GichtKristalle lagern sich in Gelenken ab

Wer Fußbäder liebt, sollte auf die Mischung achten. Haferstroh hilft bei Rheuma und Gicht. (Bild: dpa)
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Der Dicke aber - autsch! mein Bein! - Hat wieder heut das Zipperlein“, dichtete Wilhelm Busch schon im Jahr 1867 in seinem „Neidischen Handwerksburschen“. Noch viel früher, vor mehr als 2000 Jahren, beschrieb der griechische Mediziner Hippokrates das Zipperlein, wie die Gicht einst genannt wurde, als eine erbliche Krankheit, die sich vor allem nach kulinarischen Ausschweifungen bemerkbar macht.
Tatsächlich gilt die Gicht bis heute als eine Wohlstandskrankheit, die meist gut situierte, übergewichtige Personen nach reichlichem Genuss von Fleisch und Alkohol trifft
Die Nieren können keine Harnsäure ausscheiden
Und auch wenn in Kürze zwei neue, hochwirksame Medikamente gegen das Leiden auf den Markt kommen sollten, ist eine gewisse Zurückhaltung bei manchen Lebens- und Genussmitteln für eine erfolgreiche Behandlung der Gicht unerlässlich. „Ohne eine Ernährungsumstellung geht gar nichts“, betonte Andreas Krause, der Ärztliche Direktor der Klinik für Innere Medizin am Immanuel-Krankenhaus in Berlin, auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.
Ursache der Gicht ist eine angeborene Stoffwechselstörung, bei der die Nieren nur eingeschränkt in der Lage sind, Harnsäure auszuscheiden. Dadurch steigt der Harnsäuregehalt im Blut so lange an, bis sich die Substanz schließlich in Form von nadelförmigen Kristallen in Gelenken und Weichteilgeweben ablagert. Bei einem typischen Krankheitsverlauf lösen diese Kristalle zunächst wiederkehrende, akute und extrem schmerzhafte Gelenkentzündungen aus - meist zunächst im Grundgelenk einer Großzehe. Unbehandelt kann die Gicht in eine chronische Arthritis übergehen.
Harnsäure entsteht durch den Abbau von Purinen, das sind Bausteine der Nukleinsäuren, die unter anderem in der Erbsubstanz DNA enthalten sind. Purine werden jedoch auch mit der Nahrung aufgenommen. Als besonders purinreich gelten Innereien, Fleisch und manche Fischsorten (siehe Kasten).
Der Genuss von Alkohol ist bei Gichtpatienten so fatal, weil er die Ausscheidung der Harnsäure über die Niere zusätzlich hemmt. „Wer eine angeborene Schwäche hat, Harnsäure auszuscheiden, und sich dann noch falsch ernährt oder regelmäßig Alkohol trinkt, dessen Harnsäurewerte können leicht auf das 30-fache eines gesunden Menschen ansteigen“, sagt Krause.
Wie die feinen Kristalle quasi über Nacht die schmerzhaften Entzündungen hervorrufen, war lange Zeit unbekannt. Erst in den vergangenen Jahren ist man dem Entstehungsmechanismus auf die Schliche gekommen. Demnach stoßen Immunzellen, die mit den Kristallen in Kontakt geraten, in den Gelenken einen Prozess an, bei dem der entzündungsfördernde Botenstoff Interleukin-1-beta in hohen Mengen freigesetzt wird. Die Folge: Das Gelenk rötet sich, schwillt an, schmerzt und ist extrem berührungsempfindlich.
Meist dauert ein solcher Entzündungsschub etwa drei Tage. Derzeit wird die akute Entzündung meist mit Kortisonpräparaten oder kortisonfreien, sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie beispielsweise Diclofenac behandelt. „Nicht alle Patienten sprechen jedoch auf diese bewährten und preiswerten Arzneimittel an“, sagt Krause. Für sie und für Patienten, die die herkömmlichen Mittel wegen eines Nierenschadens nicht erhalten dürfen, soll es künftig zwei neue Medikamente geben: Anakinra des Herstellers Amgen und Canakinumab von Novartis.
Beide werden ins Gelenk gespritzt und richten sich dort direkt gegen Interleukin-1-beta. Anakinra, ein auch in der Natur vorkommender Hemmstoff von Interleukin-1-beta, wurde ursprünglich für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis entwickelt. Canakinumab, ein monoklonaler Antikörper, kommt derzeit bei der Therapie des Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndroms (CAPS), einer seltenen Autoimmunerkrankung von Kindern, zum Einsatz. „Noch sind beide Medikamente nicht für die Behandlung der Gicht zugelassen“, sagt Krause, „doch die bisherigen Studienergebnisse sind sehr vielversprechend.“ Der Mediziner ist überzeugt, dass die beiden neuen Wirkstoffe, wären sie günstiger, die alten sehr bald ablösen würden: „Sie wirken besser und haben weniger Nebenwirkungen“, sagt er.
Der Patient muss in der Therapie mitarbeiten
Vergangenes Jahr neu auf den Markt gekommen ist auch der Wirkstoff Febuxostat. Er hemmt im Körper die Bildung der Harnsäure und kommt daher in der Dauertherapie der Gicht zum Einsatz, die verhindern soll, dass die Krankheit chronisch wird. „Mit Febuxostat gibt es erstmals eine Alternative zu Allopurinol, das den Harnsäurespiegel ebenfalls senkt, von vielen Patienten aber nicht gut vertragen und dann oft eigenmächtig wieder abgesetzt wird“, sagt Krause. Überhaupt sei die mangelnde Mitarbeit der Patienten ein großes Problem in der Gichttherapie: „Wer schon ein paar Tage nach der Attacke vergisst, seine Medikamente einzunehmen, und Fleisch und Alkohol wieder freudig zuspricht, darf sich nicht wundern, wenn der nächste Schub schon bald bevorsteht“, so Krause.