Der 80. Jahrestag des „D-Day“ erinnert an die Landung der Alliierten in der Normandie, die das Ende des Nazi-Regimes einläutete.
Landung der Aliierten am 6. Juni 1944Der „D-Day“ und sein Echo 80 Jahre danach
Es war ein Flug ins Ungewisse, in einen unerbittlichen Kampf, und für viele führte er direkt in den Tod. Eine militärische Operation, um mit vereinten, alliierten Kräften das Wüten der Nazis in diesem Frühsommer 1944 endlich zu beenden. „Wir wussten, dass wir nicht mehr alle lebendig zurückkehren würden“, ist eine tiefe Stimme zu hören, als der Schwarz-Weiß-Film beginnt. Den Besuchern des „Centre Juno Beach“ am Küstenort Courseulles-sur-Mer werden wackelige Aufnahmen von Soldaten gezeigt, die in Kanada Flugzeuge besteigen. Die Maschinen sollten sie in das Grauen des Kriegs ins für sie ferne Europa bringen.
Als „D-Day“ ging der 6. Juni 1944 in die Geschichte ein. Unter dem Feuerschutz von 1200 Schiffen und 7500 Flugzeugen landeten rund 150.000 britische, kanadische, französische und US-Soldaten an den Stränden der Normandie. An dem Tag begann der Feldzug der alliierten Armee in Nordfrankreich gegen die deutschen Besatzer bis zur Befreiung von Paris am 25. August 1944.
Viele Opfer bei den Kämpfen
Auch 80 Jahre später prägt die blutige Schlacht der Normandie die Region. Bis heute werden die Landungsstrände nach ihren damaligen Codenamen bezeichnet: Utah Beach, Omaha Beach, Gold Beach, Juno Beach, Sword Beach. An die Kämpfe erinnern weitläufige Soldatenfriedhöfe in der eigentlich idyllisch grünen Landschaft, Mahnmale, Überreste von Bunkern und Beton-Befestigungen, die noch aus dem Meer ragen.
Das „Centre Juno Beach“ ist speziell dem Beitrag Kanadas gewidmet. Benannt nach dem kanadischen Sektor der Landungsstrände, wurde es 2003 von einem „D-Day“-Veteranen gegründet. „Er wollte einen Ort schaffen, um seine Erinnerungen an die jüngeren Generationen weiterzugeben“, sagt Ophélie Duchemin, die dort arbeitet. Besichtigt werden kann auch ein ehemaliger Bunker der deutschen Armee. Wenige Meter vom Strand mit dem hellen, weichen Sand geht es mehrere Meter in die Tiefe. Die Mauern sind solide, die Gänge geräumig, doch die Atmosphäre bleibt bedrückend. Es ist einer der Orte, die den Wahnsinn und die Absurdität des Zweiten Krieges illustrieren. Eines jeden Krieges.
Die Toten- und Verletztenzahlen der Schlacht der Normandie sind schwindelerregend: Von mehr als zwei Millionen Soldaten der Alliierten wurden 37.000 getötet und 163.000 verletzt. Auf deutscher Seite gab es schätzungsweise 80.000 Getötete oder Vermisste und 170.000 Verletzte sowie 200.000 Kriegsgefangene. 20.000 Zivilisten aus der Normandie starben im Zuge der Kämpfe.
D-Day: Veteranen kommen zum Gedenken zusammen
80 Jahre später kommen rund 200 Veteranen, überwiegend aus den USA, zu den Gedenkfeiern an diesem Donnerstag. Erwartet werden unter anderem US-Präsident Joe Biden, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Bundeskanzler Olaf Scholz, der britische Premier Rishi Sunak, Prinz William sowie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Dazu gebeten wurde er laut Élysée-Palast „im Namen des historischen Echos der Landung für den gerechten Kampf, den die ukrainische Nation heute führt“. Russland sei nicht eingeladen, auch wenn man die wichtige Rolle der sowjetischen Armee im Zweiten Weltkrieg stets gewürdigt habe.
In einer weißen Marmorplakette am Eingang des ehemaligen Benediktinerklosters „Abbaye aux Hommes“ in Caen, seit 1965 das Rathaus der Stadt, sind die illustren Namen derjenigen eingemeißelt, die 2004 bei den Gedenkfeierlichkeiten anwesend waren. Unter ihnen jene des früheren US-Präsidenten George W. Bush, der verstorbenen Queen Elizabeth II. und Putins. „Hier können Sie sehen, wie viel sich in nur wenigen Jahren Weltgeschichte getan hat“, sagt Anne-Marie Isabet, Stadtführerin und diplomierte Historikerin. Sie erinnere sich an die kontroversen Debatten im Jahr 2004 um die erstmalige Anwesenheit eines deutschen Kanzlers, Gerhard Schröder, an der Zeremonie zum „D-Day“, während Scholz’ Teilnahme heute völlig normal erscheine. „Das zeigt, welchen Weg wir gegangen sind und wie wichtig der Dialog und die Aussöhnung sind, damit so etwas nie wieder passieren kann.“
Caen gehört zu den Städten Nordfrankreichs, die in der Endphase des Kriegs besonders stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Den Plänen der Alliierten zufolge hätte sie noch direkt am „D-Day“ eingenommen werden sollen. Doch aufgrund des heftigen Widerstands der Wehrmacht zog sich der Bombenhagel mehr als einen Monat hin. Die Bevölkerung wurde zur Mittagszeit von den ersten Einschlägen überrascht. „Manche Menschen erstickten unter Gebäudetrümmern und schrieben noch Briefe, in denen sie bedauerten, die Befreiung von den Besatzern nicht mehr zu erleben.“
Das große Museum „Mémorial von Caen“ am Rande der Stadt befasst sich umfassend mit dem Zweiten Weltkrieg und der Schlacht der Normandie. Auch hier gibt es eine Verbindung zum Heute durch die Ausstellung des Kriegsreporters Patrick Chauvel, der seit mehr als 50 Jahren blutige Konflikte weltweit dokumentiert – von Vietnam über Afghanistan, Syrien, Libyen bis zur Ukraine. Das Wesen des Krieges, sagte Chauvel in einem Interview, bleibe gleich, verändert haben sich nur die Waffen. „In solchen Zeiten zeigen die Menschen, was sie in ihrem tiefsten Inneren sind, und bringen gute Seiten hervor, die sie in Friedenszeiten nicht zeigen.“