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Verdacht der KorruptionKaufte Erdogan den New Yorker Bürgermeister?

Lesezeit 4 Minuten
Im Mittelpunkt der Anschuldigungen: New Yorks demokratisches Stadtoberhaupt Eric Adams.

Im Mittelpunkt der Anschuldigungen: New Yorks demokratisches Stadtoberhaupt Eric Adams.

Die US-Staatsanwaltschaft beschuldigt Eric Adams, illegale Wahlkampfspenden aus der Türkei angenommen und den Bau des „Türkevi“ genehmigt zu haben – trotz feuerpolizeilicher Bedenken.

Stolz sei er, sagte Recep Tayyip Erdogan am 20. September 2021 auf dem Dach des neuen Hochhauses „Türkevi“, direkt gegenüber der Zentrale der Vereinten Nationen in Manhattan. Der türkische Präsident weihte an diesem Tag das 171 Meter hohe „Türkische Haus“ als neuen Sitz des Generalkonsulats und der UN-Vertretung des Landes ein und gratulierte allen, die an dem Bau des 36-stöckigen Gebäudes beteiligt waren. Einer davon war nach Überzeugung der US-Staatsanwaltschaft der New Yorker Bürgermeister Eric Adams, der Geld und Geschenke aus der Türkei angenommen und dafür den Hochhausbau trotz feuerpolizeilicher Bedenken genehmigt haben soll.

Erdogan besucht das „Türkevi“ jedes Jahr, wenn er zur Teilnahme an der UN-Vollversammlung nach New York fliegt. Auch in den vergangenen Tagen führte der Staatschef dort viele Gespräche mit internationalen Politikern und gab vor Journalisten eine Pressekonferenz.

Geschenke von Geschäftsleuten und Regierungsvertretern

Doch kaum hatte Erdogan am Donnerstag die Heimreise angetreten, veröffentlichte New Yorks Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift gegen Adams, die das „Türkevi“ ins Zentrum von Korruptionsvorwürfen gegen das Stadtoberhaupt der Millionenmetropole rückte. Ohne die Bestechlichkeit des Bürgermeisters, so der Vorwurf, hätte das „Türkevi“ vor drei Jahren nicht eingeweiht werden können.

Auf 57 Seiten schildern die Staatsanwälte, wie Adams unter anderem Kontakte zu türkischen Geschäftsleuten und Regierungsvertretern nutzte, um Geld und Geschenke einzustreichen. In den Jets der halbstaatlichen Fluggesellschaft Turkish Airlines flog der Bürgermeister demnach stets in der Business Class, bezahlte aber Normaltarif. Bei Besuchen in Istanbul wohnte er zum Vorzugstarif in einem Luxushotel. Und über türkische Gönner habe Adams illegale Wahlkampfspenden erhalten. Hunderttausende Dollar seien die Zuwendungen insgesamt wert gewesen, erklärte Staatsanwalt Damian Williams.

Ab 2019 hätten Turkish Airlines, der türkische Generalkonsul in New York und die Regierung in Ankara ihren Einfluss auf Adams ausgebaut, schreiben die Ermittler. Im Jahr 2021 habe ein türkischer Beamter einem Mitarbeiter von Adams geschrieben, der türkische Außenminister verfolge Adams Karriere persönlich. Vorwürfe gegen Erdogan enthält die Anklageschrift nicht; der Präsident wird darin nicht erwähnt.

Kurz vor der Einweihung des „Türkevi“ habe der türkische Generalkonsul dann Adams ausrichten lassen, nun sei er „an der Reihe“. Die New Yorker Feuerwehr hatte das Gebäude da noch nicht inspiziert – es wäre zu diesem Zeitpunkt bei der feuerpolizeilichen Prüfung durchgefallen, schreiben die Staatsanwälte. Die Türkei wollte sich die Einweihung durch Erdogan jedoch nicht verderben lassen.

Adams war zwar noch nicht im Amt, stand aber kurz vor einem sicheren Sieg bei der Bürgermeisterwahl. Deshalb habe der Generalkonsul gefordert, nun müsse der demokratische Politiker etwas tun. „Ich weiß“, habe Adams geantwortet. „Wie angewiesen“ habe er dann die Feuerwehr unter Druck gesetzt, so die Anklage. Anschließend sei das Hochhaus wie gewünscht feierlich eröffnet worden.

Politisch habe der Lokalpolitiker der türkischen Regierung ebenfalls einige Gefallen getan, so die Staatsanwaltschaft. Schon vor seinem Amtsantritt 2022 habe er sich auf Wunsch Ankaras von der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen distanziert, die Erdogan für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht. Nach seinem Wahlsieg habe Adams auf Bitten der Türkei auf eine Stellungnahme am Jahrestag des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich verzichtet.

Nun kämpft der 64-jährige Adams um sein Amt und seine Zukunft: In einem Strafprozess könnte er zu einer langen Haftstrafe verurteilt werden. Er ist nicht der erste US-Politiker, der wegen angeblicher finanzieller Verbindungen zur Türkei in Bedrängnis gerät. Der frühere Sicherheitsberater von Ex-Präsident Donald Trump, Michael Flynn, gab vor vier Jahren zu, türkische Interessen vertreten und dafür eine halbe Million Dollar erhalten zu haben.

Ankara reagiert auf die Vorwürfe bislang mit keinem Wort

Verglichen mit dem politischen Erdbeben, das er in New York ausgelöst hat, ist der Fall Adams in der Türkei bisher nur ein Randthema. Die Medien berichten ohne große Aufmachung über die Vorwürfe. Erdogans Regierung äußerte sich nicht. So blieb es Oppositionsführer Özgür Özel überlassen, sein Land in Schutz zu nehmen. Die Türkei habe es nicht nötig, sich mit Schmiergeld Gefälligkeiten zu erkaufen, sagte er bei einem Besuch in New York.

Andere Kritiker von Erdogan sind sich da nicht so sicher. Der Fall Adams zeige den Hang der Regierung zu illegalen Mitteln, sagt Ömer Murat, ein Ex-Diplomat, der in seiner Karriere unter anderem in die USA entsandt war und heute im Exil in Deutschland lebt. Das füge dem Image der Türkei weiteren Schaden zu, sagte Murat unserer Redaktion. Die US-Regierung wird nach seiner Meinung im Umgang mit Vertretern der Türkei künftig vorsichtiger sein.