BAD HONNEF. Es sieht fast wie in einem gewöhnlichen Klassenzimmer aus: Auf einem Regal stehen Schulbücher und Lexika, an den Wänden hängen selbstgemalte Bilder. In der fahrbaren, nur wenige Quadratmeter kleinen Schule sitzen allerdings nur vier Schüler, die Kinder der Zirkusfamilie Kaselowsky, die in der letzten Woche in Bad Honnef Halt machte. Ramon (12), die Zwillinge Angelina und Natascha (9) und Mandi (6) werden im Wohnwagen unterrichtet. Bevor sich nämlich nachmittags der Vorhang des kleinen Circus Ramon hebt, müssen auch Zirkuskinder büffeln.
Grundschullehrerin Vera Kreiß erteilt den Kindern 13 Stunden Unterricht pro Woche. Mathe und Deutsch stehen wie in jeder Grundschule immer auf dem Stundenplan. Außerdem muss jeder Schüler seinen individuellen Wochenplan, der auch Hausaufgaben beinhaltet, erfüllen. Am Dienstag lernten sie zusätzlich die Sage vom Drachenfels kennen. Wir haben uns nämlich spontan entschieden, auf den Drachenfels zu wandern, sagte Vera Kreiß. Sie erkundet gerne mit den Kindern die Umgebung, wenn der Zirkus gerade in einer interessanten Gegend Station macht.
Seit letztem Sommer werden die Kinder von der Schule für Zirkuskinder in Nordrhein-Westfalen unterrichtet, Träger ist die Evangelische Kirche im Rheinland. Vorher besuchten sie ständig andere Schulen an den jeweiligen Zirkusstandorten. In der Zirkusschule können wir viel persönlicher unterrichten, wir gehen konstant auf die individuellen Leistungen ein, sagte Vera Kreiß. In einer Schule wurde bis 100 gerechnet und in der nächsten schon bis 1000, erzählte Ramon, der den Unterricht jetzt viel besser findet, auch wenn er ständig gemeinsam mit seinen Schwestern lernen muss.
Geschwisterstreitigkeiten werden natürlich mit in den Unterricht genommen, sagte seine Lehrerin. Deshalb findet sie es gut, dass die Kinder zumindest in der kalten Jahreszeit, wenn der Zirkus ein Winterquartier bezieht, mehrere Monate in eine gewöhnliche Schule gehen.
Vater Joni Kaselowsky ist von der Zirkusschule begeistert: Das ist viel besser, als wir es früher hatten. Seine Frau Tatjana und er stammen beide aus Zirkusfamilien - Ramon und seine Schwestern sind die sechste Generation - und mussten früh mit anpacken, so dass die Schulbildung recht kurz kam. Ihren fünf Kindern - Sarah (4) geht noch nicht zur Zirkusschule - soll es da besser gehen. Wenn die Familie diese Woche zum nächsten Gastspiel weiterreist, kommen Klassenzimmer und Lehrerin nämlich mit.