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Ein kleiner Paternoster im Küchenschrank

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NETTERSHEIM. Auch im Alter nicht auf durchdachten Wohnkomfort verzichten müssen? Trotz Behinderung die persönliche Eigenständigkeit und damit Lebensqualität bewahren? Wie das möglich ist, darauf geben die Tischler im Kreis Euskirchen jetzt Antworten. Am heutigen Dienstag wird um 16 Uhr im Nettersheimer Holzkompetenzzentrum die Ausstellung „Wohnen ohne Barrieren“ eröffnet.

„Wohnungen sind heutzutage nicht behindertengerecht und auch nicht auf die altersbedingte Veränderung des Menschen eingerichtet“, erklärt Ralf Bickert vom Fachverband des Tischlerhandwerks Nordrhein-Westfalen.

Paul Reiner Züll, Obermeister der Tischlerinnung Euskirchen, zeigte sich von den vielen Angeboten, die ausgestellt werden, beeindruckt. „Wir wollen eine große Lücke schließen“, sagte er. Raum- und Einrichtungsbeispiele, in Modulen beliebig erweiterbar, zeigen, dass es in modernen Wohnungen auch anders geht. Dafür sorgen die gezielte Anordnung von Möbeln im Raum, spezifische Merkmale bei Greifhöhen und -tiefen oder technische Hilfsmittel. So können zum Beispiel in der Küche die Arbeitsflächen sowohl unterfahrbar als auch in ihrer Höhe einstellbar gestaltet werden. Auch persönliche Einstellmöglichkeiten der Küchenschränke bieten optimale Steh- und Arbeitshöhen für den individuellen Bedarf.

Egal, ob es ein elektrisch verstellbares Waschbecken ist, ein Schrank mit integriertem Paternoster, eine Haustür, die sich per Fernbedingung öffnen lässt, ein verstellbarer Küchenherd oder der Schreibtisch, der per Knopfdruck „mit wächst“ - die Entwickler scheinen an alles gedacht zu haben. „Während der Entwicklung sprechen wir mit behinderten Menschen, die uns ihre Erfahrungen aus dem alltäglichen Leben mitteilen. Diese werden in die Tat umgesetzt und bei der Herstellung beachtet. Häufig liegen die Erleichterungen im Detail, sind zum Teil auch nachträglich in ein Haus zu integrieren“, erklärt Züll.

Gleichzeitig bildet die Veranstaltung den Auftakt einer landesweiten Initiative des Tischlerhandwerks in Zusammenarbeit mit der Firma Häfele, einem Anbieter von Möbel-und Baubeschlägen sowie elektrischer Schließtechnik.

Herkömmliche Wohnungszugänge und -einrichtungen stellen im Alltag oft unüberwindliche Hürden dar. Solche Wohnungen bieten nicht nur geringen Komfort, sondern bergen durchaus auch Unfallrisiken für die Bewohner.

Der Umbau zur „barrierefreien“ Wohnung erfordert daher besonderes Know-how. Den geeigneten Partner mit der Fachkompetenz in diesem Bereich sollen Bauinteressierte künftig am geschützten Qualitätszeichen „Fachbetrieb für barrierefreies und komfortables Wohnen“ erkennen. Tragen dürfen das Zeichen nur Unternehmen, die die fachlichen Voraussetzungen erfüllen, an einer Schulung des Tischlerverbands teilgenommen haben und sich zur jährlichen Weiterbildung verpflichten. „Ein derzeitiges Qualifizierungskonzept ist für uns eine zwingende Voraussetzung, wenn das Siegel in der Öffentlichkeit Vertrauen schaffen soll“, hebt Züll hervor.

Im Kreis Euskirchen wurden in den letzten Wochen neun Betriebe geschult. An drei Tagen erarbeiteten sie sich das zusätzliche Wissen unter anderem über Problembereiche, Normanforderungen, Techniken und auch Finanzierungsmöglichkeiten.

„Da Lösungen von der Stange nahezu vollständig ausscheiden, ist das regionale Handwerk in besonderer Weise gefordert, die individuellen Wünsche der älteren und behinderten Mitbürger zu erfüllen“, so Bickert.