Todesstille bei Bericht über die Obduktion
SIEGBURG / BONN. Todesstille gestern im Saal 0.11 des Bonner Landgerichts, als der Rechtsmediziner Professor Reinhard Dettmeyer in den Zeugenstand tritt. Ohne Emotion berichtet der Gutachter, wie der Häftling Hermann H. am 12. November 2006 in der Zelle 104 der JVA Siegburg gefunden wurde: Der Körper lag über einen Stuhl, und die Beine hingen in der Nasszelle. Dann schilderte Dettmeyer im Detail die vielen Verletzungen am Körper des 20-Jährigen. Über zwölf Stunden soll Hermann H. von drei Mithäftlingen in der Zelle gefoltert worden sein, bis sie ihn zu einem Selbstmord gezwungen haben wollen.
Nach der Bibel eine
letzte Zigarette
Auch den drei Angeklagten ging der sechste Prozesstag offenbar unter die Haut: Der 17-jährige Danny K. stützte seinen Kopf bleiern schwer zwischen zwei Hände, der 21-jährige Ralf A. stierte ins Leere und selbst dem 19-jährigen Pascal I. verging das Grinsen, das er im Prozess bisher immer wieder gerne zur Schau gestellt hat. Fünf Mal sollen die Angeklagten versucht haben, Hermann H. zu erhängen. Immer wieder aber riss das Strangulationswerkzeug. Beim sechsten Versuch starb das Opfer. Zuvor noch wurde aus der Bibel gelesen und das Opfer durfte eine letzte Zigarette rauchen.
Nach Aussage der drei Angeklagten hatte Hermann H. schließlich ein Seil aus geknüpften Bettlaken um den Hals - und stand auf einem Eimer an der Tür der Zellentoilette. Die mutmaßlichen Täter wollen das Seil von außen gehalten haben - und den 20-Jährigen aufgefordert haben, den Eimer unter sich wegzustoßen.
Der Rechtsmediziner bestätigte gestern, dass der 20-Jährige durch Erhängen zu Tode gekommen ist. Allerdings - davon ist der Fachmann überzeugt - war es kein suizidales Erhängen. Denn als Hermann H. die Schlinge abgenommen wurde, war erkennbar: Ein Haarbüschel des Opfers war eingeklemmt. Das passiert nicht, wenn jemand an sich selbst Hand anlegt, so Dettmeyer und wies auf zwei entsprechende Fälle in den USA. Auch hier war man zunächst von einem Selbstmord ausgegangen, später stellte sich heraus, dass die Opfer erhängt worden waren.
Bruder verließ den
Saal im Landgericht
Beim Obduktionsbericht verließ der Bruder von Hermann H. den Saal. Martin H. ist der einzige seiner Familie, der als Nebenkläger bislang Tag für Tag den Prozess verfolgt hat. Aber wie die Leiche seines Bruder ausgesehen hat, das wollte der 24-Jährige sich gestern nicht zumuten. Auch nicht die letzten Worte des Gutachters: Das Erhängen war atypisch, weil der Knoten sich an der rechten Halsseite befand und die Blutzufuhr nur einseitig abdrückte. Die Bewusstlosigkeit trat nach 10 bis 30 Sekunden ein; der Herzstillstand nach anderthalb bis zwei Minuten. (ucs)