Gut 100 Jahre hat Sergej Prokofjews Oper Die Liebe zu den drei Orangen auf dem Buckel. In Bonn wird dem Stück neues Leben eingehaucht - eine Augenweide mit sehr viel Klamauk.
So lustig kann Oper seinSergej Prokofjews Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ wird in Bonn aufgeführt
Die Welt litt noch erheblich unter den Folgen des Krieges und der Revolution, als sich Sergej Prokofjew Anfang des Jahres 1919 auf seinem Weg von Russland nach Amerika anschickte, Wsewolod Meyerholds Bearbeitung von Carlo Gozzis „Die Liebe zu den drei Orangen“ in ein Opernlibretto umzuschreiben.
Er rechnete durchaus damit, dass eine solche Oper nicht allen gefallen würde, weil man sie nicht schreiben dürfe, „wenn die Welt stöhnt“. Er hat sie geschrieben, die Welt stöhnt heute noch immer, und dennoch ist just jene Oper mit ihrem märchenhaft-komischen Inhalt noch sehr lebendig auf den Spielplänen.
Allerfeinste Komödienkunst
In Bonn hat die Erfolgsoper des jungen Prokofjew jetzt der italienische Regisseur Leo Muscato auf die Bühne gebracht, die dafür von seinem Bühnenbildner Andrea Belli in eine magisch blaue Zauberwelt verwandelt wurde.
Darin treffen Elemente der Commedia dell'arte auf den Karneval, märchenhafte Szenen und Figuren auf ausgelassene Scherze, man erlebt zwei Stunden allerfeinste Komödienkunst, die genauso quirlig ist, wie die vom Beethoven Orchester unter der temperamentvollen und pointierten Leitung von Dirk Kaftan servierte Musik.
Um möglichen Einwänden gegen die Handlung schon mal ein bisschen entgegenzuwirken, und auch als grundsätzliche Kritik am damals verbreiteten spätromantischen Operngeschmack hat Prokofjew seinem Werk noch einen Prolog vorangestellt, worin Anhänger der Tragödie, der Komödie, des lyrischen Dramas und der Hohlköpfe sich für die von ihnen jeweils favorisierte Bühnenkunst ins Zeug legen.
Einerseits werden sie vom Chor und Extrachor des Hauses dargestellt, die Marco Medved bei seinem letzten Einsatz als Chordirektor für den Premierensonntag wieder einmal bestens vorbereitet hatte, andererseits durch überlebensgroße Jack-in-the-Box-Figuren, die wie Karnevalswagen über die Bühne gefahren werden. Besonders hübsch: die Darstellung der Hohlkopf-Fraktion als altmodischer TV-Bildschirm.
Verliebt in drei Orangen
In dem Stück selbst geht es dann um einen Prinzen, der zu seinem eigenen und zum Leidwesen seines königlichen Vaters (Magnus Piontek) an einer seltsamen Hypochondrie erkrankt ist, deren Heilung nur durch ein Lachen möglich ist.
Herrlich, mit welcher Leidensmiene Uwe Stickert in kindlichem Matrosenanzug den hypochondrischen Prinzen verkörpert, der keinen Schritt mehr aus eigener Kraft gehen kann und daher in seinem roten Sessel umhergefahren werden muss.
Und wunderbar, wie er mit seiner leichten, lyrischen Tenorstimme ein zunächst zaghaft-schadenfrohes „Ha, ha“ ausstößt, als die böse Zauberin Fata Morgana (Yannick-Muriel Noah), die sich zuvor schon einen Streit mit dem Magier Tschelio (Martin Tzonev) geliefert hatte, im Gerangel mit dem erfolglosen Spaßmacher Truffaldino (Tae Hwan Yun) vor den Augen der Hofgesellschaft stürzt und für eine Weile hilflos wie ein Käfer auf dem Rücken liegen bleibt.
Natürlich will die Gedemütigte Rache und belegt den gerade Genesenen mit einem Fluch: Er wird sich in die drei titelgebenden Südfrüchte verlieben.
Prinzessinnen stecken in den Orangen
Um sie zu gewinnen, müssen der Prinz und sein Gefährte Truffaldino allerlei Abenteuer bestehen, beginnend mit dem Diebstahl der Orangen aus der Küche einer riesigen Köchin, die Pavel Kudinov auf hohen Plateausohlen balancierend und von Kostümbildnerin Margherita Baldoni mit Kochmütze, Schürze und Kittel ausgestattet darstellt.
Wie er in dieser Montur den kleinen Truffaldino ergreift und mit Schwung auf den heißen Ofen setzt, ist entwaffnend komischer Slapstick.
Zur Handlung gehört auch, dass in den immer größer werdenden Orangen schließlich Prinzessinnen stecken, Linetta (Susanne Blattert) und Nicoletta (Ayaka Igarashi) verdursten jedoch kurz nachdem Truffaldino die Schale öffnet.
Die dritte, die von Marie Heeschen kokett verkörperte Ninetta überlebt knapp und ist sofort in den Prinzen verliebt, wird allerdings von ihrer intriganten Nebenbuhlerin Smeraldina (Ava Gesell) in eine Ratte verwandelt, die als ferngesteuertes Spielzeugtier über die Bühne saust.
Doch weder Smeraldina noch die intriganten Kräfte des Ministers Leander (Christopher Jähnig) und seiner Verbündeten, Prinzessin Clarisse (Khatuna Mikaberidze), können das Liebesglück verhindern.
Die Inszenierung begeistert vor allem wegen einer fulminanten Ensembleleistung, die durch Auftritte von Carl Rumstadt, Justo Rodriguez und Mark Morouse perfekt abgerundet wird. Großer Applaus am Premierenabend für alle Beteiligten.
Weitere Aufführungen: 18., 20., 28. April, 11., 25., 31. Mai, 2., 8. und 29. Juni. Karten und Infos: theater-bonn.de.