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Krankheitsfälle und PersonalmangelImmer mehr Kitas in NRW müssen schließen

Lesezeit 3 Minuten
Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden.

Viele Kitas in NRW haben große Probleme, die Betreuung sicher zu stellen.

Die Zahl der Einrichtungen, die ihr Betreuungsangebot einschränken müssen, hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt.

Krankheitsfälle und Personalmangel zwingen immer mehr Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen zur Schließung oder Einschränkung des Betreuungsangebotes. Wie NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) jetzt auf Kleine Anfrage der SPD-Opposition im Landtag bekanntgeben musste, hat sich die Zahl der Problemanzeigen der Kita-Träger binnen eines Jahres mehr als verdoppelt. Die Statistik wird an diesem Montag veröffentlicht.

Lagen den beiden Landesjugendämtern im Juni 2023 noch insgesamt 851 Anzeigen über reduzierte Betreuungszeiten, Gruppenschließung oder die vorübergehende vollständige Einstellung des Kita-Betriebes vor, waren es zum selben Zeitpunkt des laufenden Jahres bereits 2062. Vor allem im westfälischen Teil des Landes ist ein dramatischer Anstieg von 187 auf 461 Meldungen zu beklagen.

Auch in den mehr als 200 städtischen Kitas in Köln sind aktuell etwa 300 Stellen unbesetzt. Wie viele unbesetzte Stellen es in den über 400 Kölner Kitas in freier Trägerschaft gibt, ist nicht bekannt. Vor der „sich zuspitzenden Fachkräftesituation“ warnte im Frühsommer der Kölner Bildungsdezernent Robert Voigtsberger.

„Das System steht auf Messers Schneide“

Die Träger der NRW-weit 10.700 Kindertagesstätten sind gesetzlich verpflichtet, Personalunterbesetzungen zu melden. Mit dem Landesjugendamt müssen dann Maßnahmen „zur Sicherstellung des Kindeswohls“ abgestimmt werden. In der Regel bedeutet das eine Einschränkung der Betreuungszeiten, was berufstätige Eltern in NRW immer häufiger in Bedrängnis bringt. Wenn die Kita plötzlich wegen Personalmangels geschlossen werden muss oder Familien gebeten werden, ihre Kinder früher abzuholen, ist das ohne Hilfe von Großeltern und Bekannten kaum zu organisieren.

„Das System steht auf Messers Schneide, aber die Landesregierung ist in Schockstarre verfallen“, kritisierte SPD-Familienexperte Dennis Maelzer gegenüber unserer Redaktion. Es führe kein Weg mehr an einem Kita-Rettungsprogramm vorbei. „Wenn so viele Einrichtungen Öffnungszeiten einschränken, Gruppen schließen oder sogar komplett vom Netz gehen müssen, dann zeigt das, wie die Träger auf Kante nähen müssen. Es fehlt ihnen schlicht und ergreifend das Geld, um ausreichend Personal vorzuhalten“, sagte Maelzer.

Bislang hatte die Landesregierung die hohe Zahl an Schließungen und Angebotsreduzierungen mit saisonalen Krankheitswellen, einem Corona-Nachholeffekt und dem allgemeinen Fachkräftemangel erklärt. Auf Maelzers Frage, wie Ministerin Paul die hohen Ausfälle zu verringern gedenkt, antwortet die Grüne: „Die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung obliegt grundsätzlich dem Träger in seiner Rolle als Arbeitgeber und im Hinblick auf seine fachliche Gesamtverantwortung.“

Vor allem die rund 8000 Kitas in nicht-kommunaler Trägerschaft erleben jedoch eine strukturelle Schieflage, die das Land zu verantworten habe. Die zum August erhöhten Kopf-Pauschalen nach dem Kinderbildungsgesetz reichten ebenso wenig wie eine gewährte Überbrückungshilfe von insgesamt 100 Millionen Euro, um ausreichend Personal zu gewinnen. Zumal der Bedarf absehbar enorm bleibt: In NRW fehlen Schätzungen zufolge mehr als 100.000 Kita-Plätze. (mit dha)


NRW rückt von beitragsfreiem Kita-Jahr ab

NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) ist von der geplanten Beitragsfreiheit für Kita-Kinder über drei Jahren in NRW überraschend deutlich abgerückt. „Was über die zwei bestehenden freien Jahre hinaus noch möglich sein wird, hängt von der Entwicklung des Haushalts ab“, sagte Paul. Erstmal stehe die Stabilisierung des Systems im Fokus.

CDU und Grüne hatten in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Elternbeiträge für ein weiteres Betreuungsjahr zu erlassen. Der schwarz-grüne Etatentwurf für 2025 sieht nun aber erstmals wieder rund 1,3 Milliarden Euro neuer Schulden vor. Spielräume für ein teures Wahlversprechen wie die beitragsfreie Ü3-Kita scheinen damit kaum noch vorhanden zu sein. (tob)