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Chef-Einkäufer bei AldiWie der Wein in die Regale kommt

Lesezeit 4 Minuten
23,1 Liter Wein und Schaumwein trinkt der Deutsche durchschnittlich pro Jahr.

ARCHIV - 23.03.2017, Nordrhein-Westfalen, Mülheim an der Ruhr: ILLUSTRATION - Ein Mann nimmt in einer Filiale von Aldi Süd eine Flasche Weißen Burgunder aus einem Weinregal. Der Discounter ist einer der größten Weinhändler Deutschlands. (Zu dpa 'Nielsen: Deutsche geben Milliarden für Wein aus') Foto: Bernd Thissen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der Hattinger Patrick Donath ist Chefeinkäufer bei Aldi Süd. Der Discounter verkauft hierzulande jede vierte Flasche Wein.

Wenn Patrick Donath das Glas geübt schwenkt, seine Nase in den Rosé hält und schließlich einen guten Schluck trinkt, kann man sich auf sein Urteil durchaus verlassen. Denn der gebürtige Hattinger ist nicht nur Chef-Einkäufer für alkoholische Getränke bei Aldi Süd, sondern auch studierter Wein-Betriebswirt.

Auch dank seiner Expertise darf sich der Discounter aus Mülheim inzwischen „Weinhändler Nr. 1“ nennen. Aldi ist ohnehin eine Größe im deutschen Einzelhandel. Aldi Süd in Mülheim und Nord in Essen sind zusammen nicht nur der größte Discounter im Lande, der bei Preisrunden meist die Nase vorn hat. Aldi ist inzwischen auch der größte Bio-Händler der Republik – und ein Riese im immer bedeutender werdenden Wein-Geschäft. Jede vierte Flasche Wein in Deutschland wird inzwischen in einer der mehr als 4200 Filialen der beiden Ketten gekauft.

Konkrete Zahlen nennt Aldi traditionell nicht. Das Potenzial lässt sich aber benennen: Obwohl der Weinkonsum nach Berechnungen des Deutschen Weininstituts zuletzt um rund eine Flasche pro Jahr und Kopf zurückgegangen ist, trinken die rund 83 Millionen Einwohner im Schnitt 23,1 Liter Wein und Schaumwein. Das Marktvolumen wird auf gut 15 Milliarden Euro geschätzt. Zuletzt flossen in Deutschland jährlich 1,7 Milliarden Liter Wein durch die Kehlen. Davon wurden nach Angaben von Weininstitut-Sprecher Ernst Büscher rund eine Milliarde Liter über den Lebensmittel-Einzelhandel verkauft. „Das macht also rund 1,2 Milliarden Flaschen“, hat der Experte überschlagen.

Beim Weinkauf sind die Kundinnen und Kunden besonders preissensibel. Im Zusammenhang mit der steigenden Inflation gibt es schon eine gewisse Kaufzurückhaltung. Man verzichtet am ehesten auf Genussmittel.
Patrick Donath, Wein-Betriebswirt

Davon hat sich Aldi nach eigenen Angaben ein Viertel gesichert. „Wein ist ein wichtiger Bestandteil des Aldi-Süd-Sortiments. Wir sind in unserem Vertriebsgebiet Weinhändler Nummer eins und möchten auch weiter als verlässlicher Anbieter hochwertiger Weine zu besten Preisen wahrgenommen werden“, unterstreicht Einkaufschef Donath die Bedeutung des Weinregals beim Discounter. 100 Weine hat Aldi Süd dauerhaft im Programm, rund 140 sind „im Aktionssortiment mit gewissen regionalen und saisonalen Unterschieden“. Die günstigste Flasche im permanent verfügbaren Standardsortiment ist ein lieblicher Rosé aus Nordmazedonien für 1,69 Euro, die teuerste ein Lugana vom Gardasee für 7,99 Euro.

„Wein trinkt man oftmals anlassbezogen. Zu Weihnachten und Ostern sind die Menschen bereit, dafür mehr Geld auszugeben und fordern dies auch aktiv ein“, weiß Donath. Deshalb stehen im Vorfeld von Festtagen auch edlere Tropfen in den Regalen von Aldi Süd. Dann ist auch schon mal ein Medoc für knapp unter 20 Euro beim Mülheimer Discounter zu haben. Ohnehin gilt das Verkaufsgebiet von Aldi Süd südlich der Ruhr als das mit der größeren Kaufkraft. Das macht sich auch im Weinangebot bemerkbar. Wegen der rasanten Inflation, die mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine vor gut einem Jahr nicht zu Ende gehen will, spüren die Discounter zwar Aufwind. Aber nicht in allen Sortimenten.

„Beim Weinkauf sind die Kundinnen und Kunden besonders preissensibel. Im Zusammenhang mit der steigenden Inflation gibt es schon eine gewisse Kaufzurückhaltung. Man verzichtet am ehesten auf Genussmittel“, berichtet Donath. Dass Aldi Süd trotz steigender Kosten Weine ab 1,69 Euro anbieten kann, erklärt der Chefeinkäufer so: „Bei der Preisgestaltung spielt natürlich die Mengenabnahme eine große Rolle, aber auch der richtige Zeitpunkt, an dem wir Weine einkaufen“, sagt Donath. „Dabei zahlen sich unsere zum Teil sehr langen, freundschaftlichen Partnerschaften mit den Winzern aus.“

Auch namhafte Winzer beliefern Discounter

Also drückt auch beim Wein die Marktmacht Aldis die Preise. Dabei zählen zu den Lieferanten des Mülheimer Discounters auch namhafte Winzer wie Johannes Leitz (Rheingau), Fritz Keller (Baden) und Julia Lergenmüller (Pfalz). Während rund 90 Prozent des Aldi-Sortiments Eigenmarken sind, auf deren Zusammensetzung und Qualität das Unternehmen aktiv Einfluss nehmen kann, ist das beim Wein schwierig.

„Wein ist ein Naturprodukt, deshalb lassen sich vorgegebene Rezepturen schlecht umsetzen“, betont Donath. „In Abstimmung mit unseren Lieferanten setzen wir aber sensorische Benchmarks, die wir für unsere Produkte erreichen möchten.“ Dafür probieren der Einkaufschef und sein Team nicht nur viele, viele Weine. Sie bereisen auch die Anbaugebiete, um sich vor Ort ein Bild zu machen. „Wir achten hier besonders auf strenge Zertifizierungen“, sagt Donath. Dabei hat der gebürtige Hattinger nicht nur die ökonomische Seite des Weineinkaufs im Blick. In Heilbronn hat er Wein-Betriebswirtschaft studiert und kennt seither das Winzergeschäft auch von innen.

Dabei bezeichnet sich Donath selbst als „totalen Seiteneinsteiger“. Das Berufsfeld Wein habe er nach dem Abitur eher zufällig für sich entdeckt. Jetzt, vor Ostern, zieht die Nachfrage nach guten Tropfen wieder an. Ein Produkt geht beim Discounter aber das ganze Jahr über. „Aldi hat den Champagner vor vielen Jahren demokratisiert und für alle Menschen in Deutschland erschwinglich gemacht“, sagt Donath. Der Veuve Monsigny für 13,99 Euro gilt als Verkaufsschlager. „Ähnliches passiert auch beim Wein“, erzählt der Einkaufschef. „Wir sehen viele Kundinnen und Kunden, die bei uns erstmalig mit dem Thema Wein in Berührung und dann auf den Geschmack kommen.“