Interview„Dieser Junge sieht ja unmöglich aus“

Ein inniges Verhältnis hat Udo Lielischkies (57) zu Vater Paul Hans(80) und Mutter Ina (82). Er besucht sie regelmäßig. (Foto: Larmann)
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Herr Lielischkies, kommen Sie öfter nach Kommern?
Lielischkies: Ich bin in der Regel ein- bis zweimal im Jahr in Kommern. Meist begleiten mich auch meine Frau Katja (32), die ich in Moskau kennen gelernt hatte, und meine kleine Tochter Julia. Dieses Mal bin ich allerdings alleine gekommen - diese Transatlantikflüge sind ein recht teures Vergnügen.
Sie haben offenbar ein sehr inniges Verhältnis zu Ihren Eltern?
Lielischkies: Absolut. Das war schon immer so. Meine Eltern haben mit viel Toleranz meine diversen Eskapaden begleitet, als ich 18, 19 war und lange Haare hatte.
Vater Paul Hans (80): Das sind die kleinen Sorgen, die alle Eltern mit den heranwachsenden Kindern haben.
Lielischkies: Die Bekannten meiner Eltern waren durchaus saturierte Mittelständler und Bundeswehr-Offiziere. Mein Vater war Exportchef bei einer Münchner Firma, die Sterilisatoren für Krankenhäuser herstellte. Deshalb war er auch viel im Ausland, lustigerweise auch in Russland. Wenn hier in Kommern öfter Delegationen russischer Geschäftspartner aufmarschierten, war das immer sehr exotisch für mich.
Haben Sie sich auf Demonstrationen auch mit Polizisten geschlagen?
Vater: Ich glaub, das hast du nie gemacht.
Lielischkies: Wir haben das mehr intellektuell abgearbeitet. Ich fand es toll, dass meine Eltern dafür sorgten, dass ich mit eher konservativen Bekannten wie Ärzten und Berufsoffizieren diskutieren konnte.
Haben die nicht oft über den aufsässigen Sohn die Nase gerümpft?
Vater: Ja, sicher. Vor allen Dingen auch über das Äußere. Das war ja ganz schlimm. Wenn nachmittags Kaffeeklatsch bei einigen Damen war, hieß es: „Da ist ja ein Junge, der sieht ja unmöglich aus.“ Er hatte so einen schwarzen lackledernen Mantel an und trug Haare bis auf die Schultern. Dann wurde immer ein bisschen rumgedruckst: „Das war ja Ihr Sohn!“ Wir haben manchen Abend lange, lange mit Udo bis in die Nacht diskutiert.
Lielischkies: Auf fröhlich familiären Niveau und ohne uns in die Wolle zu kriegen!
War das nicht ein gutes Training für den Journalistenberuf?
Sicher! Ich habe sehr früh meine Positionen verteidigen müssen und das wohl auch ziemlich wortgewaltig getan, da ich immer einer Übermacht von acht bis zehn Leuten gegenübersaß, die durch die Bank eher konservativ dachten. Danach fuhr ich nach Köln in meine Wohngemeinschaft. Das waren dann ganz linke Leute, und für die war ich wiederum, weil ich Tennisschläger herumliegen hatte, automatisch der Klassenfeind. Dann habe ich mich dort den orthodox-linken Positionen widersetzt und den Advocatus Diaboli gespielt.
Wieso war die Familie eigentlich von Köln nach Kommern gezogen?
Vater: Wir haben damals gesagt: „Wir müssen irgendwas machen, damit die Kinder rauskommen.“ Dann haben wir uns in Kommern Fertighäuser angesehen und dieses, in dem wir uns gerade unterhalten, erworben.
Gab es in Ihrer Kindheit etwas, was auf ihren späteren Journalistenberuf hindeutete?
Lielischkies: Schon im Alter von neun, zehn Jahren habe ich gerne gelesen. Damals haben meine Eltern mich mit Unmengen von spannenden Taschenbüchern versorgt, die in der Regel in abenteuerlichen Ländern spielten. Das hat mein Fernweh gekitzelt und mein Sprachgefühl gestärkt.
Und wann kam es zum Umzug von Köln nach Kommern?
