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Neue Statistik belegtImmer mehr Menschen sind in der digitalen Welt abgehängt

Lesezeit 4 Minuten
Mehr Unterstützung für Senioren durch niedrigschwellige Angebote bei der Nutzung von digitalen Medien fordert die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag.

Mehr Unterstützung für Senioren durch niedrigschwellige Angebote bei der Nutzung von digitalen Medien fordert die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag.

Viele Menschen halten ohne Hilfe im Umgang mit Laptop, Tablet und Smartphone nicht mehr mit. Gerade ältere Menschen tun sich schwer. Die Politik fordert Abhilfe.

Bankgeschäfte, Reisebuchung, Termin im Bürgerbüro – analog ist das heute nur noch mit Schwierigkeiten möglich. Mit der Digitalisierung des Alltagslebens steigt die Zahl der Abgehängten. Wer sich nicht mit Laptop, Tablet und Smartphone anfreunden will oder kann, ist zunehmend verloren. Viele Seniorinnen und Senioren verzweifeln inzwischen an den vielen Hürden.

Volkmar Jung (79) entdeckt in seinem Smartphone großartige Möglichkeiten. „Warum sind da zwei Häkchen, und warum sind die blau?“, fragt der Senior seinen „Digitalpaten“ Patrick Kaufhold. Jung probiert zum ersten Mal WhatsApp aus. Kaufhold zeigt ihm, wie er Text- und Sprachnachrichten sowie Fotos verschicken kann. „Das ist ja unheimlich“, staunt der Schüler mit dem weißen Schnäuzer. WhatsApp gefällt ihm, weil es Kommunikation so einfach macht.

Am Nachbartisch betreut „Digitalpate“ Klaus Breit (63), früher IT-Experte bei Bayer, einen Herrn, der seine Computerfragen auf einen Zettel geschrieben hat. „Was ist eine Cloud?“, will der Herr zum Beispiel wissen. Und wie er ein neues Google-Passwort anfordern kann. Das alte hat er nämlich leider vergessen.

Alternative zur digitalen Welt als „Plan B“ erforderlich

Für die im Schnitt etwa 15 Damen und Herren, die regelmäßig mittwochs zur Sprechstunde der „Digitalpaten“ in die Stadtbibliothek Hilden kommen, sind Menschen wie Klaus Breit und Patrick Kaufhold Helden. Sie bauen ihnen Brücken in eine digitalisierte Welt, in denen sie sich allein hoffnungslos verlaufen würden. Klaus Breit erzählt beispielsweise von einer Dame, die ein ausgedrucktes Ticket zum Flughafen mitnehmen wollte, weil sie einem digitalen Flugticket nicht traut. Doch ihr Drucker streikte, und sie befürchtete, nicht in den Flieger zu dürfen.

Digitale Barrieren sind ähnlich schwer zu überwinden wie solche aus Stein, wissen die rund 80 „Digitalpaten“ aus dem Kreis Mettmann. Fahrpläne auf Papier gibt's nicht mehr, viele Mediziner vergeben ihre Termine an Patienten online, und eine Überweisung bei der Bank wird mit der notwendigen „Zwei-Faktor-Authentifizierung“ für viele Kunden undurchführbar.

„Laut dem Statistischen Bundesamt waren 17 Prozent der 65 bis 74 Jahre alten Bürgerinnen und Bürger noch nie im Internet. Bezogen auf NRW wären dies 325.500 Menschen“, sagt Erwin Knebel, der Vater des Vorzeige-Projektes „Digitalpaten“. Knebel engagiert sich im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale NRW und war früher Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt am Niederrhein. Der 74-Jährige ist ein Kümmerer alter Schule, hat schon „Verbraucherscout“- und „Pflegescout“-Initiativen gegründet und hilft jetzt jedem, der Hilfe benötigt, über die „Digitalpaten“beim Sprung ins Internet.

Digital abgehängt: Vor allem ältere Menschen sind betroffen

„Viele Seniorinnen und Senioren haben in ihrer Kindheit die Volksschule besucht und keinen oder nur spärlichen Englischunterricht gehabt. Die meisten wissen nichts mit den englischen Bezeichnungen in der digitalen Welt anzufangen“, erklärt Knebel. „Sie sind in der analogen Welt aufgewachsen, haben ihr Leben analog gelebt und sich dabei wohlgefühlt.“

Was Knebel ärgert: „Der Staat bieten Kindern und Jugendlichen aus gutem Grund Medienscouts an, aber für Ältere, die gar keine digitalen Vorkenntnisse haben, gibt es praktisch keine staatlichen Hilfsangebote.“ Um die Seniorinnen und Senioren, die an der Digitalisierung verzweifeln, kümmerten sich nur Ehrenamtler. Dabei sei die Nachfrage nach Unterstützung riesig.

Es gibt zwar den „Digitalcheck NRW“, mit Menschen das eigene digitale Wissen testen und Weiterbildungsangebote finden können. „Aber dafür muss man erstmal in der Lage sein, ins Internet zu gehen und sich auf den entsprechenden Seiten zu bewegen“, erklärt Knebel. Für hunderttausende Menschen in NRW sei diese Hürde schon zu hoch.

Dass es an dieser Stelle eine Angebotslücke gibt, weiß auch NRW-Digitalisierungsministerin Ina Scharrenbach (CDU). Im Interview mit dieser Redaktion sagte sie: „Im Grunde müsste es mehr Schulungen geben. Das Vertrauen gerade älterer Menschen in Digitalisierung ist zu klein. Die Angst, etwas falsch zu machen, dagegen groß.“

Die SPD-Opposition fordert die NRW-Regierung zum Handeln auf. „Die Digitalisierung bietet für ältere Menschen vielfältige Chancen, Selbstständigkeit zu erhalten, Teilhabe zu fördern und damit zu einem würdevollen und selbstbestimmten Altern beizutragen. Dennoch gehören ältere Menschen zumeist zu den Gruppen, die von den Vorteilen der Digitalisierung nicht profitieren können. Das darf nicht sein“, sagt die Mendener SPD-Landtagsabgeordnete Inge Blask dieser Redaktion. „Die Landesregierung muss hier endlich tätig werden, Bedarfe repräsentativ ermitteln und ältere Menschen niedrigschwellig unterstützen“, so Blask.

Ihre Fraktion fordert unter anderem, digitale Lernorte zu fördern, Digitalassistenz zum Teil der Pflegeleistungen zu machen sowie das Recht auf assistierte Internetnutzung in Pflegeheimen.

„Digitalpate“ Klaus Breit fordert, jenen, die mit der Digitalisierung nicht zurechtkommen, einen analogen „Plan B“ offen zu halten. Es müsse immer eine Alternative zur digitalen Welt geben. „Ich war zwar im Berufsleben IT-Experte in einem großen Konzern. Aber in zehn Jahren werde auch ich nicht mehr alles können.“