Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Heiraten? Ich? Niemals!“

Lesezeit 4 Minuten

Antje Limbrock (l) unterrichtet Schülerinnen im Nähen.

Kochen, Putzen, Waschen, Kinder wickeln, von früh bis spät auf Trab für die Familie sein: „Die Bräuteschule“ in der ARD passt genau in eine gesellschaftliche Debatte, die „alte“ Werte und Tugenden wieder stärker in den Vordergrund stellt. Kopfnoten in den Schulen, Benimmkurse für Kinder - und jetzt das. Kritiker befürchten die romantische Rückbesinnung auf ein antiquiertes Frauenbild, Befürworter finden, dass uns - nicht nur den Frauen - ein bisschen Professionalität in der Haushaltsführung und ein bisschen Selbstdisziplin eigentlich nicht schaden könnten.

„Heiraten? Niemals!“ Obwohl Sandrin Mohn seit mittlerweile fünf Jahren mit ihrem Freund zusammen ist, hat sie noch keinen Gedanken an eine Hochzeit verschwendet - und schließt das auch für die Zukunft aus: „Warum auch, wir sind doch auch so glücklich." Dass die 24-Jährige mit dieser Einstellung das zentrale Ziel jener „Bräuteschule 1958“ negiert, die sie soeben für die Dauer von sechs Wochen besucht hat, lässt sie kalt. Gemeinsam mit neun Mitstreiterinnen hatte Sandrin die Gegenwart verlassen, um als Darstellerin in der ARD-Vorabendserie zu lernen, was zu Adenauers Zeiten von jungen Frauen erwartet wurde.

Anstand und Disziplin nämlich, sowie eine perfekte Haushaltsführung - alles zum Wohle des späteren Ehemannes. Für die junge Hessin eine gruselige Vorstellung: „Die Bräuteschule hat mir noch einmal vor Augen gehalten, wie krass sich eigentlich in nur 50 Jahren das Frauenbild verändert hat. Und wie ich finde, nur zum Besseren.“

Während für Sandrin Mohn das Abenteuer „Zucht und Ordnung“ jedoch bereits nach sechs Wochen wieder beendet war, hat Elke Wieczorek ihre komplette Schulzeit in einer ähnlichen Einrichtung verbracht. „Es war in der Tat so, dass die Erzieher viel Wert auf Disziplin und Benimm gelegt haben“, sagt Wieczorek, die heute innerhalb des Deutschen Hausfrauen-Bundes (DHB) dem Landesverband Rheinland vorsteht.

Auch im 21. Jahrhundert halte sie das Beherrschen richtiger Umgangsformen noch für immens wichtig. Wieczorek: „Nur wer eine gewisse Höflichkeit an den Tag legt, kann es im Berufsleben zu etwas bringen.“ Ähnlich sieht es Jörg Henseling, der sowohl im wahren Leben, als auch in der Fernsehserie als Tanzlehrer fungiert. „Natürlich ist niemand verpflichtet, sich an die üblichen Umgangsformen zu halten“, sagt er. „Aber was einem nie erspart bleibt, ist, sich mit den Folgen seines Verhaltens auseinander setzen zu müssen.“ Er jedenfalls habe sich während der Walzer-, Rumba- und Chachacha-Stunden in der Bräuteschule stets bemüht, „ein gutes Vorbild zu sein“. Ein Vorbild in Sachen Haushaltsführung sollten in der ARD-Serie die gestrenge Oberlehrerin Antje Limbrock, die Küchenmeisterin Katja Hack und die Hauswirtschafterin Ellen Dennhoven sein. Und tatsächlich, selbst Sandrin Mohn hat dank der Bräuteschule „Spaß am Kochen, Backen und Nähen“ gefunden und wäre daher bestens in einem der Hauswirtschaftskurse von Elke Wieczorek aufgehoben. „Bei uns geht es nicht nur ums Waschen, Bügeln oder Kochen, sondern auch um Ernährungslehre, Vorratshaltung und Lebensmittelkunde.“ Denn laut der DHB-Frau kann ein gut geplanter Haushalt Arbeitskraft-, Zeit- und vor allem Geldersparnis bedeuten - daran hat sich seit 1958 nichts geändert.

Die Kurse werden dabei mitnichten nur von Frauen besucht. Wieczorek: „Knapp die Hälfte unserer Teilnehmer sind Männer.“ Gerade beim Kochen seien die dann oft lockerer und experimentierfreudiger als die Frauen und hätten weniger Angst davor, dass etwas in die Hose gehen könnte. „Viele Frauen hingegen verspüren immer noch den gesellschaftlichen Druck nach dem Motto ,ich muss das können.“ Auch wenn es Wieczorek natürlich uneingeschränkt begrüßt, dass Frauen heutzutage nicht mehr die Dienstmädchen ihrer Mannes sein wollen, sondern deren gleichgestellte Partnerinnen - an die Zeiten des Wirtschaftswunders erinnert sie sich dennoch gerne. Zum Beispiel daran, dass es - allen Disziplinierungsmaßnahmen zum Trotz - gelang, sich eine gewisse Selbstironie zu erhalten. „Für den Abschluss an unseren Hauswirtschaftsschulen hatten wir nämlich einen passenden Spitznamen gefunden: Wir nannten ihn schlicht und einfach Puddingabitur.“