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Steigende Kosten erwartetWie teuer wird die Krankenkasse 2025?

Lesezeit 4 Minuten
Krankenkassenkarten von gesetzlichen Krankenkassen liegen in Berlin auf einem Tisch.

Krankenkassenkarten von gesetzlichen Krankenkassen (Symbolbild)

Ausgaben steigen, Rücklagen schrumpfen: Auch in NRW müssen sich Versicherte auf höhere Beiträge einstellen. Doch für das laufende Jahr gibt es Entwarnung.

Eine tröstende Nachricht vorab: Mit höheren Krankenkassenbeiträgen noch in diesem Jahr ist in NRW nicht zu rechnen. Keine der 22 größeren Krankenkassen im Land erklärt auf Anfrage dieser Redaktion, dass sie ihren Zusatzbeitrag noch vor dem Jahreswechsel anheben will. Doch das war es dann auch schon mit den guten Nachrichten – ihre finanzielle Lage beschreiben die gesetzlichen Krankenversicherungen nämlich als extrem angespannt. Die Folgen für die Versicherten sind zum Jahreswechsel absehbar: Allgemein wird mit deutlich höheren Beiträgen gerechnet.

Ausgaben stiegen in nie dagewesener Höhe, heißt es von den Kassen aus NRW, das System stehe unter extremem Druck und Rücklagen schrumpften. Obendrauf kämen immer neue teure Gesetze des Bundes wie etwa die Krankenhausreform, kritisiert etwa die AOK Rheinland/ Hamburg. „Die kostenintensive Gesetzgebung im Gesundheitswesen hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass fast alle gesetzlichen Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge im Jahr 2025 werden anheben müssen“, heißt es da alarmierend.

Rekordverdächtiges Defizit der Krankenkassen

Tatsächlich müssen die Krankenkassen seit Jahren mehr ausgeben als sie einnehmen. Im ersten Halbjahr 2024 lag das Defizit aller bundesweit 95 gesetzlichen Krankenkassen bei rekordverdächtigen 2,2 Milliarden Euro. Der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) hatte deshalb im Sommer vor steigenden Beiträgen zum Jahreswechsel gewarnt.

Derzeit liegt der allgemeine Beitragssatz bei 14,6 Prozent – hinzukommt der Zusatzbeitrag, den jede Kasse individuell festlegen kann. Im Durchschnitt liegt er bei 1,7 Prozent, unter den 22 größeren Kassen in NRW variiert er aktuell zwischen 0,98 und 3,28 Prozent. Die Beiträge teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Zum Jahreswechsel wird mit einem Plus von 0,6 Beitragssatzpunkten gerechnet, um mehr Geld ins Kassensystem zu spülen. Die Haushaltsplanungen der Krankenkassen enden erst im Dezember. Zu konkreten Prognosen über den künftigen Zusatzbeitragssatz lässt sich kaum eine Versicherung hinreißen. Die BKK ProVita, bei der rund 125000 Menschen im gesamten Bundesgebiet versichert sind, gesteht aber bereits offen zu, mit einer Anpassung zu rechnen. Die Höhe werde derzeit noch geprüft.

Weil die Finanznot schon jetzt groß ist, haben in NRW acht größere Kassen sogar im laufenden Jahr ihren Zusatzbeitrag erhöht – entgegen bisheriger Praxis. Die IKK Classic gehörte dazu. Sie rechnet mit Blick auf die wesentlichen Treiber vor: Für die stationäre Behandlung in Kliniken sind die Ausgaben bundesweit im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um 7,9 Prozent und rund 3,6 Milliarden Euro gestiegen. Beim zweitgrößten Kostenblock, den Arzneimitteln, ging es um zehn Prozent hoch. „In diesem Jahr hat sich abermals gezeigt, dass die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen in der GKV immer weiter auf geht“, so eine Sprecherin. Kritik gibt es auch hier daran, dass der Bund die Kassen an den Kosten der Klinikreform beteiligen will. Beitragszahlende würden „ungerechtfertigt in die finanzielle Verantwortung genommen“, so die IKK. Investitionskosten von Kliniken sind Ländersache.

Die Techniker ergänzt, dass anders als geplant politische Gegenmaßnahmen bisher ausgeblieben seien, um die steigenden Ausgaben abzumildern. Ein Sprecher nennt exemplarisch, dass die GKV derzeit nur etwa ein Drittel der Kosten für Bürgergeldempfänger im Staat erstattet.

Dass die Politik „null Initiative“ zur Kostendeckung zeige, sei neu an der aktuellen Situation, urteilt der renommierte Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. Er arbeitet als Schlichter im Schätzerkreis und hatte unlängst Beitragssatzanstiege wie seit 20 Jahren nicht mehr vorhergesagt. Im Gespräch mit unserer Redaktion verweist er auf Wirtschaftsexperten, die davor warnten, Firmen und Versicherte einseitig zu belasten. Eine Alternative kann demnach sein, Ausgaben zu verringern.

Krankenkassen: Vorübergehend weniger Leistung?

So sieht Wasem in der Notdienstreform des Bundes das Potenzial, die Zahl der Einweisungen in Kliniken zu begrenzen und damit Kosten zu sparen. Grundsätzlich könnten auch mit der Krankenhausreform Kosten reduziert werden. „Aber beides geht nicht so schnell“, so der Professor für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen.

„Um Kosten schneller abmildern zu können, könnte man zeitweise die Budgetzuwächse bei den Praxen und Apotheken oder Leistungen für die Versicherten begrenzen“ – sprich: Die Kassen würden zumindest übergangsweise weniger Leistungen übernehmen. „Wir haben den Leistungskatalog in den vergangenen 20 Jahren immer weiter ausgebaut“, sagt Wasem. „Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir das so weiterfinanzieren wollen.“

Wasem kritisiert zudem, dass der Bund den Kassen zu geringe Mindestreserven ermögliche. „Ihnen stehen derzeit finanzielle Reserven für weniger als 14 Tage ihres normalen Geschäftes zur Verfügung. Das ist zu knapp bemessen“, sagt er. Es müssten Strukturen vorgehalten werden, die halbwegs für Krisen finanziell gefestigt sind. „Wir leben aktuell von der Hand in den Mund und wissen nicht mal, ob die Hand den Mund erreicht.“