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Schwere Vorwürfe gegen IranSexuelle Gewalt als Waffe gegen Regimegegner

Lesezeit 3 Minuten
Köln: Mehrere Tausend Menschen bekunden bei einer Demonstration in der Köner Innenstadt ihre Solidarität mit den Protestierenden im Iran.

Köln: Mehrere Tausend Menschen bekunden bei einer Demonstration in der Köner Innenstadt ihre Solidarität mit den Protestierenden im Iran.

Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe gegen den Iran. Das Regime geht offenbar noch brutaler vor, als bisher bekannt.

Die Schergen des iranischen Regimes bekämpfen die Protestbewegung im Land offenbar noch brutaler als bisher bekannt. Amnesty International veröffentlichte jetzt die Aussagen von Frauen, Männern und Kindern, die nach ihrer Festnahme wegen Teilnahme an Demonstrationen gegen die Islamische Republik von Revolutionsgardisten, Polizisten und Milizionären vergewaltigt wurden. Der Bericht legt nahe, dass die Vergewaltigungen systematisch als Instrument der Unterdrückung eingesetzt wurden, und zeigt: Das Regime ist entschlossen, seine Macht mit allen Mitteln zu verteidigen.

Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September vergangenen Jahres löste landesweit Proteste gegen das Regime aus. Amini war von Religionspolizisten festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht korrekt gebunden hatte, und starb im Polizeigewahrsam. Millionen Iranerinnen und Iraner gingen auf die Straßen, um politische Reformen wie die Abschaffung des Kopftuchzwangs zu fordern. Mehr als 500 Menschen starben bei Straßenschlachten, zehntausende Demonstranten kamen in Haft, acht wurden hingerichtet. Inzwischen gibt es kaum noch Protestkundgebungen.

Aussagen von 45 Opfern

Für das Regime waren die Demonstrationen ein Alarmzeichen. Der Kommandant der Revolutionsgarde, Hossein Salami, nannte die Protestwelle den „stärksten, gefährlichsten und ernstesten“ Aufstand gegen die Islamische Republik seit ihrer Gründung im Jahr 1979. Revolutionsführer Ali Khamenei und Präsident Ebrahim Raisi ließen die Proteste niederschlagen, weil sie um die Zukunft ihres Gottesstaates fürchteten. Das Regime klammere sich mit allen Mitteln an die Macht, erklärte Amnesty-Chefin Agnes Callamard bei Vorlage des neuen Berichts. Die Aussagen der Vergewaltigungsopfer deuteten darauf hin, dass sexuelle Gewalt für die Führung Irans eine der wichtigsten Waffen des Regimes bei der Unterdrückung der Proteste gewesen sei.

Amnesty stützt sich in dem Bericht auf die Aussagen von 45 Opfern aus mehr als der Hälfte der 31 iranischen Provinzen, darunter 26 Männer, zwölf Frauen und sieben Kinder; das jüngste Opfer war ein 14-jähriges Mädchen. Sexuell missbraucht wurden die Demonstranten in Polizeibussen, auf Wachen und sogar in Schulen, die als provisorische Haftanstalten requiriert worden waren. Eine Frau namens Maryam berichtete Amnesty, sie sei von mehreren Revolutionsgardisten vergewaltigt worden. Danach hätten ihre Peiniger gehöhnt: „Ihr seid doch alle verrückt nach dem Penis, jetzt haben wir's euch gut besorgt. Das versteht ihr doch unter Befreiung, oder?“

Einige festgenommene Demonstranten seien mit Schlagstöcken, Glasflaschen oder Gummischläuchen vergewaltigt worden, berichtete Amnesty. Manche Opfer hätten schwere Analblutungen erlitten. Auch mit Schlägen, Stromstößen oder Nadelstichen in die Geschlechtsteile seien Demonstranten gefoltert worden. Kein Täter sei wegen der Gewalttaten zur Rechenschaft gezogen worden. Zudem habe die Justiz unter Folter abgepresste Geständnisse benutzt, um Demonstranten zu Gefängnisstrafen oder sogar zum Tode zu verurteilen, erklärte Callamard.

Amnesty legte Bericht der iranischen Regierung vor

Amnesty arbeitete nach Angaben von Callamard sechs Monate an dem Bericht und überprüfte das gewonnene Beweismaterial. Die Menschenrechtsorganisation teilte mit, sie habe ihren Bericht am 24. November der iranischen Regierung vorgelegt, aber keine Antwort erhalten. Auch am Mittwoch gab es keine Reaktion auf die Vorwürfe. Die Führung der Islamischen Republik hat die Demonstranten in den vergangenen Monaten als Agenten des feindlichen Auslands kritisiert. In den seltenen Fällen, in denen Vergewaltigungsopfer eine Strafanzeige gegen die Täter stellten, wurden sie laut Amnesty mit Entführung oder Mord bedroht.

Medienberichte über Vergewaltigungen von Demonstranten hatte es schon in den vergangenen Monaten gegeben. Die iranische Opposition warf den Behörden zudem vor, Gewalttäter aus den Reihen der Einsatzkräfte nach der Vergewaltigung von Demonstranten in Schutz zu nehmen. Der Amnesty-Report ist jedoch die erste Untersuchung, die auf einen systematischen und landesweiten Einsatz von sexueller Gewalt gegen Mitglieder der Protestbewegung schließen lässt. Amnesty-Chefin Callamard rief andere Staaten auf, sie sollten strafrechtliche Verfahren gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen im Iran einleiten, um internationale Haftbefehle gegen sie erwirken zu können.