Während Rentnerinnen in Deutschland im Durchschnitt nur 1485 Euro brutto im Monat erhalten, haben Männer mit 2117 Euro deutlich mehr zum Leben.
Weltfrauentag am 8. MärzAltersarmut in Deutschland betrifft noch immer besonders Frauen
Altersarmut in Deutschland ist weiblich. Im Jahr 2021 mussten Rentnerinnen mit durchschnittlich 1485 Euro brutto pro Monat über die Runden kommen. Alters- und Hinterbliebenenrenten, Pensionen und Erträge aus privater Vorsorge mit eingerechnet. Männer hingegen hatten immerhin 2117 Euro brutto im Monat zum Leben, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen.
Finanzberaterin Renate Fritz sieht das kritisch: „2,7 Millionen Frauen sind trotz 40 Jahren Vollzeitarbeit von Altersarmut bedroht.“ Ihr zufolge lägen über 80 Prozent der gesetzlichen Altersrenten von Frauen unter der definierten Armutsgrenze.
Wie kann es sein, dass in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, die Altersarmut bei Frauen so hoch ist? Das Problem fängt schon in der Kindheit an: Mädchen und Jungen bekommen zwar gleich viel Taschengeld, aber: „Jungen bekommen laut einer Studie aus Großbritannien zum Geburtstag oder zu Weihnachten häufiger größere Geldbeträge als Mädchen“, sagt Alexandra Niessen-Ruenzi. Die Wissenschaftlerin untersucht, welche Rolle das Geschlecht beim Thema Geld spielt. „Jungs erhalten für Haushaltstätigkeiten wie Müll runterbringen oder Wäsche waschen auch mehr Geld als Mädchen. Möglicherweise sehen es Eltern bei Jungen als etwas Besonderes an, wenn sie Haushaltstätigkeiten übernehmen.“ Für Deutschland gebe es dazu noch keine Studien.
Mütter wechseln häufig in die Teilzeit
Was aber gesichert ist: „Mit Jungen wird hierzulande häufiger über Geldanlagethemen gesprochen als mit Mädchen.“ Das zeige eine repräsentative Umfrage. Das Problem setzt sich offenbar im Erwerbsalter fort. Laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik verdienen im Schnitt Frauen 18 Prozent weniger als Männer. „Wenn man es ganz genau nimmt, müsste man sagen: Mütter verdienen weniger als Männer. Sobald eine Frau ein Kind bekommen hat, geht die Lohnschere auf“, sagt Niessen-Ruenzi.
Das liege besonders am Wechsel von der Vollzeit- in die Teilzeitbeschäftigung. „Mütter reduzieren häufig ihr Arbeitsangebot, um sich der Kinderbetreuung zu widmen.“ Allerdings arbeiten Frauen ganz generell, ob nun mit oder ohne Kind, häufiger in schlechter bezahlten Berufen, belegen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. „Doch selbst in gleichen Berufen gibt es Lohnunterschiede, auch wenn sie dort kleiner ausfallen.“
Erhebungen zeigen, dass Frauen seltener Gehaltsverhandlungen einfordern. Wenn sie es doch tun, geben sie sich schneller mit geringeren Beträgen zufrieden. Mit einer Ausnahme: Sagt man ihnen vorher, dass sie das Gehalt nicht für sich verhandeln, sondern für ihre Familie und Kinder, treten sie deutlich selbstbewusster auf.
Wenn Frauen denn in Verhandlungen fordernd sind, ist ein Erfolg unwahrscheinlich. Ihr Ehrgeiz wird laut Niessen-Ruenzi eher als unsympathisch und unhöflich wahrgenommen. „Und zwar sowohl von Männern als auch von Frauen. Bei Männern gehört Ehrgeiz einfach zum Rollenverständnis, Frauen hingegen verletzen damit die gesellschaftliche Norm.“ Die nötige Gehaltserhöhung bleibt so aus.
Gerade jene mit geringem Gehalt können weniger Geld zurücklegen. Eine private Altersvorsorge oder ein langfristiges Börseninvestment wird dann aber schwierig. Dabei bräuchten gerade sie im Alter zusätzliche Einnahmen, um ihre mickrige Rente aufzubessern.
Oft fehlt es an Finanzwissen
Wer weniger Geld zur Verfügung hat, scheut den Gang auf das Börsenparkett. Wem es dann auch noch an Finanzwissen mangelt, weiß nicht, dass durch eine langfristige Geldanlage das Risiko eines Investmentverlusts sinkt – und dass schon kleine, angelegte Beträge, die über einen langen Zeitraum klug investiert werden, durchaus Gewinn abwerfen.
„Als Regierung kann ich nicht darauf vertrauen, dass Eltern geschlechtsunabhängig Finanzwissen an ihre Kinder weitergeben. Deswegen muss Finanzbildung ein Teil des Lehrplans in Schulen werden. Da ist die Politik in der Pflicht“, so Niessen-Ruenzi. Tatsächlich haben vor einem Jahr Finanzminister Christian Lindner und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (beide FDP) eine nationale Finanzbildungsstrategie angekündigt. Was genau geplant ist, ist allerdings noch unklar.
„In anderen Länder wie Italien gibt es so etwas schon längst“, kritisiert die Wissenschaftlerin. Das allein wird jedoch nicht reichen. Denn offensichtlich stehen festgefahrene Rollenklischees der finanziellen Teilhabe von Frauen im Weg, die die Finanzbranche seit jeher befeuert: Sie stellt Männer konsequent in den Mittelpunkt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung von Niessen-Ruenzi, für die sie Werbeanzeigen von 1949 bis heute unter die Lupe genommen hat.
Das Ergebnis: Männer werden meist in Businesskleidung, also berufstätig, dargestellt. Wenn Frauen vorkommen, dann leger gekleidet, oft mit Kind auf dem Arm. „Ich erlebe oft, dass Frauen nur für die Kinder Geld anlegen wollen und sich und das Problem Altersarmut vergessen“, sagt Finanzberaterin Renate Fritz. „Sie dürfen nicht die Augen vor der eigenen Altersvorsorge-Situation verschließen.“