Das angegriffene Land ist mittlerweile größter Lieferant der EU. Die Bauern nutzen jedoch Praktiken, die hierzulande verboten sind.
Größter Lieferant der EUWarum Eier aus der Ukraine in der Kritik stehen
Als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel, unterstützte die EU den östlichen Nachbarn nicht nur mit Waffen. In die andere Richtung, in Richtung europäischer Binnenmarkt, wurden die Importregeln gelockert. Das sorgte zuletzt immer wieder für Kritik. Wegen der Einfuhr vermeintlicher Billigprodukte gingen polnische Bauern auf die Barrikaden. Die lettische Regierung beklagte sich bitterlich über den Import von Billig-Eiern.
In Deutschland hielt man sich bislang weitgehend mit Kritik zurück. Mit dem Zentralverband der Geflügelwirtschaft (ZDG) bezieht aber nun ein Agrarverband Stellung. ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke verwies im Gespräch mit unserer Redaktion darauf, dass die Ukraine binnen weniger Monate zum größten Eier-Lieferanten Europas aufgestiegen ist.
Der Blick in die Handelsstatistiken zeigt, dass 2021 insgesamt 8235 Tonnen Eier aus der Ukraine in die EU eingeführt wurden. 2022, im Jahr des Überfalls, waren es schon 26.010 Tonnen. Im vergangenen Jahr verdoppelte sich die Menge noch einmal: Von Januar bis November, aktuellere Zahlen liegen nicht vor, importierte die EU 50.612 Tonnen ukrainische Eier – und damit mehr als aus jedem anderen Land. Platz zwei in der Statistik nimmt Großbritannien mit 11.358 Tonnen ein.
Niedrigerer Produktionsstandard
ZDG-Präsident Ripke sagt zu den Verschiebungen in der Importstatistik: „Das gilt es kritisch zu hinterfragen.“ Bei allen Belastungen für die Ukraine durch den Krieg würden als Folge der Handelslockerungen auch Eier aus Legebatterien oder mit Kükentöten importiert. Beides sei in Deutschland verboten, in der Ukraine aber nicht. Tatsächlich ist bei allem, was öffentlich bekannt ist, der Produktionsstandard für Eier in dem Land niedriger. Das Agrarministerium in Kiew sowie ein ukrainischer Agrarverband ließen Anfragen dazu unbeantwortet.
Allerdings hatte unsere Redaktion bereits in der Vergangenheit über deutsche Exportbürgschaften für Stallsysteme berichtet, die in die Ukraine geliefert werden sollten. Dabei ging es um Käfighaltung, die Hühner in ihrer Bewegung extrem einschränkt. Kritiker hatten für diese Form der Eier-Produktion in der Vergangenheit den Begriff der Legebatterie geprägt. In Deutschland gibt es diese konventionelle Käfighaltung inzwischen nicht mehr, die EU hat sie verboten. Hühner haben hierzulande mehr Platz im Stall. Das jedoch ist wiederum mit höheren Kosten verbunden.
Die niederländische Universität Wageningen rechnete dazu bereits vergangenes Jahr vor, dass in der Ukraine Schaleneier etwa um 19 Prozent billiger produziert werden können als in Europa. Die Wissenschaftler hatten dazu die rechtlichen Grundlagen für Tierhaltung miteinander verglichen.
In Deutschland kommt seit Anfang 2022 noch ein weiterer Faktor hinzu, der die Eier-Produktion teurer macht: das Verbot der routinemäßigen Tötung sogenannter Eintagsküken. Dabei handelt es sich um die „Brüder“ der Legehennen. Produzenten vergasten sie nach dem Schlupf, weil sie keine Eier legen können. Mittlerweile wird das spätere Geschlecht der Tiere bereits im Ei bestimmt. Ein vergleichbares Vorgehen gibt es nicht nur in keinem anderen EU-Land (siehe Kasten), sondern auch nicht in der Ukraine.
