Millionen kleine weiße Plastikkugeln überschwemmen seit Tagen Spaniens Atlantikküste und sorgten an den Stränden für Umweltalarm. Fische und Vögel sind davon bedroht.
Umweltalarm an Spaniens KüsteHunderte Helfer kämpfen gegen Massen angeschwemmter Plastikkügelchen
Die „weiße Flut“ stammt von einem Frachter, der bei Sturm auf hoher See einen Teil seiner Ladung verlor. Bisher ist ein mehrerer hundert Kilometer breiter Küstenstreifen vor allem in den spanischen Ferienregionen Asturien und Galicien betroffen, die im Nordwesten Spaniens liegen.
Erst am Mittwoch riefen die Behörden in Asturien und Galicien die Alarmstufe zwei ihrer Umweltnotfallpläne aus. Damit ist es möglich, die Zentralregierung um Hilfe bei der Säuberung der Strände zu bitten, wie die Zeitung „La Voz de Galicia“ am Mittwoch berichtete.
Bislang kämpfen Hunderte von freiwilligen und professionellen Helfern kämpfen an den AtlantikStränden, die zu den schönsten ganz Spaniens gehören, gegen die Plastikschwemme. Doch der Einsatz gegen die Flut der unzähligen kleinen Kunststoffteilchen gleicht einer Sisyphusarbeit. Die Plastikpartikel sind nur wenige Millimeter groß. Sie gleichen auf den ersten Blick einem Reiskorn und sind kaum auszumachen zwischen Sand, Muscheln und Algen.
„Es ist nahezu unmöglich, die Strände komplett zu säubern“, berichtet einer jener Umweltaktivisten, der an der Küste der Halbinsel O Grove im Sand hockt. Mit Küchensieben, Netzen, Schaufeln, Besen und Gartenharken versuchen die Helfer und Reinigungsarbeiter, so viele Plastikkügelchen wie möglich aus dem Sand und aus den heranrollenden Wellen zu fischen.
Spaniens Fischer sind in großer Sorge
Auch die Fischer und Muschelzüchter, die vom Atlantik und den Meeresfrüchten leben, sind gekommen, um zu retten, was zu retten ist. Sie wissen, dass die Plastikflut nichts Gutes für ihr Gewerbe bedeutet. Die Fischer berichten, dass sie in den gefangenen Meerestieren bereits weiße Plastikkugeln gefunden haben. Der Albtraum begann bereits Mitte Dezember, als der Frachter „Toconao“, der unter liberianischer Flagge fährt, 80 Kilometer vor der portugiesischen Atlantikküste in ein schweres Unwetter geriet. Während des Sturms rutschten mehrere Frachtcontainer ins Meer. Unter ihnen war mindestens einer mit annähernd tausend Säcken mit Mikroplastikkugeln – ein Grundstoff, aus dem etwa Flaschen und Verpackungen hergestellt werden.
Schon wenige Tage nach dem Unglück trieben die ersten Plastikkugeln an der nördlich Portugals gelegenen spanischen Küste an. Inzwischen hat sich der Containerunfall zu einer Plastikschwemme ausgeweitet. Wissenschaftler warnen, dass Tausende von Seevögeln sowie Fischen verenden und das Plastik über den Verzehr von Meerestieren auch in die menschliche Nahrungskette gelangen könnte.
Erinnerungen an die „Prestige“-Katastrophe 2022
In der Atlantikregion Galicien werden Erinnerungen an die „Prestige“-Katastrophe wach. Im November 2002 war der unter der Flagge von den Bahamas fahrende Schrotttanker „Prestige“ vor der Küste im Sturm auseinandergebrochen. Rund 77000 Tonnen Schweröl ergossen sich ins Meer und verseuchten die Küste. Wie damals reagierten auch dieses Mal wieder die örtlichen Behörden mit großer Verspätung und erst, nachdem Umweltschützer Alarm geschlagen hatten.
Der Frachter war im westafrikanischen Billigflaggenland Liberia registriert. Aber die zuständige dänische Reederei Maersk weist alle Schuld von sich, weil der Frachter nicht ihr gehört, sondern gechartert worden war. Der polnische Plastikhersteller Bedeko, dessen Name auf den Säcken gedruckt war, teilte wiederum mit, die Ladung gehöre einem indischen Unternehmen.
Spaniens Staatsanwaltschaft untersucht mittlerweile, ob die Reederei oder der Hersteller des Mikroplastiks haftbar gemacht werden kann. Doch die ersten Ermittlungen signalisieren, dass es schwierig werden dürfte, einen Verantwortlichen zu finden. Es ist also gut möglich, dass die Rechnung für die Küstenreinigung wieder einmal der Steuerzahler begleichen muss.