Viele Eltern und Lehrer machen sich Sorgen um den Smartphone-Konsum von Kindern und Jugendlichen. Offenbar kann ein Smartphone in der Schule dem Lernerfolg tatsächlich schaden. Aber wie sehr?
Rundschau-Debatte des TagesBringt ein Smartphone-Verbot an Schulen bessere Noten?
Der angeblich zu exzessive Smartphone-Gebrauch von Schülern ist ein beliebtes Streitthema in der Diskussion über die richtige Bildungspolitik. Manche Bildungsexperten geben den hohen Nutzungszeiten sogar eine Teilschuld daran, dass die deutschen Schüler bei den vergangenen Pisa-Tests im internationalen Vergleich schlechter abgeschnitten haben als in den Vorjahren.
Tatsächlich verbringen die Schüler in Deutschland viel Zeit mit ihren Handys. Täglich 213 Minuten oder über dreieinhalb Stunden sind Jugendliche laut eigener Auskunft in der Studie „Jugend Information Multimedia“ mit ihrem Smartphone beschäftigt. Und die 237 Benachrichtigungen, die ein durchschnittlicher Jugendlicher demnach pro Tag empfängt, dürften der Konzentration ebenfalls nicht förderlich sein. Zumal ein Viertel davon während der Schulzeit eingeht.
Weniger Mobbing?
Würde ein Verbot von Smartphones in der Schule angesichts dieser Entwicklung etwas bringen? Um diese Frage zu beantworten, haben Forscher der Universität Augsburg in einer sogenannten „Meta-Studie“ mehrere Untersuchungen, die sich mit dieser Frage beschäftigen, ausgewertet. Deutlich stärker als die Auswirkungen des Smartphones auf die Leistung der Schüler sind demnach die Konsequenzen für das soziale Zusammenleben.
Zu diesem Schluss kommt auch Katharina Scheiter. Sie ist Professorin für Digitales Bildungswesen an der Universität Potsdam. „Es ist gut belegt, dass es an Schulen ohne Smartphones weniger Mobbing gibt. Die Effekte auf die Leistungen der Schüler sind aber nicht so stark und eindeutig, wie man denken würde“, berichtet die Forscherin.
Besserer Lernerfolg ohne Handy?
Eine Studie aus Großbritannien ergab, dass Schulen, in denen Handys verboten sind, bei standardisierten Bildungstets deutlich bessere Ergebnisse erzielen als Schulen ohne Verbot. Insbesondere schwächere Schüler schneiden demnach ohne Handy deutlich besser ab. „Schwächere Schüler schlagen generell stärker auf Veränderungen im Lernumfeld an als Schüler mit guten Noten“, berichtet Scheiter. Wer eh schon Probleme habe, sei leichter aus dem Tritt zu bringen. Der Effekt des Handyverbots auf ihre Leistung entspricht nach Angaben der Wissenschaftler einer zusätzlichen Unterrichtsstunde pro Woche.
Auch bei der internationalen Pisa-Studie, die alle drei Jahre die Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen testet. werden den Schülern Fragen zu ihrer Handynutzung gestellt. Schüler, die täglich mehr als fünf Stunden am Handy verbringen, schneiden demnach in den Tests deutlich schlechter ab als ihre Klassenkameraden. Der Unterschied kann laut den Forschern das Äquivalent von bis zu zwei Schuljahren betragen.
Bessere Noten mit Handy?
Anscheinend hängen die Auswirkungen der Smartphone-Nutzung aber auch davon ab, was man in dieser Zeit damit macht. Wer ein digitales Gerät zum Lernen nutzt, erzielt laut der Studie bessere Ergebnisse bei B ildungstests. Es gibt aber wohl auch ein Zuviel: Wer mehr als sieben Stunden am Tag digital lernt, schneidet wieder deutlich schlechter ab. „Bei digital gestütztem Unterricht kommt es mehr auf die Qualität als auf die Quantität an“, findet auch Katharina Scheiter.
Ein Zusammenhang zwischen Noten und Smartphones ist offenbar vorhanden, doch wie dieser funktioniert, ist noch fraglich: „Diese Zusammenhänge gibt es. Aber es ist ein wenig wie die Frage nach der Henne und dem Ei“, erklärt Scheiter. Sind Schüler mehr am Handy, weil sie schlechte Noten haben, oder haben sie schlechte Noten, weil sie mehr am Handy sind? Um diese Frage zu untersuchen, müssten Handynutzung und Noten über einen längeren Zeitraum verglichen werden. Doch solche Studien sind aufwendig und darum selten.
Durchsetzbares Verbot?
In der schulischen Praxis sind Smartphone-Verbote zudem nicht leicht durchzusetzen. In der Pisa-Studie wurden auch die Rektoren der beteiligten Schulen zu ihrer Smartphone-Politik befragt – und diese wiederum in die Fragen an die Schüler eingepreist. Nur 17 Prozent der Schüler, die auf eine Schule mit Verbot gehen, geben demnach an, nie oder fast nie ihr mobiles Gerät zu benutzen. Trotz Verbots nutzen 34 Prozent der Schüler mehrmals täglich ihr Handy. Immerhin: An Schulen ohne Verbot tun das 47 Prozent der Kinder.
Die Effekte eines generellen Verbots sind also offenbar überschaubar. „Smartphone-Verbote zu überwachen ist eine Belastung für die Lehrkräfte“, findet Bildungsforscherin Scheiter. Überhaupt sei das eigentliche Problem bei schlechtem Lernerfolg eher nicht in der Nutzung des Smartphones zu suchen: „Es kommt weniger auf die Frage an, ob es Smartphones gibt oder nicht. Viel wichtiger ist die Qualität des Unterrichts“, erklärt Scheiter.
Aber vielleicht muss es ja auch nicht gleich ein komplettes Verbot sein: Schüler, die ihr Handy während des Unterrichts immer auf stumm gestellt haben, schneiden laut Pisa-Studie deutlich besser ab als Schüler mit aktivierten Benachrichtigungen.