Herkunftsnachweis auf Schale und Karton
Bei Schaleneiern in deutschen Supermärkten dürfte das aus Verbrauchersicht kein großes Problem sein. Auf der Schale sowie auf den Kartons ist in der Regel vermerkt, woher die Eier stammen. Auch mit dem Ausstieg aus dem Kükentöten wird nach wie vor groß geworben. Schwieriger ist es indes bei verarbeiteten Eiern in Kuchen oder Nudeln. Hier verschweigen Hersteller oftmals Herkunft und Haltungsbedingungen. Selbiges gilt auch für vorgefärbte Eier, die speziell vor Ostern wieder in vielen Supermärkten zu finden sind.
Die EU-Kommission reagiert mittlerweile auf den Protest der europäischen Bauern. Man will nun den Eier-Import begrenzen. Zölle sollen eingeführt werden, wenn die eingeführten Mengen die entsprechenden Niveaus der Vorjahre überschreiten. Das heißt: Künftig sollen nur noch so viele Eier aus der Ukraine importiert werden dürfen wie im Schnitt der Jahre 2022 und 2023. Also weiterhin deutlich mehr als vor dem Kriegsausbruch.
Wenn Kükentöten mit im Osternest liegt: Verband warnt generell vor Importware
Der Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) appelliert an Verbraucher, beim Ostereier-Kauf generell genau hinzuschauen. Verbandspräsident Friedrich-Otto Ripke sagte unserer Redaktion: „Auch dieses Jahr werden wieder Eier und Ei-Produkte zu Ostern angeboten werden, bei deren Produktion die Brüder der Legehennen getötet worden sind. Leider muss man sagen: Diese Eier werden auch wieder gekauft.“
Ripke rief dazu auf, beim Einkauf nicht am falschen Ende zu sparen. „In Umfragen haben Verbraucher das Kükentöten stets abgelehnt. Jetzt gilt es auch entsprechend einzukaufen. Es gibt keinen Grund mehr, solche Eier zu kaufen, außer dem möglicherweise günstigeren Preis.“ Deutsche Legehennenhalter und Brütereien hätten große Anstrengungen unternommen, das Kükentöten zu beenden, so Ripke.
Seit gut zwei Jahren ist die bis dahin übliche Praxis in Deutschland verboten. Bis dahin wurden jährlich rund 40 Millionen Hähne direkt nach dem Schlupf getötet, weil sich ihre Aufzucht nicht lohnte. Mittlerweile findet in Brütereien eine frühzeitige Geschlechtsbestimmung im Ei statt, Eier mit männlichen Tieren werden so weit vor dem Schlupf aussortiert. Alternativ werden die Hähne aufgezogen und später geschlachtet.
Nicht verboten ist allerdings der Import von Eiern oder Ei-Produkten, für die weiter Küken getötet worden sind. Das gilt auch für vorgefärbte Eier, die zu Ostern vielerorts angeboten werden. Verbandspräsident Ripke rief dazu auf, auf entsprechende Kennzeichnungen in Supermärkten zu achten. „Wo ,Ohne Kükentöten’ draufsteht, ist auch ,Ohne Kükentöten’ drin“, so zum Beispiel bei Eiern mit dem KAT-Logo betont Ripke. Hinter dem Kürzel KAT steckt ein Verein, der den Verbrauchern über eine Chiffre auf dem Ei die Rückverfolgbarkeit bis zum Legehennenbetrieb ermöglicht. So gut wie alle in Kartons verkauften Eier in deutschen Supermärkten kommen aus Betrieben, die am KAT-System teilnehmen.
Ripke zeigte sich optimistisch, dass bald weitere EU-Länder dem Vorbild Deutschlands folgen und das Kükentöten verbieten könnten: „In Frankreich, Österreich, Italien oder den Niederlanden ist eine entsprechende Gesetzgebung angestoßen worden. Ich gehe davon aus, dass das Kükentöten europaweit mittelfristig Geschichte sein wird“, sagte er. (df)