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„Wir können nicht überall sein“Ein Ortsbesuch an der Grenze zu Polen

Lesezeit 4 Minuten
Zittau: Bundespolizisten sind an der sächsischen Grenze zu Polen bei einer stationären Grenzkontrolle im Einsatz.

Zittau: Bundespolizisten sind an der sächsischen Grenze zu Polen bei einer stationären Grenzkontrolle im Einsatz.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die Grenzkontrollen zu Polen bis Mitte November verlängert. Ein Ortsbesuch zeigt jedoch: Viele illegale Einreisen können nicht verhindert werden. Die Bundespolizei zieht dennoch ein positives Fazit.

Seit Mitte Oktober führen Bundespolizisten nicht nur an der deutsch-österreichischen Grenze, sondern auch an den deutschen Ostgrenzen stationäre Grenzkontrollen durch. Um die Reisefreiheit der EU-Bürger nicht zu stören, soll das „lageangepasst“ umgesetzt werden. Im sächsischen Zittau, 40 Kilometer südlich von Görlitz an der polnischen und tschechischen Grenze gelegen, sieht die Grenzanlage eher provisorisch aus. Lediglich ein Zelt und ein paar Warnleuchten wurden aufgestellt. Der Grenzfluss Neiße plätschert in Sichtweite friedlich vor sich hin. Etliche Pendler fahren täglich über die Brücke.

Den Beamten reicht meist eine kurze Sichtprüfung. Verdächtige Indizien sind etwa getönte Heckscheiben, eine durchhängende Hinterachse oder ausländische Nummernschilder. „Achtung, ukrainisches Kennzeichen!“, ruft Alfred Klaner, Hauptkommissar der Polizeiinspektion Ebersbach, seinen Kollegen zu. Die prüfen erst den Ausweis des Fahrers und werfen dann einen Blick auf die Ladefläche des Transporters.

Im August war eine ukrainische Schleuserin in Mecklenburg-Vorpommern festgenommen worden, weil sie vier illegal eingereiste Menschen aus Afghanistan im Schlepptau hatte. Doch der Stauraum dieses Kleintransporters ist leer. Der Mann darf weiterfahren. Es komme regelmäßig vor, dass im Laderaum Migranten entdeckt werden, so Klaner. Pkw mit deutschem Kennzeichen winken die Beamten meist durch. „Wir wollen die Bewohner hier nicht aufhalten“, betont Klaner. „Viele fahren nur rüber zum Tanken.“ Polen sei schließlich Teil des Schengener Abkommens, das die Reisefreiheit für EU-Bürger festlegt.

Ausweichen auf Feldwege

Jenseits der Grenze spricht sich aber schnell herum, wo sich die Polizei postiert hat. „Wir sorgen hiermit für einen Verdrängungseffekt“, sagt der Hauptkommissar. Schleuser wichen in der Folge auf Feldwege in der Umgebung aus – wo sich Streifen auf die Lauer legen.

Manchmal müssen sie gar nicht lange suchen. „Erst letzte Woche ist hier am Grenzpunkt nachts einer durch die Kontrolle geheizt“, sagt Klaner und gestikuliert mit den Händen. Streifen hätten sich eine wilde Verfolgungsjagd mit dem Mann geliefert, der später zu Fuß weitergeflüchtet sei und letztlich geschnappt werden konnte. In dem zurückgelassenen Auto befanden sich sechs Syrer, darunter zwei kleine Kinder.

Zurück am Grenzposten: Die Bundespolizisten winken einen Lastwagen heraus. Er ist verplombt, nur der Zoll darf die Ladefläche freilegen. Einer der Beamten leuchtet skeptisch durch die Plane. Der Spalt ist schmal. Ob sich darin Flüchtlinge verstecken, lässt sich so unmöglich ausschließen.

Auch in Wohnwagen seien laut Klaner schon versteckte Migranten gefunden worden. „Die Nachbardienststelle in Ludwigsdorf hatte so einen Fall.“ Wenig später schiebt sich erneut ein Transporter durch die Schneise in Zittau. Der gleiche Ablauf: misstrauische Blicke, Führerscheinkontrolle, „einmal hinten aufmachen, bitte“. Als sich die Türen öffnen, lugt ein Golden Retriever hervor. „Ob der Hund wohl illegal eingereist ist?“, scherzt einer der Umstehenden.

Den Bundespolizisten ist kaum anzusehen, dass sie sich pro Schicht zwölf Stunden lang die Beine in den Bauch stehen. Bei einer Beamtin der Unterstützungskräfte aus Hessen sitzt der Frust aber tief. „Sobald die Menschen ins Land gekommen sind, sind wir machtlos“, sagt sie mit Blick auf illegal eingereiste Migranten. Asylsuchende dürfen an der Grenze nicht zurückgewiesen werden. Klaner zufolge gebe es kaum Migranten, die auf Nachfrage kein Schutzgesuch angeben.

Tags zuvor erreichte die Grenzstelle ein Bürgerhinweis. „Unweit von hier soll eine Gruppe Migranten in der Nähe einer Fußgängerbrücke gesehen worden sein.“ Mehrere Polizisten hätten sich daraufhin dorthin begeben. Doch von der Gruppe fehlte jede Spur. Die Abstände zwischen den Kontrollpunkten sind teils groß. Was ein paar Hundert Meter flussabwärts passiert, bekommt im Zweifel niemand mit.

Am nächsten Tag nahmen die Polizisten gegen 18.40 Uhr aber einen ungewöhnlichen Vorgang wahr. Auf der anderen Seite der Autobrücke sahen sie sieben Männer und eine Frau aus einem Lieferwagen aussteigen. Offenbar war der Mann ein Abholfahrer, der aus Deutschland kommend Flüchtlinge in Polen aufgreift. Nachdem er die Flüchtlinge abgesetzt hatte, fuhr der Deutsche mit ausländischen Wurzeln durch die Grenzkontrolle, wo er festgenommen werden konnte. Gegen ihn wird wegen Einschleusung illegaler Einwanderer ermittelt.

Bundespolizei zufrieden

Die acht Flüchtlinge seien kurz darauf „zu Fuß in die Arme meiner Kollegen gelaufen“, schildert Klaner den Vorfall. Sie stammen aus dem Iran. Sie seien zunächst in Gewahrsam genommen und dann an die nächste Erstaufnahmestelle übergeben worden.

Abholfahrten sind ein bekanntes Problem in Zittau, für das es bislang kaum Lösungen gibt. Weder kann die illegale Einreise Schutzsuchender verhindert werden, noch erwischen die Polizisten jeden Abholfahrer. Für die Bundespolizistin aus Hessen ist klar: „Wir können nicht überall sein.“

Wenn auch viele Einreisen nicht verhindert werden können, so sei die Zahl insgesamt aufgrund der Grenzkontrollen doch zurückgegangen. Das sagt jedenfalls Bundespolizeipräsident Dieter Romann. „Seit Ende Oktober gehen die unerlaubten Einreisezahlen und festgestellten Schleusungsdelikte signifikant zurück“, sagte er am Mittwoch. In den vergangenen drei Wochen habe die Bundespolizei, Stand Dienstag, 9622 unerlaubte Einreisen an den Grenzen festgestellt. In 3900 Fällen seien Betroffene zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden. Bis Montag seien zudem 236 Schleuser vorläufig festgenommen worden mit 4362 geschleusten Personen. (mit dpa)