Ärztefehler?Abgebrochene OP-Nadel im Bauch?

Bei einer Operation scheint ein Arzt des Krankenhauses die OP-Nadel vergessen zu haben. (Symbol-Bild: dpa)
Copyright: Lizenz
Bonn – Fünf Jahre lang hatte Bernd D. (Name geändert) Schmerzen im Unterbauch: Anfangs traten sie kurz und phantomartig auf, dann wurden sie immer schlimmer: Der heute 49-jährige Handwerker aus Zülpich holte sich Rat bei Ärzten und in Krankenhäusern, keiner gab ihm einen eindeutigen Befund, und Bernd D. hatte große Angst, schwer erkrankt zu sein: Erst eine Kernspint-Untersuchung kam dem Rätsel näher: Ein ausgedehntes „Metallartefakt im Bereich der Bauchmuskulatur" wurde gesichtet. Ein „Metallfremdkörper" im Bauch des Mannes konnte nicht mehr ausgeschlossen werden. Eine Operation am 24. Oktober 2008 brachte das „Corpus alienum" (Fremdkörper) schließlich ans Licht: Eine abgebrochene OP-Nadel, sichelförmig und zwei Zentimeter lang. Das Gewebe drum herum, so der OP-Bericht, sei schwärzlich verändert und entzündet gewesen.
Die Operationsnadel, so die Schlussfolgerung von Bernd D., sei offenbar fünf Jahre zuvor bei einem Eingriff wegen eines Nabelbruches am 18. September 2003 in einem Krankenhaus im Landgerichtsbezirk Bonn abgebrochen und seither in seinem Körper geblieben. Dieser Vorgang allerdings sei, wie der Patient später recherchierte, in den Operationsunterlagen nicht dokumentiert worden. Das Nichtwissen habe ihm eine monatelange Leidenszeit beschert.
Für Rechtsanwalt Dr. Ludwig Klassen aus Bonn ist das ganz eindeutig ein „grober Behandlungsfehler". Das Krankenhaus wurde deswegen auch angeschrieben; aber dessen Haftpflichtversicherer reagierte mit einer, so Klassen, „unverständlichen Ablehnung": Das Zurücklassen eines Teiles der Operationsnadel stelle keinen Behandlungsfehler dar und das Abreißen und Abbrechen eines Operationsinstrumentes gehöre zu den nicht vollkommen beherrschbaren Risiken.
Bernd D. hat daraufhin beim Landgericht Bonn Klage eingereicht und fordert von dem Krankenhaus und den beiden Ärzten, die ihn operiert hatten, mindestens 8000 Euro Schmerzensgeld sowie Schadensersatz für entfallenen Arbeitslohn.
Der Krankenhaus-Geschäftsführer verwies auf die Klageerwiderung. Darin erklärt das Krankenhaus, dass das „Nadelöhr im Bauchraum“ nicht die Ursache für die Schmerzen des Patienten gewesen sei. Dadurch sei es nicht zu irgendwelchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Kläger gekommen sei: Es habe sich um einen minimalen Materialabbruch gehandelt, den das Krankenhaus nicht vertreten müsse. Auch wird von den Anwälten des Krankenhauses bestritten, dass der Abbruch der OP-Nadel verschwiegen worden sei, vielmehr sei er vom Operateur nicht bemerkt worden.
Rechtsanwalt Ludwig Klassen hält diese Argumentation für „abenteuerlich": Wenn ein Operateur nicht mit geschlossenen Augen operiere, meint er, könne ihm der Materialbruch nicht verborgen bleiben. Und ein besonders gravierenden Fehler sei es, wenn der Abbruch bei der OP bemerkt und nichts unternommen worden sei.
In dem Rechtsstreit haben die Richter der zuständigen Zivilkammer des Bonner Landgerichts zunächst einen Sachverständigen eingeschaltet, der unter anderem klären soll, ob in diesem Fall ein Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst vorliegt.
(Aktenzeichen: LG Bonn 9 O 124 / 09)