Als das Kino die Prüderie vertrieb

Die Hauptdarsteller Uschi Glas (r.) und Werner Enke mit Regisseurin May Spils (M.) bei Dreharbeiten zu einer Bettszene für den Film "Zur Sache Schätzchen" Darin sorgte Uschi Glas 1968 für Aufsehen, als sie sich als hübsche Barbara in einer Münchner Polizeistation ihres Sommerkleidchens entledigte.
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München - Aus heutiger Sicht mögen seine Aufklärungsfilme harmlos und fast kurios wirken, aber in den prüden 1960er Jahren sorgte der Journalist Oswalt Kolle mit Streifen wie „Deine Frau, das unbekannte Wesen“ oder „Zum Beispiel: Ehebruch“ für Furore. Kolle wurde schnell zur Symbolfigur der sexuellen Aufklärung in Deutschland, weltweit sollen mehr als 100 Millionen Menschen seine Filme gesehen haben.
Vor vierzig Jahren, im Februar 1968, feierte Kolles erster Aufklärungsfilm „Das Wunder der Liebe - Sexualität in der Ehe“ seine Premiere in deutschen Kinos und mauserte sich schnell zum Kassenschlager.
Aufregung bei der Münchner Polizei
Aber auch im Bereich des Spielfilms waren die Tage der Prüderie endgültig gezählt. Mit ihrem Auftritt im weißen Mieder schrieb Uschi Glas Filmgeschichte. In der vergnüglich-melancholischen Sommerkomödie „Zur Sache, Schätzchen“ sorgte die Schauspielerin 1968 für Aufsehen, als sie sich als hübsche Barbara in einer Münchner Polizeistation ihres Sommerkleidchens entledigte.
Mit dem aufregenden Striptease wollte sie ihrem neuen Bekannten Martin (Werner Enke) helfen, der sich sein träges Gammelleben mit dem Dichten von Schlagertexten finanzierte und als Zeuge eines Einbruchs selbst ins Visier der Beamten geraten war.
Vor 40 Jahren feierte der Film der jungen Regisseurin May Spils im Kino Erfolge - und Uschi Glas wurde von der noch unbekannten Darstellerin aus Karl-May-Filmen zum „Schätzchen der Nation“. Berühmt machten den Film auch die Sprüche des müde-melancholischen Martin, der die Staatsgewalt mit subversiver Lethargie untergräbt. „Es wird böse enden“, war sein Dauercredo, und auch der Filmtitel entstammte seiner Feder. „Mach keine Mätzchen, komm zur Sache, Schätzchen“, dichtete Martin für einen seiner Schlager.
Eigentlich sollte der Film „Der Gaffler“ heißen, erinnert sich Produzent Peter Schamoni. Noch heute ist er froh, dass sich nicht die Kombination aus „Gammler“ und „Fummler“, sondern das „Schätzchen“ durchsetzte. „Der Titel war die halbe Miete. Die Leute haben gedacht, da gibt es wer weiß was zu sehen“, sagte er. „Der Witz an dem Film aber war, dass er nichts mit Oswalt Kolle und ,Schulmädchen-Report und Softporno zu tun hat.“
Als der Streifen herauskam, gab es im deutschen Film eine große Bandbreite. Anspruchsvolle Autorenfilme wie „Lebenszeichen“ von Werner Herzog und gruselige Edgar-Wallace-Verfilmungen waren ebenso im Programm wie leichte Spaßfilme mit Heinz Erhardt oder Kolles Aufklärungsfilme. „Zur Sache, Schätzchen“ wollte aber eben gerade kein Sexfilm sein. Stattdessen schildert der Film liebevoll und genau das Lebensgefühl junger Menschen.
Bei manchen kam diese Mischung nicht gut an. Ein Kritiker sah darin gar die „sex- und aufruhrgeschwängerte Fantasie eines geistig Durchfallerkrankten“. Doch die meisten Zuschauer waren begeistert, und Schamoni ist stolz, dass er „die Schwabinger Gammler- und Fummleratmosphäre“ seiner Ansicht nach so gut getroffen hat. „So habe ich viel zur Münchenwerbung beigetragen.“ Viele Menschen hätten sich in die bayerische Hauptstadt aufgemacht, um diese Atmosphäre mitzuerleben.
Außerdem glaubt er, dass er für Generationen-Verständigung gesorgt hat. „Viele ältere Menschen waren damals verschreckt, weil die 1968er-Jugend angeblich alles auf den Kopf stellen wollte“, sagt er. „Doch dann kam dieser skurril antiautoritäre Film und da haben sie gemerkt: Das sind doch ganz liebenswerte Menschen.“