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TV-Tipp „Im Miljö“Die kölschen Gangster

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Esser's Häns wurde eher zufällig Zuhälter.

Natürlich war früher nicht alles besser. Aber unbedingt anders. Und das sogar in Köln. Ein wunderbarer Beweis für diese keineswegs steile These ist die Dokumentation „Im Miljö“ (WDR, 23.15 Uhr). Allein die Spitznamen der Protagonisten (oder sollte man besser schreiben „Kampfnamen“?) versprechen große Geschichten, ohne dass die Hauptdarsteller auch nur eine Schnurre aus ihren durchweg ereignisreichen Leben erzählt haben. Lange Tünn. Frisch’se Pitter. Abels Män. Zementkopp. Essers Hans, der schöne Indianer. Professor Liebeskummer. Karate Jacky. Hermanns Tünn und Dummse Tünn. So heißen die Typen – und das sind sie wirklich allesamt – die das Viertel rund um die Friesenstraße und die Kneipe Klein Köln in den 60er, 70er und 80er Jahren zu einem „Chicago am Rhein“ machten.

Hinter den genannten Namen verbergen sich Männer, die für Geschichten in Köln stehen, die mit Prostitution, Zuhälterei und Gewalt, Einbruchsdiebstähle, illegalem Glückspiel, Hehlerei und Drogen zu tun hatten – und die trotz ihrer durch und durch kriminellen Aspekte bis heute etwas haben, was man ihnen nicht selbstverständlich attestiert: Charme. Mit großer Natürlichkeit und mindestens ebenso großem Ego erzählen die Gangster von einst von ihrer kriminellen Vergangenheit. Nichts wird ausgespart, nichts wird beschönigt, und ein Schuss Selbstironie ist bei der Rückschau auch immer dabei. „Mit 18 hatt’ isch minge eeschte Rollex“, erzählt der ehemalige Türsteher Lange Tünn, „die hat drei Mille jekostet, dat wor damals ein Vermöjen. Ja sischa war isch och Zuhälter, 25, 30 Jahre lang.“

Gescheitert sind die Verbrecher von einst alle, einige von ihnen haben Hunderttausende oder gar Millionen verjubelt – aber keiner von ihnen hadert mit seinem Schicksal und seinem heutigen Leben. Das besteht unter anderem daraus, auf eine karge Rente zu warten oder Wohnwagen auf den Straßenstrich zu fahren, sie abends wieder abzuholen und ordentlich auf einem Hof wieder einzuparken.

Kölner Ganovenehre

„Im Miljö“ ist eine großartige Doku, in der neben den Hauptdarstellern, die das Wort „Ganovenehre“ noch mit Inhalt füllen konnten, auch ehemalige Prostituierte sowie Kripo-Beamte und Steuerfahnder zu Wort kommen und ihre Sicht auf das „Miljö“ von damals präsentieren können. Und weil die wie immer 243-köpfige Vorgezappt-Redaktion nicht alles Lobenswerte an diesem Blick auf eine Parallelgesellschaft aus längst vergangenen Zeiten erwähnen kann, nur noch dies: Dass „Im Miljö“ auf jeden Kommentar und bewertenden Off-Ton verzichtet, ist eine weitere Qualität dieser Doku.