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Interview

Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrats
„Robert Habeck wird sich einiges anhören müssen“

Lesezeit 5 Minuten
18.10.2022, Niedersachsen, Lingen: Stromleitungen vor dem Kernkraftwerk Emsland. 

In der Abschaltung der Kernkraftwerke sieht Astrid Hamker als einen Fehler an, der korrigiert werden muss.

Astrid Hamker, Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrats, setzt auf Bürokratieabbau und eine Rückkehr zur Atomkraft.

Seit 2019 ist die Unternehmerin Astrid Hamker Präsidentin des einflussreichen Wirtschaftsrats der CDU. 4000 Unternehmer erwartet sie in Berlin nächste Woche zum Wirtschaftstag. Im Interview mit Rena Lehmann warnt Hamker davor, die aktuelle Flaute nicht so ernst zu nehmen.

Frau Hamker, Wirtschaftsminister Robert Habeck kommt am Mittwoch zu Ihrem Wirtschaftstag in Berlin mit rund 4000 Unternehmern. Was wird er sich dort anhören müssen?

Robert Habeck wird sich von uns natürlich einiges anhören müssen. Deutschland hat schwache Wachstumszahlen, ist im Vergleich Tabellenletzter unter den Industrieländern. Wir sehen massive Verlagerungen von Produktion ins Ausland. Wir werden ihm sagen, dass er in seiner Wirtschaftspolitik dringend umsteuern muss.

In welche Richtung?

Wir brauchen Entlastungen der Unternehmen bei der Bürokratie, bei Steuern und Abgaben. Das Wichtigste aber ist eine verlässliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung.

Immerhin werden die Erneuerbaren Energien in Deutschland so schnell ausgebaut wie nie zuvor …

Unsere Preise sind aber nicht wettbewerbsfähig. Außerdem wurde das Stromangebot massiv verknappt. Herr Habeck hat die Kernkraftwerke vom Netz genommen, die klimaneutral Strom produzieren können. Das war ein großer Fehler, der korrigiert werden muss.

Finanzminister Christian Lindner hat bereits eine Wirtschaftswende versprochen. Wie zuversichtlich sind sie, dass die kommt?

Die Wirtschaft hat keine Zeit mehr. Wir haben in den letzten drei Jahren 300 Milliarden Euro Nettokapitalabflüsse gehabt. Das bedeutet, dass in Deutschland nicht mehr investiert wird. Noch bildet sich das in den Arbeitslosenzahlen aber nicht ab, weil wir einen Fachkräftemangel haben. Und deshalb ist die Politik noch nicht zur Erkenntnis gelangt, dass wir dringend grundlegende Reformen brauchen. In wenigen Jahren werden massiv Arbeitsplätze verloren gehen, wenn jetzt nicht gegengesteuert wird.

Was würde akut helfen, um wieder ökonomische Zuversicht zu verbreiten?

Wir brauchen ein Krisenmanagement. Wir können nicht bis zur nächsten Bundestagswahl warten. Es muss ein echter Befreiungsschlag her: Wir sollten auf Erdverkabelung verzichten und Freileitungen bauen, um den Strom aus dem Norden in den Süden zu transportieren. Das würde 20 Milliarden Euro und viel Zeit einsparen. Wir brauchen steuerfreie Überstunden. Wir werden länger arbeiten müssen, damit das Rentensystem weiter funktioniert.

Könnte die Fußball-EM, die am 14. Juni startet, ein Motor sein?

Für die Stimmung im Land könnte die EM sehr wichtig sein. Wenn wir als Gesellschaft wieder das Gefühl haben, dass wir zusammenstehen, wäre das ein toller Effekt. Fußball hat ja eine verbindende Kraft. Aber unseren Unternehmen wird das erstmal nicht helfen. Sie müssen im Wettbewerb bestehen.

Am Sonntag ist Europawahl: Es gibt viel Kritik an Kommissionschefin Ursula von der Leyen wegen ausufernder Bürokratie. Ist das nur Wahlkampf oder ist da etwas dran?

Es ist zu viel Bürokratie, die aus Brüssel kommt. Das liegt an mehreren Kommissaren. In der EU-Kommission ist erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Die Wirtschaft der EU wächst im internationalen Vergleich zu schwach. Ich gehe davon aus, dass in der nächsten EU-Legislatur massiv Bürokratie abgebaut wird.

Was aus Brüssel hilft, was kann weg?

Völlig klar ist: Die EU ist ein Friedens- und Wohlstandsprojekt, von dem Deutschland enorm profitiert. Aber das Verbrennerverbot 2035 ist falsch und muss gestoppt werden. In Deutschland ist die Automobilindustrie unsere Schlüsselbranche. Beim Verbrennermotor ist sie weltweit führend, daran hängen eine Million Arbeitsplätze. Da soll eine Industrie beerdigt werden, nur weil man meint, den Weg zur Klimaneutralität nicht technologieoffen bestreiten zu können. Außerdem bringen wir uns in eine erneute Abhängigkeit von China bei der E-Mobilität, als hätten wir aus der Abhängigkeit von russischem Gas gar nichts gelernt.

Die EU führt womöglich Zölle für E-Autos aus China ein. Wäre das die richtige Maßnahme?

Ich halte einen solchen protektionistischen Wettlauf für völlig falsch. Wir sind auf Handel mit China angewiesen, weil es für uns ein wichtiger Absatzmarkt ist. Es ist ein Problem, dass China unsere Märkte mit subventionierten E-Autos flutet. Aber wir müssen zu anderen Regeln kommen.

Kirchen und Sozialverbände, auch Unternehmen haben die Empfehlung ausgegeben, bei der Europawahl nicht die AfD zu wählen. Schließen Sie sich dem an?

Die AfD schadet dem Ansehen Deutschlands in der Welt. Das ist für die Wirtschaft immer schlecht. Außerdem ist sie eine extrem europakritische Partei. Ich würde trotzdem keine Wahlempfehlung abgeben. Das ist die Sache der Menschen, für wen sie am Ende stimmen. Man muss sie davon überzeugen, dass die AfD nicht gut ist für die Wirtschaft, nicht gut ist für Deutschland, nicht gut ist für Europa.

Erleben Sie Olaf Scholz wie Frau Strack-Zimmermann auch als jemanden, der alles besser weiß?

Ich habe den Eindruck, dass es bei ihm nach wie vor keinen realistischen Blick auf die ökonomische Lage gibt. Er pflegt eine Verweigerungshaltung und behauptet entgegen aller Konjunkturdaten, die Wirtschaft habe keine Probleme. Er ist angetreten und hat ein Wirtschaftswunder im Sinne Ludwig Erhards versprochen. Da fühle ich mich in der Ehre gekränkt, wenn mit der Politik, die gerade gemacht wird, ein Wirtschaftswunder erzeugt werden soll. Das ist respektlos.

Wird es nicht zum Risiko, die Schuldenbremse einzuhalten?

Wir haben nach wie vor kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Man kann im Bundeshaushalt umsteuern. Das ist einfach eine Frage der Prioritäten. Ich verstehe nicht, dass 48 Prozent des Bundeshaushalts für Soziales ausgegeben werden, wo wir annähernd Vollbeschäftigung haben. Die Schuldenbremse ist für uns unantastbar, weil wir der jungen Generation nicht immer mehr auflasten können und die Politik handlungsfähig bleiben muss.