Nach dem Kuss-Skandal um Rubiales fordern Feministinnen in Spanien eindringlich Gleichberechtigung und ein hartes Vorgehen gegen Machtmissbrauch.
Skandal um RubialesEin Kuss, der die Welt empörte, landet vor Gericht
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Der ehemalige Präsident des spanischen Fußballverbands Luis Rubiales sitzt in einem Gerichtssaal am Stadtrand, wo ihm wegen seines unaufgeforderten Kusses auf die Stürmerin Hermoso der Prozess gemacht wird.
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Erst kam im Sommer 2023 der spektakuläre Titelgewinn der spanischen Fußballerinnen bei der Weltmeisterschaft. Dann folgte der Skandal, der Spanien und weite Teile Europas empörte: Luis Rubiales, der damalige Chef des spanischen Fußballverbandes, umklammerte den Kopf von Spaniens Stürmerin Jennifer Hermoso und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Die Spielerin zeigte den Fußball-Boss daraufhin wegen sexueller Aggression an. An diesem Montag begann in Madrid der Prozess gegen Rubiales.
Doch die Affäre hatte nicht nur juristische Konsequenzen. Der Staatsanwalt fordert für Rubiales unerbetenen Kuss zweieinhalb Jahre Gefängnis. Der Vorfall erschütterte auch die Grundfesten des spanischen Sports, in dem viele Fußballerinnen wie andere Athletinnen über sexuelle Belästigungen klagen. Der öffentliche Aufschrei machte zudem klar, dass Spanien inzwischen keine Macho-Hochburg mehr ist, sondern ein modernes Land, das in Sachen Gleichberechtigung und Frauenpolitik heute zu den Vorreitern Europas gehört.
Kuss-Skandal um Rubiales: Was war geschehen?
Rückblende: Am 20. August 2023, nach dem Sieg der spanischen Frauen-Nationalmannschaft im WM-Finale im australischen Sydney, küsste Rubiales die Stürmerin „Jenni“ Hermoso während der Siegerehrung. Was im ersten Moment wie ein Ausdruck des Hochgefühls und Überschwangs aussah, wurde wenig später zu einem Symbol von Macht-Missbrauch im Sport. Hermoso erklärte anschließend: „Der Kuss hat mir nicht gefallen. Es war nicht einvernehmlich. Ich fühlte mich verletzlich und als Opfer einer Aggression.“
Rubiales verteidigte sich damit, dass der Kuss „spontan, gegenseitig und einvernehmlich“ gewesen sei. In einer öffentlichen Erklärung wies er jegliches Fehlverhalten zurück und weigerte sich zunächst, Konsequenzen zu ziehen. „Ich werde nicht zurücktreten.“ Zudem soll er Hermoso unter Druck gesetzt haben, ihren Vorwurf zurückzunehmen. Einige Wochen später musste Rubiales dann doch seinen Hut nehmen. Der Fußballweltverband Fifa sperrte Rubiales, der zugleich Vizechef des europäischen Verbands Uefa war, für drei Jahre.
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Die Fußballspielerin Jenni Hermoso verlässt den Gerichtssaal.
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Anderthalb Jahre nach der Kuss-Affäre musste Rubiales nun auf der Anklagebank des Nationalen Gerichtshofs in Madrid Platz nehmen. Mit ihm müssen sich drei weitere frühere Spitzenmanager des Fußballverbandes wegen Nötigung verantworten. Die drei Männer sollen Hermoso im Auftrag Rubiales massiv bedrängt haben, von ihrer Aussage abzurücken. Unter normalen Umständen wäre der Vorwurf der sexuellen Belästigung ein Fall für ein normales spanisches Strafgericht. Doch da die mutmaßliche Tat im Ausland stattfand, ist Spaniens Oberster Gerichtshof zuständig.
„Dieser Zwischenfall trübte einen der glücklichsten Tage meines Lebens“, erklärte Hermoso am Montag vor Gericht. „Mein Chef küsste mich. Das hätte nicht passieren dürfen.“ Und: „Das war ekelhaft. Hätte er mich gefragt, dann hätte ich Nein gesagt.“ Sie habe Frustration, Ohnmacht und Wut gefühlt. „Das Ganze war total respektlos gewesen.“ Später, als die öffentliche Debatte ins Rollen kam, habe sie sogar Morddrohungen erhalten.
Der Hauptangeklagte Luis Rubiales verfolgte die Vorwürfe von der Anklagebank mit weitgehend unbewegter Miene. Rubiales Sicht der Dinge wird man voraussichtlich erst kommende Woche erfahren. Die nächsten Prozesstage sind den Zeugenaussagen vorbehalten. Das Verfahren soll bis Ende Februar dauern. Das Urteil dürfte dann erst Wochen oder sogar Monate später verkündet werden. Neben einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren fordert der Staatsanwalt, dass Rubiales eine Entschädigungszahlung von 50.000 Euro an Hermoso leisten soll.
Welle von Protesten und Solidaritätsbekundungen
Der Kuss-Skandal hatte damals Proteste im ganzen Land ausgelöst. Feministische Bewegungen organisierten Solidaritätsdemonstrationen. Eine „MeToo“-Welle rollte durch Spanien, in der sich viele Frauen, darunter nicht wenige Sportlerinnen, mit Hermoso solidarisierten und bekundeten, dass sie ebenfalls unter Grabschern und unerwünschten Küssen zu leiden haben. Gleichstellungspolitikerinnen erklärten: „Es geht nicht um einen Kuss, es geht um Machtmissbrauch.“ Auch Regierungschef Pedro Sánchez schaltete sich in die Debatte ein: „Spanien hat gesagt: Es reicht!“
Unter dem Sozialdemokraten Sánchez, der seit 2018 regiert, wurde Spanien zu einem Musterland im Kampf gegen Diskriminierung. Nach dem europäischen Gleichberechtigungsindex für 2024 hat Spanien in den letzten Jahren dank zahlreicher Gesetzesreformen zu 76,7 Prozent die Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht. Nur Schweden, Dänemark und die Niederlande stehen noch besser da. Der EU-Schnitt, in dessen Umfeld Deutschland oder Österreich angesiedelt sind, liegt bei 71,0 Prozent.