Heidi Klum nicht anwesendProSieben zeigte GNTM-Finale, das es so noch nie gab
Berlin – Es hat schon viele seltsame Momente gegeben in 15 Jahren „Germany's Next Topmodel“. Doch wer nach der „Hochzeit“ im Finale 2019, bei der nicht nur ein fassungsloser Thomas Gottschalk, sondern auch ein überdimensionales Murmeltier als Trauzeugen anwesend waren, dachte, ProSieben werde da doch sicher keine Schippe mehr drauflegen können, der wird am Donnerstagabend eines Besseren belehrt. Heidi Klums Castingshow hat sich in diesem Jahr - coronabedingt - mit einem Finale verabschiedet, das es so noch nie gab und hoffentlich auch nie wieder geben wird.
Denn obwohl weder Stargäste, noch das Publikum, noch Moderatorin Klum wegen der Corona-Pandemie beim Finale anwesend sein konnten, dachte der Sender gar nicht daran, die Show zu kürzen. Er füllt mehr als geschlagene drei Stunden mit Rückblicken, einer Dauer-Videoschalte zu Klum ins Homeoffice, Tänzern des Berliner Friedrichstadt-Palastes und einem erwachsenen Mann, der sich unerträglich lange von einem Wackel-Auto durchschütteln lässt wie kleine Jungs vorm Supermarkt: Designer Philipp Pleins Auftritt im Leoprint-Cabrio mit Feuerwerk sollte wohl einer der Höhepunkte der Show sein.
Zwischendurch gibt es immer wieder Rückblicke auf die Highlights aus 15 Jahren „GNTM“ und einige der bekanntesten Kandidatinnen wie Nacktmodel Micaela Schäfer oder die als Heulsuse bekannt gewordene Gisele Oppermann sind zu Gast. Warum der Sender diesen Aspekt nicht weiter ausbaut und Kult-Kandidatinnen wie Sarah Knappik und Gina-Lisa Lohfink („Zack die Bohne“), Topmodel Nummer eins, Lena Gercke, oder legendäre Juroren wie Jorge González und Bruce Darnell („Die Handtasche muss lebendig sein“) nicht einmal in den Rückblicks-Einspielern prominent vorkommen lässt, bleibt eins der vielen Geheimnisse dieses seltsamen Abends.
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Zum Gesamtbild passt, dass die Zuschauer durch weiße Pappaufsteller ersetzt sind und das Ganze garniert wird mit penetrantem Applaus vom Band, mit Jubel vom Band, mit Gelächter vom Band und einmal, als Klum aus Los Angeles ganz besonders lasziv in die Kamera schaut, sogar mit einem anerkennenden Pfiff vom Band. Auch auf Twitter macht sich da zeitweise Fassungslosigkeit breit. „Gerüchteweise ist die Werbepause jetzt eingespielt worden, weil der Applausknopf-Praktikant eine Sehnenscheidenentzündung hat“, schreibt dort jemand.
Beim finalen Moment, als die 21 Jahre alte tiermedizinische Fachangestellte Jacky aus der Nähe von Wiesbaden zur Siegerin gekürt wird und Mama und Papa dankt, steht der Bildschirm mit Heidis Konterfei in einem geöffneten Koffer zwischen ihr und der zweitplatzierten Österreicherin Sarah.
Freiwillig das Handtuch geworfen
„Live aus Berlin und Los Angeles“ wird die Show angekündigt, die traditionell steifen und oft zähen Dialoge im Finale, durch das als Heidi-Ersatz vor Ort größtenteils der Fotograf Christian Anwander führt. Eine Überraschung gibt es allerdings nach dem „Personality-Walk“ genannten Laufsteg-Auftritt der ursprünglich vier Finalistinnen, den die jungen Frauen sich selbst ausdenken und für den sie auch die Kostüme aussuchen sollten. Die Studentin Lijana aus Kassel nimmt den nämlich zum Anlass, freiwillig das Handtuch zu werfen.
Die wegen ihres Verhaltens gegenüber ihren Model-Kolleginnen wohl umstrittenste Teilnehmerin der Staffel sagt schon nach rund einer Dreiviertelstunde, sie habe keine Lust mehr auf den Hass, der ihr entgegenschlage. „Ich habe gelitten und war verzweifelt.“ Im Internet und auch in der realen Welt sei sie angefeindet worden. Sie spricht von Mobbing und „Taten gegen mich, gegen meine Familie, sogar gegen meinen Hund“. Ihren Wert könne nur sie selbst bestimmen. „Deswegen verzichte ich auf das Finale.“
Zuvor zeigt sie sich in einem schwarzen Umhang, der mit Schimpfworten wie „Bitch“ beschrieben ist, auf dem Laufsteg. „Du hast definitiv polarisiert diese Staffel, aber was dir passiert ist, geht auf jeden Fall zu weit“, sagt Klum. „Das war ein tapferer Auftritt.“
ProSieben zeigt Anti-Mobbing-Spots
Dass der Auftritt für Klum und Co. vielleicht nicht ganz so überraschend kam wie für das Publikum, lässt sich zumindest vermuten, weil ProSieben in den Werbepausen mehrfach Anti-Mobbing-Spots zeigt und Klum ganz zum Schluss ein Plädoyer hält gegen Hass: „Es passieren so viele Scheiß-Sachen auf der Welt, ich bitte um mehr Toleranz.“
Was sonst noch geschah: Tamara bekommt den „Pesonality Award“, der seit einigen Jahren als Trostpreis im Finale etabliert ist. „Ich feiere einfach everything about you all“, sagt Tamara. „Dänk you“, „Bleibt schön disgusting“ und „Bye, Bitches.“
Und Klum betont irgendwann zwei goldene Reglen für ihre Show: „„Fuck“ sagt man bei „Germany's Next Topmodel“ nicht“ und „Ihr könnt doch jetzt nicht saufen, ihr kennt doch die Reglen.“ Es sind zwei Vorgaben, die nur schwer einzuhalten sind an diesem Abend. (dpa)