Schießereien und Chaos plagen die belgische Hauptstadt. Brüssel erlebt heftige Gewalt durch verfeindete Drogenbanden, während die Behörden im Chaos der politischen Unsicherheit versinken.
„Krieg zwischen Gangs“Brüssel ist fest im Griff der Drogenbanden

Belgiens Justizministerin Annelies Verlinden kommt zu einer Pressekonferenz anlässlich der jüngsten Vorfälle mit Schusswaffe. Am Freitag fielen Schüsse in der Brüssler Gemeinde Anderlecht.
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Man würde annehmen, vier Schießereien binnen drei Tagen sorgten für Angst und Schrecken in Brüssel. Dass die Menschen nervös die verstörenden Bilder der Überwachungskameras in den Nachrichten verfolgen, die wirken wie aus einem Gangsterfilm.
Darauf zu sehen sind zwei vermummte Männer, wie sie am frühen Mittwochmorgen an der Metrostation Clemenceau im Viertel Anderlecht ziellos mit Kalaschnikows um sich feuern, während Passanten versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Eine Kugel trifft die Scheibe eines angrenzenden Hauses und landet in einem Kinderzimmer. Danach flüchten die beiden Täter in die Tunnel der Metro – bislang blieb die Suche nach ihnen ohne Erfolg.
Drama in Anderlecht: „Krieg zwischen Gangs“
In der folgenden Nacht wieder Schüsse, wieder in Anderlecht, ein Zufallsopfer wird verletzt. Und am frühen Freitagmorgen ein ähnliches Szenario, dieses Mal wird ein Mann getötet, offenbar war er den Behörden wegen Drogendelikten bekannt.
Später soll der Anderlechter Bürgermeister von einem „Krieg zwischen Gangs“ sprechen, die ihre Reviere verteidigen wollten. Dieser tobt vor allem in der Gegend um den Brüsseler Südbahnhof, wo der Drogenhandel und die Gewalt besonders grassieren – und wo die meisten Reisenden aus Köln, Frankfurt, London oder Paris mit dem Zug ankommen.
Man würde also meinen, all das löse Furcht bei den Anwohnern aus. Doch an diesem Sonntag wirkt die Gegend, als wäre nichts geschehen. Vereinzelt patrouillieren Sicherheitskräfte im Viertel. Um sie herum wuselt es vor Menschen, die zum Markt Abattoirs rund um das Schlachthaus neben der denkmalgeschützten Halle strömen, wo sich Stände voller Gemüse, Fleisch und Ramsch aneinanderreihen.
Brüssel: Gewalt im Drogenmilieu eskaliert
Dabei eskaliert die Gewalt im Brüsseler Drogenmilieu. Belgien gilt wegen des Hafens von Antwerpen – der zweitgrößte in Europa – als Haupteinfallstor für Kokain, das aus lateinamerikanischen Ländern wie Kolumbien, Ecuador oder Panama auf den Kontinent geschmuggelt wird und Europa überschwemmt.
Die Brüsseler Behörden wirken derweil, als wären sie im Würgegriff der Drogenkartelle erstarrt, hilflos bei der Frage, wie sie die Gewalt in den Griff bekommen sollen. Mehr noch: In der Hauptstadtregion fehlt es auch Monate nach den Regionalwahlen an einer neuen Regierung, weil sich die Parteien nicht einigen können.
Die Folge ist Chaos bei der Frage nach Zuständigkeiten der Polizei und der Gemeinden. Um das Problem zu bekämpfen, fehlten die Strukturen, bemängeln wütende Bürger. „Die offensichtliche Gleichgültigkeit der Politiker gefährdet die Sicherheit aller“, schrieben etwa Vertreter der 40 Brüsseler Nachbarschafts- und Stadtteilkomitees in einem offenen Brief vor wenigen Tagen. Sie forderten zum Handeln auf. „Ohne eine Regierung und dringende Maßnahmen der Behörden läuft eine ganze Bevölkerung Gefahr, in Wut und Extremismus zu verfallen.“ Die Brüsseler fühlten sich „im Stich und angesichts der Unsicherheit allein gelassen“.
Ohne eine Regierung und dringende Maßnahmen der Behörden läuft eine ganze Bevölkerung Gefahr, in Wut und Extremismus zu verfallen.
Tatsächlich werden die Vorfälle immer dramatischer und nehmen an Häufigkeit zu. Schon im vergangenen Jahr sorgten zahlreiche Schießereien für Bestürzung in der Hauptstadt. Da schossen Drogendealer am helllichten Tag mit Kriegswaffen herum, maskierte Kriminelle kämpften mitten in Brüssel mit schwerem Gerät um Territorium und Banden beherrschen Stadtteile, wo sonst Eltern mit ihren Kindern spazieren gehen.
Mittlerweile schlagen sogar Tourismus-Vertreter Alarm. Bei den Hotels lösen die Vorfälle die Befürchtung aus, dass Touristen abgeschreckt würden, meinte Willem van der Zee, Präsident der Brüsseler Hotelvereinigung, in der „Brussels Times“.