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Neun Kinder, Hund und Vögel

Lesezeit 3 Minuten

Über drei Jahrzehnte hat ein Filmteam die Kölner Familie Bronnmann begleitet. Eine Dokumentation über Armut mitten in der Wohlstandsgesellschaft.

Neun Kinder hat „Mama General“ großgezogen. Karla Bronnmann ist Kraftzentrum und energetischer Mittelpunkt der Großfamilie. Die Bronnmanns leben auf engstem Raum, dennoch ist auch für Hund und Vögel in der 115 Quadratmeter-Wohnung in Köln-Chorweiler noch Platz.

Über 30 Jahre hat Filmemacher Peter Heller die Kölner Familie begleitet - an sich schon eine bemerkenswerte Herangehensweise und eine Art von TV-Journalismus, wie es ihn nur noch selten gibt. Die Dreharbeiten begannen, als Heller die neue Armut in der Wohlstandsgesellschaft dokumentieren wollte (siehe Interview). „Arm würd ich nicht sagen“ war 1976 der erste von vier Filmen. Es folgten „Arm würd ich nicht sagen oder die Kunst zu leben“ (1986) und „Mama General“ (1998). Bei Letzterem gehörte erstmals Hellers Lebensgefährtin Sylvie Banuls zum Team. Nun wird der vierte und letzte Teil „Mutterjahre“ gezeigt.

Dennoch überrascht es nicht, dass der Lebensalltag der Großfamilie (nicht nur auf die Filmemacher) befremdend wirkt. Fünf Fernseher beherrschen die Freizeit der Familie. Der über die Jahre füllig gewordene Vater Hans zeigt sich gerne im Unterhemd, die Zigarette ist nicht nur ständiger Begleiter, sondern Kultobjekt: Mutter Karla wird mit Zigarette und Feuerzeug begraben, über dem Bett des verstorbenen Bruders Hansi sind zwei Zigaretten liebevoll in einem Aschenbecher drapiert. Drei der Kinder leben auch mit über 30 noch bei den Eltern. Nach dem Tod Karla Bronnmanns übernimmt Tochter Rebecca wie selbstverständlich die Mutterrolle: In der Großfamilie wird Zusammenhalt eben groß geschrieben.

„Es hat schon viel Spaß gemacht. Allerdings kam das Team oft sehr früh. Und sie haben über die Jahre immer dieselben Fragen gestellt“, erzählt Vater Hans Bronnmann zum Abschluss des TV-Projekts. Viel mehr erzählen mag er nicht; die Selbstdarstellung im Rampenlicht ist der Familie trotz allem fremd geblieben.

Rückblicke aus den vergangenen Jahrzehnten machen die Geschehnisse teilweise besser verständlich. So wird auch die herausgehobene Stellung der Mutter klar, der sich abzeichnende große Verlust für die Sippe durch ihren Krebstod verständlich.

Und doch wirft „Mutterjahre“ Fragen auf. Denn eigentlich will man als Zuschauer nun mehr wissen und fragt sich, wie sich die Dinge über die Jahrzehnte entwickelt haben. So steht im letzten Teil der Dokumentation nur noch ein kleiner Teil der Familie im Mittelpunkt - wer die Teile eins bis drei nicht kennt, bleibt auf der Strecke. Hier hätten Wiederholungen der ersten drei Teile gut getan.

Mutterjahre, 3sat, 5. Dezember, 21.15 Uhr, 100 min.