Vor der EU-Kandidatur: Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert einen stärkeren Fokus der EU auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik.
Interview mit Strack-Zimmermann„Wir brauchen eine europäische Armee“
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht das Europaparlament als nächsten logischen Schritt für ihre politische Zukunft. Im Gespräch mit Katrin Pribyl fordert sie einheitliche Waffensysteme in der EU und eine europäische Armee.
Sie wollen als Spitzenkandidatin der Freien Demokraten ins EU-Parlament wechseln. Warum zieht es Sie nach Brüssel?
Ich finde den Umzug nach Brüssel als Verteidigungspolitikerin eine logische Konsequenz. Wir werden unseren Kontinent nur schützen können, indem wir verteidigungsfähig werden, und das spielt sich hier in der EU ab. Diese Aufgabe können wir nicht rein national lösen.
Kann die EU überhaupt so viel ausrichten in Sachen Sicherheit und Verteidigung?
Sie muss es. Mir wurde gesagt, dass im Europaparlament ein eigenständiger Verteidigungsausschuss kommen soll. Ich bin der Meinung, dass es auch einen EU-Kommissar dafür geben muss, der die Dinge entsprechend sortiert. Die EU hat nur als Beispiel 14 unterschiedliche Panzer, und das selbe finden wir bei anderen Waffensystemen. Das wird auf Dauer so nicht funktionieren. Angesichts der immensen Bedrohungslage, die immer größer wird, weil alle Diktatoren anfangen der freien Welt gegenüber Stress zu verursachen, müssen wir deutlich stärker zusammenarbeiten, auch im Industriebereich. Das werden die Unternehmen nicht mit Begeisterung lesen und selbstverständlich ist es eine unternehmerische Entscheidung, aber letztendlich wird es für jeden von Vorteil sein, in eine Verteidigungsunion eingebettet zu sein. Das bedeutet weniger Kosten und mehr Effizienz .
Die Debatte wird seit Jahren auf EU-Ebene geführt, ohne dass es voranzugehen scheint.
Die EU hat die Entwicklung verschlafen. Dabei hat es auch mit innerer Sicherheit zu tun, die Außengrenzen zu schützen. Während Donald Trump Präsident war, hat er gedroht, aus der Nato auszutreten. Dann kam mit Joe Biden ein Transatlantiker und alle haben sich wieder entspannt zurückgelehnt. Das dürfte nun vorbei sein, die EU muss mehr tun. Wir sind den 450 Millionen Menschen, die in der EU leben, gegenüber verpflichtet, sie zu schützen.
Was fordern Sie?
Wir brauchen eine europäische Armee. Schauen Sie sich Deutschland und die Niederlande an. Deren Armeen arbeiten eng zusammen. Es wäre eine Blaupause, wie man sukzessive immer enger kooperieren kann. Es geht darum, zügig voranzugehen, Gespräche zu führen, mit Verteidigungspolitikern der Nationen zu reden. Man muss einfach loslegen. Aber es muss aus Brüssel kommen.
Kann man allein mit Sicherheitspolitik Wahlen gewinnen?
Ein Wahlkampf ist natürlich nicht nur monokausal, aber zumindest bekommt dieses Thema eine gewisse Aufmerksamkeit. Ich habe seit zwei Jahren nur mit kriegerischen Auseinandersetzungen zu tun. Mich beschäftigt das sehr. Und klar ist, dass Sicherheit elementar ist für jeden Bereich und die Voraussetzung. Wenn wir in einen Konflikt geraten, dann reden wir nicht mehr über die Themen, über die wir aktuell reden. Das sehen Sie in der Ukraine. Da geht es ums Überleben, die haben zur Zeit sicherlich keine andere Diskussionen.
Die Sorge vor einem Rechtsruck bei der Europawahl ist groß, auch bei Ihnen?
Ja, es baut sich etwas Bedrohliches in Europa auf, aber ich bleibe Optimist. Wir haben gerade erst gesehen, wie viele Menschen gegen Rechts auf die Straße gegangen sind. Es ist total verrückt: Wir schauen den ganzen Tag immer ängstlich auf Bedrohungen, die von ganz rechts oder ganz links kommen. Wir Demokraten sind doch viel mehr. Wir sollten uns auf unsere Stärken besinnen und die laut und deutlich verteidigen. Dazu muss man raus aus der Komfortzone und Haltung zeigen. Ist nicht einfach, aber dringend erforderlich.
Muss dafür auch Europa besser erklärt werden?
Vermutlich. Eine Aufgabe von uns wird sein, auch zwischen den Wahlen in der laufenden Legislatur immer wieder zu erklären, wie Europa funktioniert. Das Gefühl, dass die EU etwas ganz Besonderes, etwas Wunderbares ist, spüren gerade junge Menschen. Wie cool ist es, dass Europa grenzenlos ist, man überall hinreisen und studieren, wenn man möchte, auch leben kann? Ich bin in die Nachkriegszeit geboren und finde das Zusammenwachsen von Europa grandios. Meine Großeltern und meine Eltern haben einen grausamen Weltkrieg erlebt. Jetzt sind wir eine in Frieden lebende Union. Ist das nicht phänomenal?
Was haben Sie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen entgegenzusetzen?
Frau von der Leyen war sechs Jahre lang Verteidigungsministerin. Sie kennt sich in diesem Themenfeld aus. Es kann doch nicht sein, dass sie sich als Kommissionspräsidentin nicht mit europäischer Verteidigung ernsthaft auseinandergesetzt hat.
Was ist Ihre Kritik?
Sie hat allen alles versprochen, damit sie als Kommissionspräsidentin gewählt wird. Diese Liste arbeitet sie gerade ab. Sie hat die Trump-freie-Zeit nicht genutzt, um das Thema gemeinsame Verteidigung auf den Kommissionstisch Tisch zu legen – obwohl Trump während seiner Präsidentschaft immer wieder von einem Nato-Austritt sprach. Also hätte Frau von der Leyen das Thema Sicherheit neben anderen Themen vorantreiben können. Das hat sie leider nicht getan, vermutlich, weil das Thema Waffen nicht gerade positiv besetzt ist. Vielleicht wollte sie ihr Image schonen. Ich habe sie als Verteidigungsministerin erlebt. Sie war in der Sache immer eindeutig, gerade wenn wir in den Krisengebieten auf Reisen waren, um die Bundeswehr zu besuchen. Es wurden immer viele Fotos gemacht, aber sie hat sich grundsätzlich nie ablichten lassen vor Waffensystemen und vor der Industrie einen Riesenbogen gemacht. Sie wollte diese Bilder nicht.
Wie blicken Sie auf Ihren baldigen Wechsel in die EU-Politik?
Spitzenkandidatin meiner Partei zu sein, ist für mich eine wirkliche Ehre. Das hat mir ja keiner gesungen. Im EU-Parlament zu arbeiten bedeutet, sehr groß zu denken, schließlich ist es verantwortlich für 450 Millionen Menschen. Das ist schon krass. Dass ich diese Aufgabe in meinem politischen Leben übernehmen darf, ist für mich eine Herausforderung, eine Freude und ich gebe zu, auch ein Abenteuer. So oder so, ich nehme diese Herausforderung sehr ernst.