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Baerbocks Syrien-ReiseDarum ist Skepsis mehr als angebracht

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Syrien, Damaskus: Außenministerin Annalena Baerbock trifft sich mit dem neuen syrischen Machthaber Ahmed al-Scharaa im Präsidentenpalast in Damaskus.

Außenministerin Annalena Baerbock trifft sich mit dem neuen syrischen Machthaber Ahmed al-Scharaa im Präsidentenpalast in Damaskus.

Annalena Baerbocks überraschender Besuch in Syrien markiert einen Aufbruch in eine hoffentlich bessere Zukunft für das vom langen Bürgerkrieg zerstörte Land.

Nach langen Jahren ohne diplomatische Beziehungen schlägt nun, nach dem Sturz Assads, endlich wieder die Stunde der Außenpolitik: Annalena Baerbocks überraschender Besuch in Syrien markiert einen Aufbruch in eine hoffentlich bessere Zukunft für das vom langen Bürgerkrieg zerstörte Land.

Ob es wirklich so kommt, ist dabei nach wie vor völlig unklar. Denn der Weg zu einem Neuanfang ist noch weit: Eine „Konferenz des nationalen Dialogs“ soll zwar noch im Januar stattfinden. Für einen Verfassungsentwurf veranschlagt die siegreiche Miliz HTS allerdings bis zu drei Jahre und ein weiteres Jahr, bis die ersten Wahlen stattfinden könnten – ein langer Zeitraum, in dem noch viel passieren kann. So warnte Baerbock etwa vor einer möglichen Islamisierung des Bildungs- und Justizsystems. Die UN listet die HTS als „Terrororganisation“. Diese gibt sich seit dem Sieg über Assad zwar moderat. Das taten die Taliban in Afghanistan allerdings auch – und machten sich umgehend daran, dem geschundenen Land und vor allem den afghanischen Frauen erneut ihre Steinzeit-Ideologie überzustülpen.

Wichtiges Signal, auch in Richtung Europa

Nun ist Afghanistan mit dem seit jeher verhältnismäßig bunten, diversen Syrien nicht zu vergleichen. Aber auch die HTS-Miliz, die jetzt in Syrien die Übergangsregierung stellt, hat ihre Wurzeln bei Al Kaida. Skepsis ist also mehr als angebracht, zumal Baerbock beim Empfang in Syrien als Frau der Handschlag verwehrt wurde. Um so wichtiger ihr Appell, dass alle ethnischen und religiösen Minderheiten und selbstverständlich auch die Frauen einbezogen werden müssen in Politik, Gesellschaft und den Aufbau eines neuen Staates.

Dass die Ministerin das gemeinsam mit ihrem französischen Kollegen Jean-Noël Barrot vorträgt, ist dabei ein besonders wichtiges Signal – nicht nur in Richtung Syrien, sondern auch in Richtung Europa. Die deutsch-französischen Beziehungen waren zuletzt auf einem Tiefpunkt angelangt, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch nicht einmal zur feierlichen Wiedereröffnung von Notre Dame nach Paris reiste. Umso besser, dass Deutschland und Frankreich im Namen der EU gemeinsam im Nahen Osten Flagge zeigen – und dabei nicht nur die Hand ausstrecken, sondern klare Erwartungen formulieren.