1500 UmweltdelikteUndurchsichtig wie ein Schrotthaufen
Köln – Und das ist viel - sehr viel: Über 1500 Umweltdelikte sollen auf das Konto des einstigen Chefs eines Kölner Abfallverwertungsbetriebs und Containerdiensts gehen. Dabei dreht es sich unter anderem um falsch deklarierten Sondermüll, den der 33-Jährige als unbedenklichen Bodenaushub ausgab. Wegen Beihilfe müssen sich Özcan E. (37), Wilfried W. (54) und Volker S. (45) vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts verantworten.
Korkmaz Ö., der im Bergischen geboren wurde, ist ein Schwiegermutter-Typ. Dunkle Augen, schwarze Haare, ein gepflegtes Äußeres. Ein Mann mit Manieren, möchte man meinen. Doch wenn es um krumme Müll-Geschäfte ging, soll er die gute Kinderstube der Anklage zufolge vergessen haben. Allein in 1359 Fällen wird Ö. vorgeworfen, dass er die illegale Entsorgung von großen Mengen anfallenden Materials - im Fachjargon „Siebsand“ oder „Siebunterlauf“ genannt - angeordnet hat. So konnten 2100 Tonnen Siebsand unbemerkt entsorgt und ohne Wissen der Betreiber in Gruben gekippt werden. Dadurch habe Korkmaz Ö. 117 000 Euro gespart, da die Entsorgungskosten für Siebsand im Vergleich zu „normalen“ Aushub um ein Vielfaches teurer sind.
Zudem wird dem Angeklagten Diebstahl in 274 Fällen, 103-mal Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie unerlaubtes Betreiben von Anlagen vorgeworfen. Darüber hinaus muss er sich wegen Untreue in 372 Fällen verantworten: Ö. soll Bareinnahmen aus Metallverkäufen nicht als Firmenvermögen verbucht, sondern für sich behalten haben. Allein dadurch habe er 370 000 Euro erwirtschaftet. Wie zu hören ist, hat Ö. angeblich mehrere hunderttausend Euro in die Türkei transferiert, die in Hotelbauten und weitere Immobilien geflossen seien.
Für Außenstehende war der erste Verhandlungstag so undurchsichtig wie ein riesiger Schrotthaufen. Der Vorsitzende Richter Klaus Bieber, der schon den Kölner Müllprozess leitete, versuchte „lebensnahe Vorstellungen“ vom Geschäftsalltag des Angeklagten zu bekommen. Das Ganze glich einer „Müllfachkunde“: So erklärte der Mitangeklagte Özcan E., „der kluge Kunde“ bestelle einen Bauschutt-Container, da der Baumischcontainer 300 Euro teurer sei.
Im Gegensatz zum Hauptangeklagten äußerten sich gestern Özcan E. und Volker S. zur Sache. Beide waren als Betriebsleiter tätig. Özcan E. erklärte, Ö. habe ihm per Genehmigung gezeigt, dass drei Prozent Fremdmaterialien mit Erdaushub im Tagebau verfüllt werden dürften. „Das war für mich Siebsand.“ Auf Nachfrage erklärte der 37-Jährige, dass aber auch bis zu 90 Prozent Siebsand beigemischt wurden. Volker S. sagte aus, dass viele Transporte im Computer nicht erfasst worden seien. „Im Nachhinein hätte ich mehr nachfragen müssen.“ Als er bemerkte, dass auf dem Firmengelände 1900 statt erlaubter 500 Tonnen Müll lagerten, habe er den Job gekündigt. „Sonst mach ich mich strafbar über beide Ohren.“ Der Prozess wird voraussichtlich bis Juni dauern.