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„Too Much Future“Schau im Düsseldorfer Kunstpalast widmet sich den Problemen der Gegenwart

Lesezeit 4 Minuten
Reihe aus der Figurengruppe „Why can't we live together“ von Iris Kettner.

Reihe aus der Figurengruppe „Why can't we live together“ von Iris Kettner.

Vor vier Jahren schon kuratierte Peters-Messer mit Linda Peitz die Ausstellung „Empört Euch!“, die aufgrund des Corona-Lockdowns nur vier Tage zu sehen war.

Zum Geburtstag gibt’s Geschenke. Normalerweise. Bei Florian Peters-Messer verhält sich das ein bisschen anders. Aus Anlass seines 60. Geburtstages hat der Viersener Sammler mehr als 300 Werke dem Düsseldorfer Kunstpalast geschenkt. „Das fühlte sich an wie Weihnachten“, bekennt Kunstpalast-Chef Felix Krämer.

Kunst als Protest

Bevor einzelne Arbeiten integriert in die ständige Ausstellung des Hauses zu sehen sein werden, gibt es jetzt in „Too Much Future“ mit 90 Werken erstmal einen umfassenden Überblick. Vor vier Jahren schon kuratierte Peters-Messer mit Linda Peitz die Ausstellung „Empört Euch!“, die aufgrund des Corona-Lockdowns nur vier Tage zu sehen war. Seitdem gab es keine Schau zeitgenössischer Kunst mehr im Kunstpalast. Höchste Zeit also.

Warum er sich zu der Schenkung entschlossen habe? „Ich fragte mich, was ich leisten kann mit diesen Werken, die einfach in die Öffentlichkeit drängen, um etwas zu bewegen und zu Diskussionen anzuregen“, sagt der Sammler, der sich auf politische, soziologische und psychologische Positionen fokussiert, die sich kritisch mit Problemen der Gegenwart auseinandersetzen.

Was damit gemeint ist, zeigt schon der erste Saal, der einen Überblick über die fünf Themenräume gibt, die mit „Kunst als Protest“, „Zusammenhalt versus Ausgrenzung“ oder „Originalität und Obsession“ überschrieben sind. Ein garagengroßer Quader, den der Bildhauer Thomas Rentmeister aus Papiertaschentuchverpackungen gebaut hat, dominiert den Raum und übt Kritik am Konsumverhalten.

Gesellschaftspolitischer Auftrag

Fotos des 1987 in Berlin geborenen Paul Hutchinson von Schmetterlingen auf einer in einem See treibenden Plastikflasche oder einer aus einer Quelle trinkenden Frau werden zu Sinnbildern für die Fragilität der Natur. Zwei Räume weiter lässt die 1985 in Tallinn geborene Kris Lemsalu einen Hund aus einem blauen Schlafsack schauen, dem zwei menschliche Hände die Augen zuhalten. Blut tropft dem Tier aus dem Maul. Assoziationen zu Flüchtlingen, Obdachlosen und anderen in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt und dämonisierten Menschen tun sich dabei auf.

Ein starkes, verstörendes Werk, das nicht von ungefähr für das Plakat zur Ausstellung ausgewählt wurde. Kunst hat für Florian Peters-Messer einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Sie soll irritieren, zum Diskurs anregen. Digitalisierung und sexuelle Identität stehen dabei ebenso im Mittelpunkt wie das Migrationsthema oder soziale Ungerechtigkeit. Manches der Werke hat der Sammler 20 Jahre lang selbst nicht gesehen, weil es eingelagert war, wie John Bocks aus einer Performance hervorgegangenen Installation „Die Tiefe“ (2008), die den Charme von Jean Tinguelys Schrottskulpturen verströmt.

Eine Genugtuung muss es sein, wenn Arbeiten wie diese im Museum den Raum und die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen zustehen. Junge Künstler wie die aus Zwickau stammende Henrike Naumann, die in ihrer Installation „Das Reich“ (2000) mit dem Motiv der deutschen Schrank-Wand spielt und ein Wohnzimmer zum Hort gefährlicher nationaler Mythen werden lässt, oder des 1997 in Russland geborenen Alexander Basil, der einen nackten Mann in der Badewanne mit einem Föhnkabel um den Hals gemalt hat, als wolle der vor dem Männlichkeitsbild der Gegenwart entfliehen, dürften vielen Kunstliebhabern noch kein Begriff sein.

Krieg und Konsumgesellschaft

Anders als Erik van Lieshout, Sophie Calle oder Thomas Hirschhorn, denen neben den fünf Themenräumen jeweils ein monografischer Raum gewidmet ist. Zu erkennen durch schwarze Wände. Der größte davon dem 1957 in Bern geborenen Hirschhorn. Wie ein Triumphbogen in der Mitte des Saales tut sich sein drei Meter hoher „Arch“ (2006) auf, der wie eine Pinnwand mit Kommentaren und Fotos von Kriegsopfern zugekleistert ist, die zwischen „News“ und „Fakenews“ nicht unterscheiden.

Geradezu minimalistisch dagegen wirken die Fotos einer Kriegsszene und einer Automesse in Hirschhorns Arbeit „Ficelles No 7“ (1991), die auf braunen Pappkarton geklebt durch eine Schnur verbunden auf die Wechselwirkungen zwischen Krieg überall in der Welt und westlichen Konsumgesellschaften verweisen.

Mit dem vielleicht etwas zu direkten aber deswegen nicht weniger wirkungsvollen Punkslogan „Too Much Future“, den die 1990 in Duisburg geborene Rebekka Benzenberg mit Farbe auf an der Wand hängende Pelzmäntel gesprüht hat, entlässt die Schau den Besucher wieder in den Alltag. Auf dass jeder seine eigenen Schlüsse ziehe. Impulse genug gibt es im Kunstpalast.

Bis 5. Januar, Di bis So 11–18 Uhr, Do 11-21 Uhr, Ehrenhof 4-5, Düsseldorf