Sex in der PartnerschaftNach der Geburt herrscht oft Flaute im Bett
Still-BH statt Spitzenunterwäsche und Windelberge statt Gipfel der Lust: das Leben von Paaren, die gerade ein Baby bekommen haben, ist nicht sexy. Stillen lernen, wickeln üben, oft nur zwei bis drei Stunden Schlaf am Stück - das alles führt dazu, dass viele bei dem Gedanken an Romantik oft nur müde lächeln kann. Aber irgendwann schleicht sich dann doch der Gedanke in den Kopf - was ist eigentlich mit Sex? Dürfen wir jetzt schon wieder?
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Dann wenn beide es wollen und wenn die Geburtsverletzungen abgeheilt sind. Letzteres ist meist zwei bis drei Wochen nach der Entbindung der Fall. Manche haben schon vierzehn Tage nach der Geburt wieder Lust, andere wollen einfach nur schlafen, auch wenn das Baby schon drei Monate alt ist. Beides ist normal. "Die meisten beginnen vier bis sechs Wochen nach der Geburt wieder mit Sex, wobei Berührungen und Zärtlichkeiten natürlich auch dazu gehören", sagt Dr. Christine Klapp, Oberärztin an der Klinik für Geburtsmedizin an der Berliner Charité. Mit dem Geschlechtsverkehr warten viele Paare etwa sechs Wochen, bis der Wochenfluss abgeklungen ist. Wer vorher aktiv werden will, sollte ein Kondom benutzen, da die übertragenen Bakterien sonst eine Gebärmutterentzündung auslösen können.
Ist die Angst vor Schmerzen berechtigt?
Sechs Wochen nach der Geburt haben sich Vagina und Gebärmutter in der Regel vollständig zurückgebildet. Treten beim Sex dennoch Schmerzen auf, sollte ein Frauenarzt die Gründe abklären. Oft steckt die Psyche dahinter: Die häufigsten Ursachen sind Verkrampfungen aus Angst vor Schmerzen oder eine trockene Vagina auf Grund der Hormonumstellung. Geduld und Gleitgel können helfen.Und wenn ich einfach nur schlafen will?
Keine Panik schieben, sondern entspannen und sich Zeit lassen. Viel sinnvoller, als sich selbst unter Druck zu setzen, ist es, das neue Familienglück zu genießen. Die Lust wird wieder kommen, bei den einen früher, bei den anderen später. "Es ist völlig normal, dass die ersten Wochen nach der Geburt nichts läuft. Und es ist auch normal, dass der Sex am Anfang nicht sofort wieder so gut ist und so viel Spaß macht wie früher", sagt Ärztin Christine Klapp. Ihrer Erfahrung nach haben die meisten Paare spätestens sechs Monate nach der Geburt wieder eine gute sexuelle Beziehung.
Wie lang ist eine Flaute im Bett normal?
"Der Zeitraum ist nebensächlich. Vielmehr kommt es darauf an, ob einer von beiden Leidensdruck empfindet. Spätestens dann sollte man handeln und offen mit dem Partner sprechen", so die Geburtsmedizinerin. Wie ist die Paarbeziehung? Wie war der Sex vor und in der Schwangerschaft? Auch das spielt eine Rolle. Sexualwissenschaftler Kurt Starke hat in seinen Forschungen herausgefunden: "Je höher die emotionale Qualität des Paares ist, je stärker die Liebe, desto früher und leidenschaftlicher sind die ersten sexuellen Kontakte nach der Entbindung. Je besser und häufiger der Sex vor und auch während der Schwangerschaft war, desto eher wird das alte Sexualleben wird aufgenommen." Auch auf die Rahmenbedingungen kommt es an: "Wenn das Kind ein Wunschkind ist und das Paar sich auf das neue Leben eingestellt hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es bald wieder zu sexueller Aktivität kommt."Wie sieht der Partner die Situation?
Auch Männer sind in der Zeit nach der Geburt erschöpft, nicht nur dann, wenn sie tagsüber früh aufstehen und arbeiten müssen. "Viele sexuelle Probleme in dieser Zeit resultieren aus einer missverständlichen Kommunikation", sagt Christine Klapp. Die Frau ist erschöpft, der Mann lässt sie aus Sensibilität und Rücksicht im Bett in Ruhe, und irgendwann denkt sie dann, er begehre sie nicht mehr. "Dabei wollen die meisten jungen Väter alles dafür tun, damit sich ihre Partnerin wohl fühlt, auch sexuell." Das beste Hilfsmittel: reden. "Ich rate meinen Patienten immer zuerst zu einem offenen Gespräch mit dem Partner. Sonst kann es ganz schnell zu Missverständnissen kommen." Wenn das nicht klappt, kann man auch gemeinsam zum Frauenarzt gehen und sich beraten lassen.
Mein Körper ist anders. Wann bin ich wieder ich?
Eine alte Hebammenweisheit lautet: So lange wie das Baby braucht, um im Bauch zu wachsen, so lange braucht es meistens auch, bis man körperlich wieder in der Ausgangsposition ist. Trotzdem heißt das nicht, dass man in den Monaten nach der Geburt nicht attraktiv für den Partner ist, im Gegenteil. Auch wenn der Bauch noch weich sein mag und noch nicht jedes Schwangerschaftspfund abtrainiert ist: Lust entsteht im Kopf. Wer möglichst entspannt an die Sache herangeht, hat die besten Chancen auf erfüllten Sex. Und wenn die Selbstzweifel immer noch kreisen: dem Partner davon erzählen. Oft entsteht dann Erleichterung auf beiden Seiten.
Der Körper ist das eine. Was ist mir der Psyche?
Wenn Sex nach der Geburt als unpassend oder störend empfunden wird, hat das oft auch damit zu tun, dass Eltern ihre neue Rolle erst annehmen müssen. "Mit einem Vater oder einer Mutter im Bett zu liegen, diese Vorstellung törnt viele eher ab. Und doch ist es für die meisten Menschen lebenslange Realität", so Sexualwissenschaftler Kurt Starke (siehe Interview). Nach der Geburt eines Kindes ändert sich vieles, auch die Wahrnehmung und Gestalt der Partnerschaft.
Bekommen wir unser früheres Sexleben wieder?
Nein. Zumindest in den nächsten Jahren nicht. Mit einem kleinen Kind liebt es sich einfach nicht mehr so spontan wie früher. Lustkiller Nummer eins ist die Müdigkeit, oft sind abends beide kaputt von den Anforderungen des Alltags. Da hilft nur eins: sich als Paar Freiräume schaffen. Am Wochenende den Mittagsschlaf des Kindes für Zärtlichkeiten nutzen. Oma und Opa einspannen und einen Samstag zu zweit im Bett verbringen. Oder sich für Mittwochabend 20.15 Uhr zum Sex auf der Couch verabreden. Klingt merkwürdig und spießig, kann aber effektiv sein.