Die letzte Nacht im Lenz
GEMÜND. Traurige Männer am Karfreitagmorgen, betretene Mienen Samstagnacht: Wehmütig wehte der Phil Collins-Titel I can't stop lovin' you durch den Raum. Rien ne va plus - Lenz die Letzte hieß es am Wochenende im Gemünder Silentium, der Diskothek, die eine ganze Epoche für viele Eifeler und sogar Kölner Treffpunkt war.
27 Jahre lang schmiss Bernd Bogell Hövel den Laden in der Dreiborner Straße in der ersten Etage. Auf die richtige Mischung kam es an, hierin liegt wohl der Lenz-Erfolg begründet. Die Mucke, die im Lenz abgeht, stimmt einfach, das ist alles.
Bogell hat für den korrekten Mix aus Oldies und angesagten Hits schlichtweg die richtige Hand. Steht der 50-Jährige an der Plattenbude, dann kommen Alt und Jung, Grau und Blond auf ihre Kosten.
Am Samstagabend, dem definitiv letzten Lenz-Abend in der Gemünder Fußgängerzone überhaupt, war das Lenz schon gegen kurz vor 23 Uhr rappelvoll. Discolichter schwirrten über die Köpfe hinweg. Night fever, night fever drang es aus den Boxen.
Um Mitternacht standen die Lenz-Fans vor ihrer Disco Schlange. Wir raffen das erst, meint die 19-jährige Lisa Schäfer aus Gemünd, wenn wir kommendes Wochenende da stehen und denken: wohin? Das Lenz war gut gelegen, mitten in Gemünd, ohne Fahrerei hatte wir beste Möglichkeiten.
Jens Lorbach aus Oberhausen besuchte seit fünf Jahren fast jedes Wochenende die In-Disco. Der 22-Jährige meint: Was ich jetzt denke? Ja, schei...! Hier hat man immer Leute getroffen, besonders am 23. Dezember kam alles und jeder. Den Heimweg - rund zehn Kilometer bis Oberhausen - legte Jens Lorbach nicht selten zu Fuß zurück. Diesen Weg wird er vermissen. Manchmal gingen wir nach langer Nacht auch gleich ins Gemünder Freibad, erinnert sich der junge Mann.
Die Kultabende
waren ein Muss
Rebecca Coldwitz (21 Jahre) aus Gemünd schätzt die Offenheit und Toleranz, die im Lenz vorherrschte. Die Kultabende - für alle Generationen einfach ein Muss. Man konnte hier immer abrocken, auch wenn die Tanzfläche klein war. Der letzte Kultabend ging Donnerstagabend über die Bühne. Tränen liefen manchem Besucher nach langer Nacht über die Wangen.
Bogell bat am Samstagabend seine Gäste: Bitte lasst' mir die Sachen hier. Wir wollen an anderer Stelle weitermachen. Mit allem rechnete Bogell, als es um die Schließung seiner Discothek ging, aber eines überwältigte ihn: Ich hätte nie gedacht, soviel Zuspruch zu erfahren. An welcher Stelle es weitergehen wird, teilen wir bald mit.
Bogells Freundin Anne Fidder erinnert sich an ihr erstes Mal im Lenz. Ich hatte gerade meine Diskothek in Köln verkauft und war für meinen Sohn Luca aufs Land nach Sötenich gezogen. Das war vor neun Jahren. Ich vermisste Köln damals so sehr, es war der Hammer. Ich lebte das Hausfrau- und Mutterdasein, doch ich war am Ende. Freunde erzählten mir, dass es in Gemünd einen Club namens Silentium gebe und luden mich vor siebeneinhalb Jahren ein. Wir fuhren nach Gemünd, zahlten Eintritt, ich schob den dicken Türvorhang beiseite, hörte die Musik, sah den Bernd und wusste: Das ist es. Bernd und ich - wir philosophierten die ganze Nacht.
Die 46-Jährige versichert: Es wird weiter gehen. Wir werden etwas Neues machen, das wird der Hammer. Wir brauchen aber erst eine kreative Schaffenspause und ein bisschen Zeit. Um Ruhe zu finden, schenkte Anne ihrem Bogell vor kurzem einen kleinen Schäferhund namens Jack.
Mit Titeln wie Mister Jones von den Counting Crows gingen dann bei Tagesanbruch im Lenz endgültig die Lampen aus.