Lielischkies: Ich war zwölf, als wir 1965 hier hinzogen, und bin in der Großstadt aufgewachsen. Für mich war das Leben hier zuerst ein Kulturschock. Ich ging auf das Mechernicher Gymnasium, das damals noch in dem alten Gemeindehaus residierte.
Mutter Ina Lielischkies, (82): Er hatte Schwierigkeiten, weil er in Köln kein Französisch gehabt hatte.
Vater: Das Gymnasium war neusprachlich, in Köln war er aber in ein altsprachliches humanistisches Gymnasium gegangen.
Mutter: Und du hast das aber geschafft, ohne eine Klasse zu wiederholen.
Sie sind also sprachbegabt?
Lielischkies: Ich glaube schon, ja. Damals hätte mir mein Französischlehrer allerdings hart widersprochen, ich bin nämlich meist nur knapp an einer Fünf vorbeigekommen.
Mutter: Nach dem Abitur bist du allein mit deiner Ente durch Frankreich gefahren und hast eine junge Frau als Anhalterin mitgenommen, die Journalistin war.
Lielischkies: Aha. Das hab ich vergessen.
Mutter: Mit der bist du ein paar Tage rumgefahren und kamst nach Hause und sagtest: „Ich glaube, ich weiß, was ich werden will: Journalist!“
Lielischkies: Sag bloß!
Mutter: Wir dachten, er hat halt mal wieder was Neues entdeckt. Doch du hast das später wahrgemacht.
Am besten lernt man Sprachen ja im Ausland.
Lielischkies: Wenn man dort eine Freundin hat, beflügelt das die Lernkurve enorm. So war das auch in Paris, wo ich ein halbes Jahr lebte. Als diese Freundin dann weg war, habe ich beschlossen, in Paris neben dem Studium auch als Tennislehrer zu arbeiten, um meine Depressionen zu lindern. Das hat der Sprache ebenfalls gutgetan.
Wie bitte, Sie sind Tennislehrer?
Lielischkies: Ich bin sogar staatlich geprüfter Tennislehrer. Tennislehrer Rudi Graf hatte mich im Verein Blau-Gold Kommern als Lehrling angenommen. Unter seiner Anweisung konnte ich Trainingsstunden geben und musste dann mehrmals nach München zu Wochenendkursen fahren. Damals war ich 18. Es waren ziemlich schwierige Prüfungen. Aber ich musste irgendwie mein Studium finanzieren und man bekam 25 Mark pro Trainerstunde. Damit konnte ich später auch in Frankreich, in Paris, überleben. Danach war ich sogar ein halbes Jahr Tennislehrer auf den kanarischen Inseln.
Frankreich scheint Ihnen zu gefallen: Sie sind schon mit 17, gleich nach dem Abitur, dorthin gefahren.
Lielischkies: Ja, ich war so begeistert, dass ich ganz vergessen hatte, meinen Wehrdienst zu verweigern. Dann kam ich wieder, und die Einberufung kam. Zur Strafe musste ich zur Grundausbildung, habe aber dann verweigert und den Zivildienst in Euskirchen angetreten. Morgens bin ich mit meiner kleinen Ente ins Marien-Hospital gefahren. Danach habe ich beim „Kölner Stadtanzeiger“ angeklopft und zwei Jahre als freier Mitarbeiter gearbeitet.
Und dann begann Ihre steile journalistische Karriere beim WDR (s. Kasten). Haben Sie noch Kontakte in die Eifel?
Lielischkies: Ich habe immer noch ein paar Bekannte aus alten Zeiten, aus dem Tennisclub, aus der Schulzeit. Mit Josef Scheidtweiler, einem alten Klassenkamerad, der inzwischen als Rechtsanwalt arbeitet, treffe ich mich regelmäßig auf einen Kaffee.
Könnten Sie sich vorstellen, nach Ihrer Pensionierung wieder zurück in die Eifel zu kommen?
Lielischkies: Ja, das ist eine spannende Frage, wo ich eigentlich hingehöre. Ob ich in Moskau, wo meine Frau herkommt, alt werden möchte? Das glaube ich eher nicht. Köln wäre wohl, pragmatisch betrachtet, die wahrscheinlichste Alternative.