkäuferin zum Popstar oder gar vom Stühlerücker zum Fernsehstar zu sprechen. Nehmen wir den Fall Nathalie Licard: Seit 1997 verführt sie als die Stimme von Comedy-Entertainer Harald Schmidt die Zuschauer, kündigt prickelnde Unterhaltung mit den Showgästen an - und das mit dem süßesten französischen Akzent.
Im Bonner Robert-Schuman-Institut plauderte Nathalie jetzt in der ersten Talkshow - pardon, Débat - des Instituts aus Haralds Nähkästschen. Drei Französinnen hatte Moderator Gilles Vidal zur Gesprächsrunde geladen. Im Nachklang des großen deutsch-französischen Geburtstags sprachen die drei, die allesamt l amour aus der Heimat führte, von ihrer Arbeit, von Deutschland und Frankreich.
Nathalie kam 1995 in der Domstadt an. Verliebt und ohne ein einziges Wort Deutsch. Die Vorbereitung für die seinerzeit neue Schmidt-Show lag in den letzten Zügen. Ich hatte gehört, dass dort dringend Leute für nicht qualifizierte Arbeiten gesucht wurden. Nathalie war sich nicht zu schade, als Stühle- und Tischerückerin anzufangen, dafür reichten auch meine ersten Wörter. Die Redaktion amüsierte sich derart über die Praktikantin aus dem kleinen französischen Nest Dax, die immer nur Bitte, Bitte und Danke sagte, dass es hieß: Du bleibst.
Die Idee, Nathalie ausgerechnet ans Empfangstelefon zu setzen, kann sich wohl nur einer ausdenken, der Harald Schmidt heißt. So musste ich wohl Deutsch lernen. Nathalie erinnert sich: Einmal rief Günter Jauch an. Ich hatte seinen Namen nicht verstanden, hörte nur, dass er fünf Zuschauerkarten wollte. Ahnungslos, fand sie den Anrufer jedenfalls unverschämt. Und erwiderte brüskiert: Und Sie meinen, die könnten Sie hier einfach so bekommen? Am anderen Ende war nur noch ein erstauntes Kichern zu vernehmen . . .
Die Stimme wird sie dann 1997. Den Koffer gepackt für ein Wochenende in Paris, wurde sie kurzerhand in das Aufnahmestudio gezerrt - und sollte die Ankündigung der aktuellen Sendung auf Band sprechen. Gedacht war die Aktion als Gag, um den Sender zu foppen, der ständig darauf drängte, einen neuen Sprecher zu engagieren. Erübrigt sich auch diesmal die Frage nach dem Vater des Gedankens. Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf in Paris: Nathalie, deine Ansage ist so gut angekommen - du musst unbedingt den Text für die heutige Sendung sprechen. Die Überraschung dieses Augenblicks spiegelt sich auch heute noch in ihren Augen. Ich war so aufgeregt. Was hätten wir machen sollen? Also nahmen sie das Ganze via Telefon auf.
Inzwischen ist die Französin nicht nur festes Mitglied der Schmidt-Familie, sondern immer öfter vor der Kamera zu sehen, meldet sich auf internationalen Ausstellungen und Filmfestspielen als Live-Reporterin. Aber eines musste an diesem Abend einmal klar gestellt werden: Die Schöfferhofer-Weizen-Werbung der Show-Pausen spricht eine Unbekannte. Jedenfalls nicht Nathalie Licard.
Moderator Vidal teilte den Eindruck, dass hier eine Deutsche am Werk sei, die allem Anschein nach einen französischen Akzent imitiere. Diese Mühe muss sich die echte Licard nicht erst machen. Zum Markenzeichen der Sendung avanciert, verrät die mit Humor gesegnete Frau ihr spezielles Betriebsgeheimnis. Bei den Studioaufnahmen spricht sie die Namen der Gäste bewusst übertrieben betont aus. Schließlich müssen die Zuhörer verstehen, um wen es sich handelt. Der durchaus amüsante, klangliche Nebeneffekt entstammt also reinem Pragmatismus.